Meinung des Tages: Gedenken an die Reichspogromnacht - was können wir gegen Antisemitismus tun?

85 Jahre nach den großen Pogromen in Deutschland und vor dem Hintergrund des Krieges im Nahen Osten wird seitens der Politik über einen umfassenderen Schutz von Juden in Deutschland debattiert. Dabei stellt sich auch die Frage, was der Einzelne im Kampf gegen Antisemitismus tun kann….

Der 9. November als Schicksalstag der Deutschen

Mit Blick auf die deutsche Geschichte gilt der 9. November als besonderer Tag, da er mit einer Vielzahl an historisch bedeutsamen Ereignissen und Wendungen in Verbindung steht: Am 9. November 1918 wurde in Deutschland die Weimarer Republik ausgerufen, womit das Ende des Kaiserreichs und der Beginn einer bis dato neuen (kurzen) politischen Ära eingeläutet worden ist. Vor exakt 100 Jahren unternahmen Adolf Hitler und der hochdekorierte General Erich Ludendorff einen Putschversuch, mit dem Ziel, die bestehende politische Ordnung durch eine Militärdiktatur abzulösen. Drei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde am 9. November 1948 das Grundgesetz verabschiedet, das die Grundlage der westdeutschen Demokratie und später der Verfassung der Bundesrepublik bildete. Und am 9. November 1989 wurde die Berliner Mauer geöffnet, womit sowohl die Wiedervereinigung Deutschlands als auch das Ende des Kalten Krieges besiegelt werden konnte. 

Die Reichspogromnacht als Wendepunkt in der NS-Politik

Auch im Jahre 1938 ereignete sich mit der Reichspogrom- bzw. Reichskristallnacht ein weiteres (dunkles) Ereignis in der deutschen Geschichte: In der Nacht vom 9. auf den 10. November zerstörten Anhänger der Nationalsozialisten in zahlreichen deutschen Städten Synagogen, plünderten jüdische Geschäfte und misshandelten tausende Juden. Das Ganze geschah zumeist vor den Augen der Zivilbevölkerung und gilt nicht nur als die größte Pogrom-Welle seit den großen Pest-Pogromen des Mittelalters, sondern die Ereignisse des 9. November 1938 markieren darüber hinaus den traurigen Wendepunkt der systematischen Ausgrenzung und Verfolgung von Juden, die wenige Jahre später im Menschheitsverbrechen des Holocausts endeten. 

Antisemitismus heute – was können und müssen wir tun?

85 Jahre nach der durch das nationalsozialistische Regime initiierten Pogromnacht und auch in Anbetracht des aktuellen Konflikts zwischen der Hamas und Israel haben deutsche Politiker über einen umfassenderen Schutz für jüdisches Leben in Deutschland debattiert. Für Innenministerin Nancy Faeser sowie weitere Bundestagsabgeordnete sei es untragbar, dass auf momentanen Pro-Palästina-Demonstrationen antisemitische und menschenfeindliche Hetze betrieben wird, die u.a. dazu führt, dass viele Juden in Deutschland angefeindet werden und sich nicht mehr trauen, ihren Glauben sichtbar nach außen zu tragen. Derartige Zustände seien insbesondere nicht mit dem Credo des „Nie wieder“ vereinbar, das als Reaktion auf die Verbrechen der Nazis als für Deutschland konstituierende Haltung entstanden ist. Faeser verwies darauf, dass alle, die judenfeindliche Hetze betreiben, „mit der ganzen Härte des Rechtsstaates“ rechnen müssen und klar antisemitische Äußerungen nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt seien.

Vor allem die Unionsparteien drängen auf ein härteres Strafmaß bei politisch motivierten Straftaten. Wenn es nach Alexander Dobrindt ginge, sollten antisemitische Parolen als besonders schwerer Fall von Volksverhetzung eingestuft und mit mehrmonatiger Haftstrafe bestraft werden. Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft, die durch antisemitische Hetze auffallen, solle der deutsche Pass entzogen werden.

Seitens von CDU / CSU wird hier allerdings vergessen, dass der in Deutschland vorherrschende Antisemitismus aus dem rechten Spektrum auch nach Kriegsende nie verschwunden, sondern jüngst viel mehr durch den Antisemitismus vieler Geflüchteter sowie den aus dem linken intellektuellen Milieu im negativen Sinne bereichert worden ist. Cem Özdemir plädiert dafür, den Kampf gegen Antisemitismus zur Pflicht eines jeden republikanischen Bürgers zu machen. Weiterhin müsse sich die Politik mit Blick auf das Bildungswesen fragen, ob das Lehren und Problematisieren von geschichtswissenschaftlichen Fakten sowie die konsequente und ganzheitliche Erziehung hin zu demokratischen und mündigen Bürgern mit der für die Sache notwendigen Ernsthaftigkeit betrieben wird.

Unsere Fragen an Euch: Was kann und muss der Einzelne im Kampf gegen Antisemitismus leisten? Welche Verantwortung kommt Online-Plattformen beim Kampf gegen Antisemitismus zu? Was erwartet Ihr von Bildung und Politik, um Antisemitismus einzudämmen? Seid ihr selbst schon einmal aktiv geworden oder kennt ihr Menschen, die antisemitisch angefeindet worden sind?

Wir freuen uns auf Eure Antworten

Viele Grüße

Euer gutefrage Team

Quellen:

https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/bundestag-debatte-antisemitismus-100.html

https://www.sueddeutsche.de/politik/reichspogromnacht-85-jahrestag-gedenken-synagoge-1.6300704

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Meinung des Tages: Boris Pistorius findet, Deutschland müsse "kriegstüchtig" werden - wie schätzt ihr das ein?

Immer mehr Konflikte werden militärisch ausgetragen - dies wird ersichtlich, wenn man einen Blick in die Ukraine, den Nahen Osten, in den Kosovo oder auch nach Bergkarabach wirft. Das für Deutschland alarmierende: Die Kriege und Konflikte rücken näher. Länder- und Bündnisverteidigungen sind wieder an der Tagesordnung. Eine direkte Involvierung Deutschlands besteht derzeit noch nicht, es ist allerdings nicht im Bereich des Unmöglichen, dass sich dies in den nächsten Jahren ändert.

Boris Pistorius: Deutschland muss "kriegstüchtig" werden

Mit seiner Aussage geht Boris Pistorius einen Schritt weiter, als viele Politiker es sich bisher trauten. Selbstverständlich polarisiert diese Aussage - einige unterstellen Kriegsrhetorik und unnötigen Alarmismus, der lediglich zu Unruhen führen würde.
Doch in der Tat ist Deutschland im Falle eines solchen Szenarios derzeit nicht sonderlich gut aufgestellt. Die Politik vermeidet es, Wehrhaftigkeit zu demonstrieren und militärische Macht zu projizieren. Für Militärhistoriker Sönke Neitzel stellt dieses Vorgehen eine Strategie der Konfliktvermeidung dar, mit der Folge, dass Deutschland international an Einfluss verliert.

Die Bundeswehr in Deutschland

In der Politik werden militärische Themen vermieden, denn mit dieser Thematik werden kaum Wählerstimmen generiert. Doch in der Bundeswehr fehlt es an Gerätschaften, Personal und Geld - verteidigungsfähig ist sie Stand jetzt nicht.

Kurz nach seinem Auftritt bei "Berlin direkt" ergänzte Pistorius seine Aussage übrigens. Es sei notwendig, dass Deutschland in der Lage sei, Krieg im Sinne eine Abwehr- oder Verteidigungskrieges führen zu können, sodass dies am Ende gar nicht erst nötig wird.

Unsere Fragen an Euch: Wie schätzt ihr die Aussage von Pistorius ein? Muss Deutschland kriegsfähig(er) werden oder handelt es sich bei seiner Aussage tatsächlich um reinen Alarmismus?

Wir freuen uns auf Eure Antworten!

Viele Grüße
Euer gutefrage Team

Quellen:
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/boris-pistorius-krieg-europa-kommentar-100.html
https://www.focus.de/politik/verteidigungsminister-warnt-vor-neuer-gefahr-pistorius-wir-muessen-kriegstuechtig-werden-100-milliarden-euro-sollen-helfen_id_235984844.html

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Meinung des Tages: 80 Jahre D-Day - wie wichtig ist eine lebendige Erinnerungskultur?

Am heutigen 6. Juni jährt sich der D-Day zum 80. Mal. Die Landung westalliierter Streitkräfte in der Normandie gilt als größte Amphibien-Militäroperation aller Zeiten und leitete die Befreiung Westeuropas von den Nationalsozialisten ein. Doch das Geschichtswissen vieler Jugendlicher schwindet...

Was geschah am D-Day?

Die "Operation Overlord" oder der "D-Day" (engl. Decision Day, Delivery Day oder Doomsday) gilt als die bis heute größte Landungsoperation in der Weltgeschichte: Amerikanische, britische und kanadische Truppen haben das ambitionierte Unternehmen, das den Untergang des Nazi-Regimes einleiten sollten, im Vorfeld über mehrere Monate hinweg akribisch geplant. Am 6. Juni 1944 - einen Tag später als geplant - brachen mehrere Tausend Schiffe und Flugzeuge mit insgesamt über 150.000 Soldaten von der englischen Küste aus in Richtung Normandie auf.

Auf Seiten der Wehrmacht war man bereits auf einen möglichen Angriff an der französischen Küste vorbereitet; mithilfe des sog. "Atlantikwalls", der aus zahlreichen schweren Geschützen und Bunkeranlagen bestand, sollte ein alliierter Angriff erfolgreich zurückgeschlagen werden.

Entgegen deutscher Erwartungen allerdings landeten die Alliierten nicht bei Calais, sondern an mehreren verschiedenen Strandabschnitten an der französischen Küste.

Eine verlustreiche Schlacht

Der D-Day entwickelte sich für beide Kriegsparteien zu einer mehr als verlustreichen Schlacht: Insbesondere die Amerikaner hatten am Küstenabschnitt "Omaha Beach" zahlreiche Verluste zu beklagen, da sie auf dem offenen Strand unmittelbar in das MG-Feuer aus den deutschen Bunkern gerieten. Alleine am 6. Juni kamen ca. 6000 alliierte und rund 4000-9000 deutsche Soldaten ums Leben.

Die Operation Overlord forderte auf beiden Seiten weit über 100.000 Menschenleben. Wenige Wochen nach Beginn des Einsatzes konnte die französische Hauptstadt am 25. August 1944 von den Westalliierten befreit werden.

Zentrale Gedenkfeiern geplant

Auch in diesem Jahr wird am historischen "Omaha Beach"-Strand wieder der Opfer sowie der Bedeutung der Operation gedacht. Vertreten sind viele der letzten noch lebenden Veteranen, aber auch die Staats- und Regierungschefs der ehemaligen Westalliierten. Obgleich deutsche Vertreter viele Jahrzehnte bewusst nicht an den Zeremonien teilnahmen, sind diese seit der Regierung Schröder ebenfalls stets mit anwesend. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz wird demnach heute auf seine Kollegen Joe Biden und Emanuel Macron treffen.

Nach längeren Beratungen entschied man sich dagegen, in diesem Jahr einen Vertreter Russlands einzuladen. Um den sowjetischen Beitrag zum Sieg über das Dritte Reich zu würdigen, nahm Wladimir Putin noch zu den Feierlichkeiten des 60. und 70. Jahrestags teil. Stattdessen wird der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj heute nach Frankreich reisen.

Wenig Geschichtswissen bei Jüngeren

Angesichts der zeitlichen Distanz sowie der Tatsache, dass nur noch wenige Zeitzeugen leben, schwindet das Wissen über die Geschehnisse des Zweiten Weltkriegs und der Bedeutung historischer Ereignisse wie der des D-Days vor allem unter Jüngeren. In Großbritannien beispielsweise weiß laut einer Studie in etwa die Hälfte der Jugendlichen nicht, was am 6. Juni 1944 geschehen ist. Ein Drittel der Befragten, die in Friendenszeiten groß geworden sind, denkt, dass das Geld für solche Gedenktage anderweitig ausgegeben werden sollte. Sowohl Veteranen als auch Historiker in England versuchen, dem entgegen zu wirken und die Erinnerung an historisch bedeutsame Ereignisse wach zu halten.

Mit Blick auf den D-Day hat sich in Deutschland das Narrativ durchgesetzt, dass der Tag auch für uns ein bedeutsames und erinnerungswürdiges Ereignis sei; schließlich läutete er das Ende der NS-Herrschaft und damit auch den Beginn der Demokratie in Deutschland ein.

Unsere Fragen an Euch:

  • Wieso ist eine lebendige Erinnerungskultur Eurer Meinung nach wichtig?
  • Interessiert Ihr Euch für Geschichte bzw. fühlt Ihr Euch generell gut informiert?
  • Welchen Beitrag können Schule, Politik und Öffentlich Rechtliche / Medien leisten, um Geschichtswissen spannend und informativ an Jüngere zu vermitteln?
  • Wie sieht für Euch gute und v.a. zeitgemäße Erinnerungskultur in Museum aus? Was spricht Euch persönlich an?
  • Sollte der D-Day mit Blick auf die kommenden Europawahlen und das Demokratieverständnis vieler in Deutschland ebenfalls medienwirksamer gewürdigt werden?
  • Wie kann ein besseres Geschichtsverständnis dazu beitragen, aktuelle politische und gesellschaftliche Probleme zu bewältigen?
  • Ist es richtig, die russische Seite in diesem Jahr vollends von den Feierlichkeiten auszuschließen?

Wir freuen uns auf Eure Antworten.

Viele Grüße

Euer gutefrage Team

Quellen:

https://www.dw.com/de/80-jahre-nach-dem-d-day-gedenken-an-die-landung/a-69263783

https://www.tagesschau.de/ausland/europa/dday-normandie-jahrestag-100.html

https://www.deutschlandfunk.de/d-day-zweiter-weltkrieg-gedenken-europa-102.html

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Meinung des Tages: 75 Jahre Grundgesetz - wie bewertet Ihr unsere Verfassung?

75 Jahre Grundgesetz

Heute vor 75 Jahren trat am 23. Mai 1949 das Grundgesetz der ebenfalls am selben Tag gegründeten Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Die BRD bildete sich nur wenige Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs aus den drei westlichen Besatzungszonen der Westalliierten. Im Osten befand sich die Sowjetische Besatzungszone, aus der am 7. Oktober 1949 die von der SED regierte diktatorische Deutsche Demokratische Republik entstand.

Um Westdeutschland nach der 12-jährigen NS-Diktatur sukzessive wieder in das politisch-wirtschaftliche Geflecht der internationalen Bühne einzubinden, entschieden sich die Westalliierten dazu, in ihren Zonen eine einheitliche und demokratische Grundordnung zu etablieren. Hierzu wurde ein aus 65 Vertretern der westdeutschen Länder bestehender Parlamentarischer Rat gegründet, der unter dem Vorsitz von Konrad Adenauer binnen weniger Monate das Grundgesetz erarbeitete.

Seit jeher fungiert das Grundgesetz als zentrales Dokument der deutschen Verfassungsordnung, in welchem grundlegende Werte, Rechte und Strukturen festgelegt sowie unsere demokratische und rechtsstaatliche Ausrichtung gesichert wird.

Artikel 1 als zentrales Element

Das deutsche Grundgesetz beginnt mit Artikel 1, der folgendes besagt: "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt". Dieser gewichtige und zentrale Satz der Verfassung entstand unter dem Eindruck der beispiellosen Schuld sowie der menschenverachtenenden Verbrechen, die das nationalsozialistische Regime auf sich geladen hatte.

In den darauffolgenden Artikeln 2 bis 19 werden uns einzelne Grundrechte aus unterschiedlichsten Lebensbereichen gewährt, so z.B. das Recht auf körperliche Unversehrtheit, das Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit oder das heute oftmals zitierte Recht auf freie Meinungsäußerung.

Der Gesetzestext durchlief im Laufe der Zeit zahlreiche Anpassungen. Änderungen jedoch sind nur mit einer 2/3-Mehrheit der Abgeordneten des Bundestags und der Länderkammer möglich. Hierdurch soll vor allem das demokratische Grundgerüst vor potentiellen Feinden geschützt werden.

International genießt das deutsche Grundgesetz einen sehr guten Ruf und dient insbesondere Ländern mit Diktatur-Vergangenheit immer noch als Vorbild.

Ein beständiges Provisorium

Interessanterweise war das 1949 in Kraft getretene Grundgesetz angesichts der deutschen Teilung lediglich als Provisorium bis zur - damals noch fernen - Wiedervereinigung des Landes gedacht.

Der historisch ideale Moment für eine neue Verfassung wäre für viele Menschen die deutsche Wiedervereinigung 1990 gewesen. Die Politikwissenschaftlerin Astrid Lorenz bemerkt, dass es zum damaligen Zeitpunkt einige Debatten über eine neue Verfassung gab, diese jedoch aus rein pragmatischen Gründen nicht in die Tat umgesetzt worden ist.

Der neu gegründete gesamtdeutsche Staat sollte möglichst rasch handlungsfähig und stabil sein. Darüber hinaus hatte sich das bisherige Grundgesetz in der Praxis Westdeutschlands inzwischen durchaus etabliert.

Per Volksabstimmung zur Verfassung?

Für den Ministerpräsident Thüringens, Bodo Ramelow, würde sich zum 75.-jährigen Bestehen des Grundgesetzes die ideale Möglichkeit bieten, das Regelwerk via Volksabstimmung zur deutschen Verfassung zu machen. Ramelow denkt, dass dieser Schritt insbesondere im Osten der Republik dabei helfen könnte, die unter vielen Menschen vorhandene "emotionale Fremdheit" gegenüber dem Grundgesetz zu überwinden.

Weiterhin denkt er, dass man Reichsbürgern und Verschwörungstheoretikern damit zudem den Wind aus den Segeln nehmen könnte. Reichsbürger erkennen das Grundgesetz als rechtsstaatliches Fundament der BRD nicht an und vertreten die Meinung, dass das Deutsche Reich in den Grenzen des Kaiserreichs oder in denen von 1937 fortbestehen würde.

Die grundsätzliche Möglichkeit hierzu würde durchaus bestehen, da Art. 146 eine solche neue Verfassungsgebung mit dem Zeitpunkt der deutschen Wiedervereinigung sichert.

Unsere Fragen an Euch:

  • Wie zufrieden seid Ihr mit unserem Grundgesetz? Was ist positiv? Was negativ?
  • Welche im GG verankerten Grundrechte sind Eurer Meinung nach besonders wichtig und warum?
  • Wie gut fühlt Ihr Euch über eure Rechte und Pflichten gemäß GG informiert? Wie kann man den Menschen das GG (wieder) näher bringen?
  • Wie bewertet Ihr das GG im internationalen Vergleich?
  • War es sinnvoll, das GG ohne starke ostdeutsche Beteiligung damals zur gesamtdeutschen Verfassung zu machen?
  • Wäre eine Volksabstimmung zum Grundgesetz heute noch sinnvoll?

Wir freuen uns auf Eure Antworten und feiern 75 Jahre deutsches Grundgesetz 🎉🤗

Viele Grüße

Euer gutefrage Team

Quellen:

https://www.dw.com/de/75-jahre-grundgesetz-die-verfassung-im-wandel-der-zeit/a-69103000

https://www.tagesspiegel.de/politik/per-volksabstimmung-ramelow-will-grundgesetz-zur-verfassung-machen-11689508.html

https://www.bpb.de/themen/nachkriegszeit/grundgesetz-und-parlamentarischer-rat/39014/warum-deutschlands-verfassung-grundgesetz-heisst/

Bild zum Beitrag
Ich finde unser Grundgesetz gut, da... 73%
Ich habe Dinge am GG zu bemängeln und zwar... 18%
Andere Meinung und zwar... 8%
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Meinung des Tages: Welchen Stellenwert besitzt die deutsche Wiedervereinigung für Euch?

Der heutige 03. Oktober steht ganz im Zeichen der deutschen Einheit: Seit nunmehr 33 Jahren ist Deutschland in politischer als auch geographischer Hinsicht wieder vereint. Doch selbst im Jahre 2023 gibt es zwischen Ost und West nach wie vor zu große Unterschiede...

Bundespräsident Frank-Weiter Steinmeier hat in einem gestrigen TV-Interview und inzwischen 33 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung eine durchaus kritische Bilanz gezogen. Dabei ging es u.a. um offensichtliche finanziell-materielle Defizite zwischen Ost und West: Zwischen Ostsee und Erzgebirge besitzen die Menschen durchschnittlich deutlich weniger als die Menschen im Westen. Daneben hat der Osten Deutschlands weiterhin mit dem strukturellen Problem der Abwanderung zu kämpfen: Viele junge und / oder qualifizierte Leute leben und arbeiten im Westen, weswegen seit den 1990er Jahren vielerorts dringend benötigte Fachkräfte fehlen. Was zurück bleibt oder blieb, sind häufig leblos wirkende Ortschaften mit inzwischen geschlossenen Restaurants, Kneipen, Vereinen und Einkaufsläden.

Hinzu gesellt sich die Tatsache, dass - mit Ausnahme der politischen Landschaft - ein Gros der Führungspositionen in Wirtschaft und Wissenschaft primär mit Menschen aus Westdeutschland besetzt sind und sich die Gehälter zwischen Ost und West nicht auf einem halbwegs bundeseinheitlichen Niveau bewegen.

Steinmeier kritisierte aber hauptsächlich den gesellschaftlich-mentalen Riss, der weiterhin durch die Gesellschaft ginge: Viele Deutsche denken selbst heute noch in Ost-West-Kategorien. Sehr viele Ostdeutsche haben darüber hinaus das Gefühl, vom Rest der Republik als nicht gleichwertig oder zugehörig erachtet zu werden. Bemängelt wird zudem, dass die Biographien und Geschichten Ostdeutscher zu selten als Teil einer gesamtdeutschen Geschichte wahrgenommen werden und man häufig mit Vorwürfen konfrontiert sei, das falsche Leben auf der falschen Seite des Landes gelebt zu haben. Dieses komplexe Konglomerat aus wirtschaftlichem Prestige, gesellschaftlich-moralischer Überheblichkeit, dem permanenten Gefühl von Ungleichheit und Ungleichbehandlung als auch die Leere, die viele Ostdeutsche in ihren Städten, Freundes- und Bekanntenkreisen sowie Geldbeuteln spüren, wäre mitunter eine entscheidende Determinante für die starken Umfrageergebnisse der AfD in Ostdeutschland.

Doch Steinmeier betonte - auch mit Blick auf zahlreiche hochmoderne Fabriken, die momentan im Osten entstehen -, dass man sehr viel geschafft und durchaus Grund habe, mehr als positiv in die Zukunft zu blicken. Es gebe - und hier müsse vor allem der Westen selbstkritisch vorangehen - jedoch noch viel zu tun, um "so viel [zu schaffen], wie wir eigentlich könnten".

Unsere ganz persönlichen Fragen an Euch: Wie erlebt Ihr die Wiedervereinigung im Jahre 2023 und was bedeutet Euch dieser Tag? Welche Unterschiede zwischen Ost und West macht Ihr auch heute noch fest? Wie habt Ihr Mauerfall und Wiedervereinigung erlebt und was hat sich Eurer Meinung nach zum Positiven / Negativen verändert? Was kann und muss getan werden, um die Menschen des Landes noch besser zusammenzubringen?

Wir freuen uns auf Eure Antworten und wünschen Euch einen schönen Feiertag!

Viele Grüße

Euer gutefrage Team

Viele dieser Menschen sagten, ihnen sei signalisiert worden, eben "ein falsches Leben" gelebt zu haben. "Ich glaube, darüber müssen wir noch einmal selbstkritisch mit uns allen - auch die Westdeutschen - ins Gericht gehen. Und in der Tat, die ostdeutschen Geschichten müssen mehr Teil unserer gemeinsamen Geschichte werden." Steinmeier sagte, man habe viel geschafft. "Wir sollten das nicht kleinreden." Er ergänzte: "Wir haben viel mehr geschafft, als wir glauben, aber nicht so viel, wie wir eigentlich könnten."

Quellen:

https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/tag-der-deutschen-einheit-120.html

https://www.sueddeutsche.de/politik/frank-walter-steinmeier-wiedervereinigung-migration-1.6268388

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Meinung des Tages: Wie sinnvoll mit kritischen Straßennamen in Deutschland umgehen?

Dass der Umgang mit der eigenen Kolonialgeschichte immer noch schwierig ist, zeigt das jüngste Beispiel aus der Stadt Erfurt: Hier ging es konkret um die mögliche Umbenennung des Nettelbeckufers, das nach dem gleichnamigen Steuermann von Sklavenschiffen und Befürworter der dt. Kolonialpolitik Joachim Nettelbeck (von den Nazis später als Nationalheld stilisiert) benannt ist. 

Das Thema ist durchaus brisant: Inwieweit vermitteln, problematisieren oder schönen beispielsweise Straßennamen hierzulande die eigene (kritische) Geschichte? Sollen Straßennamen in Deutschland, die nach Personen der Kolonialgeschichte benannt sind, abgeändert werden?

In Erfurt prallen derzeit zwei Lager aufeinander: Gegner einer möglichen Umbenennungsinitiative argumentieren, dass die Namensänderung aus heutiger Perspektive / nach heutigen Normen und Moralvorstellungen geschieht und man befürchtet, die eigene kritische Geschichte somit aus der Öffentlichkeit zu verbannen. Hier wird allerdings vergessen, dass Straßennamen einen engen zeitlichen Bezug haben, da sie i.d.R. als Ehrung und nicht als Mahnmal betrachtet werden.

Dekoloniale Initiativen hingegen setzen sich dafür ein, die Opfer kolonialer & rassistischer Verbrechen bei möglichen Straßennamen (so wie in Erfurt Gert Schramm, Opfer des NS-Regimes) in den Vordergrund zu rücken, so dass diese Personen entsprechend gewürdigt werden und das Echo des Negativen quasi im Straßennamen mitschwingt.

In Erfurt zumindest läuft derzeit alles auf einen - durchaus pietätslosen - Kompromiss hinaus: Das Ufer soll seinen Namen behalten und Nettelbeck + Schramm werden auf einer gemeinsamen Infotafel erwähnt / gewürdigt.

Wie soll Eurer Meinung nach mit derartigen Straßennamen verfahren werden? Unterstützt Ihr die dekoloniale Variante, in der Straßen künftig die Namen der Opfer tragen? Oder sprecht Ihr Euch für einen Verbleib von Straßen aus, die den Namen kritischer Personen tragen? Wie soll im öffentlichen Raum / Diskurs am besten mit diesem Thema der eigenen Geschichte umgegangen werden?

Wir freuen uns auf Eure Beiträge und Eure Sichtweise.

Es handelt sich hierbei um ein wichtiges und durchaus sensibles Thema, das diskutiert werden darf / muss. Rassistische Antworten / Kommentare sowie Beiträge, welche die Verbrechen der Kolonialpolitik / der NS-Zeit beschönigen, werden konsequent entfernt.

Viele Grüße

Euer gutefrage Team

Quelle: Umbenennung von Straßennamen: Und nach Gert Schramm soll nun eine Brücke benannt werden | ZEIT ONLINE

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Aus rein ästhetischer Sicht: Fandet ihr das Deutsche Kaiserreich auch wunderschön?

Hallo,

geht um das Aussehen (Architektur, Stadtgestaltung und Landschaften) und die Größe des Reiches in den Grenzen zwischen 1871 und 1918.

Ich stehe total auf den wilhelminischen Prunk der Gründerzeit in Kombination mit den Stilen der vorhergehenden Jahrhunderte (Fachwerk, Barock usw.).

Zudem war Deutschland damals deutlich größer, da ja nach dem Ersten Weltkrieg 1/7, nach dem Zweiten 1/4 des Staatsgebiets weggefallen ist. Alleine schon dadurch hat Deutschland aus meiner Sicht viel Schönheit eingebüßt, da Straßburg, Danzig, Breslau, Posen und das alte Königsberg (das heutige Kaliningrad) schöne Städte sind bzw. waren. In Bezug auf Königsberg kann ich es eher vermuten, in den anderen Städten war ich - alle wunderschön.

Hinzu kommt, dass viele Städte, die nach wie vor zu Deutschland gehören, deutlich schöner vor dem Zweiten Weltkrieg waren. Nur einige Beispiele nach meinem Geschmack: der Ebertplatz in Köln (damals top, heute Flop), das ehem. Kölner Opernhaus (abgerissen, sehr traurig), der heutige Mehringplatz in Berlin (damals Prunk, heute hässlicher Neubau, vielleicht 70er-Jahre), Kassel (da war ich nie, aber mein Eindruck ist, dass da viel verloren gegangen ist) und da gäbe es noch so viele weitere Beispiele.

Ist nur meine persönliche Meinung und keine politische Frage mit der Ausnahme, dass ich massenhaften, staatlich betriebenen Wiederaufbau nach historischem Vorbild (keine moderne Neuinterpretation) befürworten würde. Ich kann der heutigen Architektur in 99,9 Prozent der Fälle nichts abgewinnen.

Zudem fand ich toll, dass die Hauptstadt ziemlich mittig lag (so wie Madrid in Spanien).

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Architektur, deutsche Geschichte, deutsches Reich, Erster Weltkrieg, Städtebau, Weltkrieg, Zweiter Weltkrieg

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