Würde es in meinem Fall Sinn machen, meinen Autismus im Vorstellungsgespräch zu erwähnen?
Hallo,
morgen habe ich ein Vorstellungsgespräch beim McDonald's für eine Vollzeitstelle im Service und ich frage mich, ob ich erwähnen soll, dass ich von Asperger-Autismus betroffen bin.
Ich habe nach den neun Pflichtschuljahren die Schule abgebrochen und ein Projekt für Jugendliche und junge Erwachsene mit psychischen Problemen in Anspruch genommen, das die Entwicklung von Alltags- und Sozialkompetenzen unterstützt hat. Ich bin betroffen von einer massiven Angst, die sich spezifisch auf die Schule und vor allem auf Prüfungssituationen bezieht. Das Ausmaß dieser Angst ist so groß, dass es mich daran hindert, eine Ausbildung zu machen, da ein Teil immerhin die Berufsschule wäre. Aus diesem Grund habe ich auch eine Lehrstelle aufgegeben, deren Tätigkeiten selber mir jedoch sehr gefallen haben. Aus diesem Grund möchte ich nun Arbeit aufnehmen, da ich tätig sein möchte und alles besser ist, als nichts zu tun. Des Weiteren plane ich auszuziehen und Grundvoraussetzung hierfür ist selbstverständlich ein eigenes Einkommen. Es ist auch nicht so, dass mir der Weg der Ausbildung nicht mehr offen stehen wird. Bloß ist es derzeit für mich wirklich nicht zu bewältigen.
Die Angst ist wirklich ernst und aufgrunddessen habe ich auch die Genehmigung vom AMS, jetzt schon eine Arbeit auszuüben, obwohl ich erst in vier Monaten volljährig werde.
Ich plane, zum Bewerbungsgespräch mein Zeugnis mitzunehmen. Ich habe nämlich einen Notendurchschnitt von 1.0 gehabt, wodurch mein Arbeitgeber zumindest merken würde, dass ich weder kognitiv eingeschränkt noch faul bin. Meine Ängste beziehen sich auch *spezifisch* auf Schule und Prüfungen und hindern mich keineswegs am praktischen Arbeiten, was ich bereits im Rahmen von unverbindlichen Praktika herausgefunden habe. Ich bin im Gegenteil wirklich sehr motiviert, einer schnelllebigen Tätigkeit nachzugehen, bei der es durchgehend etwas zu tun gibt und ich mich stets aktiv einbringen kann.
Aber wie soll ich denn konkret auf die Frage antworten, warum ich mich nicht in Ausbildung befinde? Soll ich offen sein und meinen Asperger-Autismus und die Ängste ansprechen?
Vielen Dank im Voraus und einen schönen Tag!
2 Antworten
Wie du es am Ende handhaben möchtest, musst du selbst entscheiden. Ich würde es ehrlich gesagt von deinem Gefühl im Vorstellungsgespräch abhängig machen. So eine Information preiszugeben hängt ja auch davon ab, wer dir gegenüber sitzt und ob er mit Asberger überhaupt etwas anzufangen weiß. Du solltest dir die Frage stellen, ob du bei deinem Gegenüber wirklich auf mehr Verständnis für dein Verhalten triffst oder dich damit selbst nur in eine bestimmte Schublade steckst.
Im Zweifel würde ich nicht explizit darauf hinweisen, weil es häufig geschieht, dass dann alle deine Handlungen direkt in diese Richtung interpretiert werden. Nur mal so als Denkanstoß: Wenn jemand permanent nur über seine Defizite erzählt (das kann ich nicht und jenes kann ich nicht), traut ihm das Gegenüber weniger zu.
Du hast übrigens toll formuliert, warum du dich nicht in Ausbildung befindest und das kannst du auch so im Vorstellungsgespräch anbringen:
"Meine Ängste beziehen sich auch *spezifisch* auf Schule und Prüfungen und hindern mich keineswegs am praktischen Arbeiten, was ich bereits im Rahmen von unverbindlichen Praktika herausgefunden habe. Ich bin im Gegenteil wirklich sehr motiviert, einer schnelllebigen Tätigkeit nachzugehen, bei der es durchgehend etwas zu tun gibt und ich mich stets aktiv einbringen kann."
Wenn bisher kein Zeugnis gefordert wurde, würde ich das auch nicht beim Vorstellungsgespräch vorlegen.
Ich kenne auch zwei Menschen, die eine autistische Prägung haben, einer davon hat ebenfalls eine Sozialphobie entwickelt.
Aus dieser Erfahrung heraus möchte ich dir einen Rat geben:
In deinem Fall wäre es erst einmal wichtig, nicht alleine zu leben, denn alltägliche Dinge wie einkaufen, kochen, Wäsche waschen oder auch Behördengänge erledigen, strapazieren und überfordern junge Menschen schnell! Dazu kommt jetzt noch deine ganz persönliche psychischen Belastungssituation.
Dazu habe ich eine Freundin, die seit Jahren bei Mc Donalds arbeitet, weshalb ich sagen kann: Die Arbeitsbedingungen dort sind auf Dauer bereits für Menschen ohne Einschränkungen sehr anstrengend und nicht auch nicht gut bezahlt.
Noch einmal zu deiner speziellen Sozialphobie:
Es gibt die Möglichkeit, in einer betreuten Wohngruppe mit gleichaltrigen Menschen zu leben, welche ähnliche Anpassungsstörungen haben und sich in einer Therapie befinden.
Solche Wohngruppen werden auch finanziell gefördert und über deinen Arzt oder deinen Psychologen vermittelt. Sie müssen dann von der Stadt genehmigt und bezuschusst werden.
Meine Meinung: Mit deinen Schul- und Prüfungsängsten solltest du wirklich therapiert werden, denn es muss dir doch langfristig geholfen werden, oder etwa nicht?🤔
Wie z.B. willst du den Führerschein machen?
Du bist dazu noch nicht einmal 18 und willst dich schon ins Berufsleben stürzen?
Das ist sehr stressig! Frag doch auch einmal bei der Berufsberatung nach, welche Alternativen es für dich als sozial eingeschränkte Person gibt.
Ein Psychologe/Psychologin kann ein Gutachten über dich schreiben, und er/sie kann dir bestimmt auch Augen dafür öffnen, wie wichtig du als Mensch bist, auch wenn du nicht vollkommen bist! (Niemand ist das sowieso...😉)
Das ist in meinen Augen erst einmal das wichtigste: Dass du dich durch und durch gut und angenommen fühlst und deine Begabungen in Ruhe weiter entwickeln kannst. Immerhin warst du doch sehr gut in der Schule!
Das ist alles viel wichtiger, als vollzeit arbeiten zu gehen und "normal" zu sein oder zu wirken.
Alles Gute für Dich, und lass dir erstens helfen und zweitens lass dich bitte nicht unterkriegen!
Weder privat, noch beruflich!
Hallo,
herzlichen Dank für die ausführliche Antwort! Ich weiß deine Mühe wirklich sehr zu schätzen und nehme mir deine Ratschläge zu Herzen.
Ich wünsche dir noch einen schönen und erholsamen Abend!
Liebe Grüße