Woher die deutsche Aussprache von "i" als "ü" und "e" als "ö"?

7 Antworten

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  • Auslautendes "e" (Geschichte, Ende, Wolle),
  • konjugiertes/dekliniertes "e" in unbetonter, letzter Silbe (wollten, hattest, einem, in den Wolken, schönes), nicht vor "r"
  • in unbetonter Silbe vor "n, l" (Gegend, lebend, Osten, wickeln, Gockel),
  • das "e" in einigen Präfixen (Gesicht, Betrieb, gebrauchen, Report)
  • und in bestimmter lautlicher Umgebung (höheres, Wilderer, Plauderei, Nackedei

werden im deutschländischen Standarddeutsch ] ausgesprochen.

Bei deinen anderen Wortbeispielen hast du recht. Viele Deutsche, aber nicht alle und nicht immer, sprechen "wird", Gehirn, wirklich" wie "wüat, Gehüan, wüaklich" aus, und zwar quer durch die Republik, vielleicht mit Ausnahme von Bayern. Aber so extrem, wie du dieses "üüa" gehört hast, ist es meistens nicht. Norddeutsche ziehen es wohl gern etwas in die Länge, und Kinder übertreiben auch gern, besonders wenn sie Erstaunen ausdrücken wollen: "Is das waaa, wüüüaklich waaa?" (Ist das wahr, wirklich wahr?)

Nein, das ist natüüüalich nicht das beste Standarddeutsch. Aber wer spricht denn überhaupt völlig dialektfreies Deutsch? Ich denke, niemand. Wir sind Wesen aus Fleisch und Blut, sprachlich geprägt zunächst durchs Elternhaus, dann durch die Umgebung. Ich z. B. bezeichne mich als dialektfrei aufgewachsen, aber jemand, der sich intensiv damit beschäftigt hat und über ein "Klavierstimmer"-Ohr verfügt, wird auch mich aufgrund des Tonfalls, einiger Kehlkopfverschlusslaute und eines leichten Nasals wahrscheinlich ungefähr meiner Heimatregion zuordnen können.

Hochdeutsch ist ein missverständlicher Ausdruck. Hochdeutsch (= Mittel- und Süddeutsch) ≠ Standarddeutsch.

spanferkel14  18.09.2023, 12:47

🌿🌷Vielen Dank für deinen Stern. 🌺🍃

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Ende: /ɛndə/

wird: /vɪɐ̯t/, /vɪʁt/

Gehirn: /ɡəhɪɐ̯n/, /ɡəhɪʁn/

wirklich: /vɪɐ̯klɪç/, /vɪʁklɪç/

Wie du siehst, sind an den betroffenen Stellen das Schwa /ə/ und das Schwa-a /ɐ/ zu finden. Das sind zentrale Vokale, die sehr anfällig für s.g. Koartikulation sind. Darunter versteht man den Einfluss der Laute vorher und nachher, der zu Veränderungen in der Stellung der Artikulatoren, z.B. der Zunge, führt. Da wird ein /ə/ schonmal mit etwas höherer Zunge artikuliert und klingt dann einem /ø/ ähnlicher, oder ein /ɪɐ̯/ oder /ɪʁ/ wird zu einem einzelnen /ə/.

Hörst du aber statt eines /ɡəhɪʁn/s ein /ɡəhy:ʁn/, dann handelt es sich auch um Koartikulation, bei dem das /ʁ/ den vorangehenden Vokal nach hinten zieht, d.h. die Zunge ist weiter hinten als bei einem /ɪ/, da dies für das /ʁ/ benötigt wird, wodurch das /ɪ/ zu einem /y/ wird.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Doktor der Englischen Sprachwissenschaft

Die lateinische Schrift ist eben nicht perfekt geeignet für germanische Sprachen wie Deutsch, Schwedisch oder Englisch. Deutsch hat weitaus mehr Vokale als nur a, e, i, o und u (und mehr als ä, ö, ü). Nicht alle können ganz korrekt mit dem lateinischen Alphabet wiedergegeben werden.

Zum einen das unbetonte [ə] (das ähnelt einem ö, ist aber dennoch verschieden).
Das kurze [ɪ] unterscheidet sich vom i (ähnelt dem ü, ist aber auch verschieden). Das r wird bei uns manchmal vokalisiert (eine Art a wird draus, das [ɐ̯]).

Das hast du alles gut herausgehört.

Im Grunde bräuchten wir ein paar Buchstaben mehr. :)

Im Schwedischen ist es noch "schlimmer", laut Vokaltrapez gibt es 17 Vokale im Schwedischen (wenn man die Länge mit beachtet) - aber es gibt nur 5 Buchstaben dazu im lateinischen Alphabet (und nur 8, wenn man die Umlaute dazu nimmt, das reicht aber immer noch nicht).

Die Schweden behelfen sich mit dem geschriebenen å (meist langes, geschlossenes o), dem ö, dem ä und dem y (ein uns unbekannter Vokal zwischen i und ü). Auch das kommt noch nicht ganz hin, das o wird z.B. je nach Wort verschieden gesprochen (bei "tror" anders als bei "om").

Aus einem ganz ähnlichen Grund sind die englischen Vokale in ihrer Aussprache auch ziemlich unvorhersehbar. Und konsonantenreiche Sprachen wie Kroatisch oder Tschechisch brauchen diese eigentümlichen "Haken" über dem c oder s, weil es im Lateinischen diese Phoneme nicht alle gab.

Italienisch kommt ohne Akzente, Umlaute und kroatische "Haken" o.ä. aus.
Ist halt ein direkter Nachfolger von Latein, das passt das von Hause aus.

OlliBjoern  22.08.2023, 23:40

Das hier ist noch interessant, da kann man auch nach Vokalen sortieren: das sind natürlich nicht alle Sprachen der Welt, aber es liegt dort (nicht wirklich überraschend) Dänisch vorne (26) zusammen mit der austronesischen Sprache Enggano (26).

https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_languages_by_number_of_phonemes

Spanisch hat 5 Vokale (so wie man sie auch schreibt, a, e, i, o, u), Malagasy (Madagaskar) nur 4 Vokale.

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In Norddeutschland wir das "r" kaum gesprochen. Da sagt man Matin statt Martin.

Und du hast Recht. Viele fast alle reden so. Aber wenn man die Worte, z. B. "wirklich" tatsächlich ordnungsgemäß aussprechen würde, dann hörte sich das dann so gestelzt an.

Sehr gut beobachtet. Besonders kurios ist, dass ausgerechnet die Hannoveraner, die von sich selbst gerne behaupten, das " reinste" Hochdeutsch zu sprechen, das "i" - besonders vor einem "r"- extrem stark wie ein " ü" aussprechen .

Beispiel: Mürko würd nie seinen Schürm in der Kürche vergessen. oder:" die Schlange würkt schlapp. " Wirkt" sie nun schlapp, oder " würgt "sie schlapp?