Wieso glauben Menschen, die sich als Atheisten bezeichnen, immer noch an Gott?

13 Antworten

Welcher Gott? Jede Religion hat eine eigene Auslegung eines Gottes. Jede Religion hat eine eigene Auslegung dem Willen dieses Gottes folge zu leisten. Im Grunde geht es bei einer Religion um das Aufzeigen von Grenzen.

Moral, Humanismus, Kommunismus, Liberalismus etc. pp. sind alles Neutralbegriffe, die je nach Religion unterschiedlich ausgelegt und ausgelebt werden. Den monotoistischen Gottesglauben gibt es auch noch gar nicht so lange, in der früheren Menschheitsgeschichte gab es zahlreiche Götter für zahlreiche unerklärliche Dinge in den unterschiedlichsten Aspekten des Lebens.

Wahrer Glaube baut mehr auf Furcht als auf Ehrfurcht auf. Ein wahrer Gläubiger hätte zu viel Angst von "Gottes Wegen" abzukommen und verdammt zu werden, oder halt in manchen Nationen der Welt gehängt, gesteinigt oder geköpft zu werden.

Akaitori 
Fragesteller
 01.11.2022, 04:03
Welcher Gott? Jede Religion hat eine eigene Auslegung eines Gottes. Jede Religion hat eine eigene Auslegung dem Willen dieses Gottes folge zu leisten. Im Grunde geht es bei einer Religion um das Aufzeigen von Grenzen.

Darum ging es nicht. "Gott" wählte ich als Beispiel für das Glaubensobjekt, was sich bei den meisten Atheisten die ich jedenfalls kenne, lediglich ändert.

Ich kopiere hier einen anderen Kommentar meinerseits:

"Der Humanismus idealisiert den Menschen an sich, bzw. den "richtigen" Menschen, und schafft daraus gleichzeitig den Unmenschen.

Dem Individuum entsteht somit die Pflicht, zum Mensch zu werden, daher wird ihm das Menschsein von vornherein abgesprochen, nur um danach zu fordern, dass es sich doch nach gewissen Werten richte, denn nur so könne es ein richtiger Mensch sein.

Das unterscheidet den Humanismus insofern nicht vom z.B. Christentum, als das definiert wird, welche Rechte und Pflichten "ein Mensch" (was für eine Generalisierung der Individuen!) habe, dass ein Wertemuster gebildet wird, welches als zu erreichendes Ziel/Ideal über dem Individuum steht.

Was "Sinn" macht und was nicht, was "gut" ist und was "nicht", darum ging es gerade nicht.

Es ging darum, dass das Wesen der Religion ebenso in den oben aufgezählten, und in noch weiteren gesellschaftlichen Konstrukten vorhanden ist. Oft sehen sich die Atheisten die ich kenne als "von der Religion gereinigt" an, nur um dann an andere Dinge zu glauben, die in ihrem Wesen der Religion gleich sind."

Es war sowieso eher eine provokante Frage, die als philosophische Anregung frühmorgens gedacht war, um über die Parallelen zwischen Religion bzw. Glaube und eben Humanismus, Liberalismus, Kommunismus und anderem nachzudenken.

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Viele glauben, dass die Werte, die sie aus der christlichen Religion gefiltert haben, einen Wert an sich hätten. Auch ohne Gott.

Was natürlich eine Illusion ist. Werte können in kürzester Zeit verfallen.

Sie glauben, der Mensch an sich sei in der Lage, aus sich selbst heraus gut zu sein, und Gutes zu schaffen. Was meiner Ansicht nach auch eine Illusion ist.

Was dann in einem Spannungsfeld aus Selbstüberschätzung bei gleichzeitiger faktischer Erniedrigung/ Wertlosigkeit des Individuums endet. Dem Gefühl, nicht mehr aus sich selbst heraus Wert zu haben, sondern Wert wird zu einer Funktion von Erfolg, Durchsetzungsfähigkeit, im besten Falle eine Funktion der vorgelebten Moral.

Der Ansatz im orthodoxen Christentum ist anders. Da kommt der Wert allein aus der Beziehung. Nie aus dem Besitz. Moral ist selbstverständlich gewünscht. Aber Gott als Richter und Publikum reicht völlig. Vor den Menschen soll die linke Hand nicht wissen, was die rechte tut. Dieser Ansatz kann enorm Druck aus dem Kessel nehmen. Befreien.

Vorsicht, Triggerwarnung für Atheisten: Meiner Meinung nach ist der Atheismus eine Hybris. Ich habe mehrere Jahrzehnte als Agnostiker/Atheist gelebt, in einem eher religionsfeindlichen Umfeld, und das war die Sünde, die ich wirklich am grundsätzlichsten bereut habe. Weil aus dieser Art zu denken bei mir dann eine Denkweise resultierte, die einige Schlechtigkeiten zur Folge hatte. Für die ich mich zum Teil bis heute schuldig fühle, und mit deren Auswirkungen ich bis heute zu tun habe.

Viele Menschen machen den Fehler, nur die Regeln und die Verbote in der christlichen Religion zu sehen. Wobei die ja effektiv eher Empfehlungen sind. Es heißt ja: Du sollst nicht. Es fährt auch kein Blitz vom Himmel, wenn man sich nicht daran hält. Im Gegenteil, manche erwerben sich reichlich Einfluss und Achtung, weil sie sich nicht halten.

Was völlig vernachlässigt wird, ist, dass diese Gebote grundsätzlich so formuliert sind, dass jeder Mensch die Möglichkeit bekommt, sich in seiner Person zu entwickeln. Nicht nur ein paar von Natur und Schicksal auserwählte. Es wird klar formuliert, dass jeder Mensch, egal wie erfolgreich, leistungsfähig oder gut, von Gott gewollt ist. Wenn er es nur zu glauben bereit ist.

Eine sichere Basis, auf der sich dann aufbauen lässt. Ohne Selbstüberschätzung und den Druck, die Welt retten zu müssen.

Meiner Ansicht nach geht es weniger um Verbote, als darum, einen Rahmen zu schaffen, in dem es möglich ist, uns auch mental von der Leine zu lassen. Ohne dass der eine gezwungen ist, den anderen zu übertrumpfen. Frieden und Freiheit, die Wertschätzung von Wahrheit und Nächstenliebe entstehen aus der Beziehung zu Gott. In der Beziehung zu Gott wird Werteverfall zwar durchaus noch vom einzelnen oder Organisationen praktiziert, aber das Wissen darum, dass man da etwas falsch macht, kann nicht mehr verloren gehen. Das führt zu einem absoluten, unbestechlichen Korrektiv. Die Presse, die ja im atheistischen Weltgebäude das Korrektiv sein soll, hat ja in Diktaturen bekanntermaßen keinerlei Chance ihre Korrekturfunktion zu erfüllen. Sperr Gott mal in den Knast. Auch die Willens- und Meinungsäußerung der Mehrheit ist mehr oder weniger wirksam. Gott ist.

Ohne Gott funktioniert Moral meiner Meinung nach nicht. Wir sind Beziehungswesen. Wir brauchen Beziehung, um uns zu entwickeln, und zu leben. In vielen Lebensläufen ist phasenweise Gott der/das Einzige der/die bleibt, der dir zur Seite steht, und mit dem du sprechen kannst. Der einzige, der dich davon abbringt, zu verzweifeln, dich zu rächen, oder dich über jeden anderen zu erheben. Das einzige, was auch sehr selbstbezogene Menschen unsicher werden lässt. Ob sie es nicht doch übertreiben.

Jetzt wird es für Atheisten endgültig schräg, weil sie die verwendeten Metaphern nicht kennen:

Ich bin froh, dass die meisten Atheisten wenigstens einiges versuchen, um Gutes in die Welt zu bringen. Aber letztendlich werden viele immer wieder frustriert sein. Diese Schöpfung ist der Tempel Gottes. Gemacht von ihm. Und wir alle sind seine Geschöpfe, unausweichlich. Ob wir wollen oder nicht. Wer Gott nicht ehrt, und nicht über seine Weisungen sinnt, der ist dazu gezwungen mehr zu zerstören, als gut zu machen. Ob er es merkt und will oder nicht. Viele merken es. Und wollen gut sein. Aber sie wollen auch den Menschen an sich als das Maß aller Dinge. Weil sie dann meinen, mehr bewirken zu können. Illusion.

Wieso glauben Menschen, die sich als Atheisten bezeichnen, immer noch an Gott?

Tun sie nicht, denn sonst wären sie ja keine Atheisten.🤷🏻

Humanismus, Kommunismus, Philosophien usw. sind Ideen, die mit irgendwelchen Fantasiefiguren gleichzusetzen schlichtweg unzulässig ist.

Der Unterschied liegt in der Personifizierung.

Hinter Moralismus gibt es keine Person, die ihn in die Welt gezaubert hat. An Moralismus zu glauben ist genauso wenig ein Gottglaube, wie daran zu glauben, dass fünf Pfund Rindfleisch ne gute Suppe ergeben.

Akaitori 
Fragesteller
 01.11.2022, 03:32

Aber was tut der Humanismus denn anderes, als den (wohlgemerkt, "richtigen") Menschen zum neuen Gott zu erheben? Ist das nicht ebenso eine Art der Religion, ein Theismus?

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Hacker48  01.11.2022, 03:35
@Akaitori

Wenn ich auf Blondinen stehe, dann erhebe ich Blondinen über andere Menschen. Macht sie das zu meinen neuen Göttern und Blondinismus zu einem Theismus? Ich denke nicht...

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Akaitori 
Fragesteller
 01.11.2022, 03:43
@Hacker48

Blondinen sind nicht dein Ideal, eines, nach dem du deine gesamten Werte richtest.

Der Vergleich ist unangebracht.

Auf Blondinen zu stehen ist ein kink, eine sexuelle Präferenz, und kein über dir stehendes Konstrukt, dass dir, wie oben schon gesagt, deine ganzen Werte auf der Basis davon, dass es "richtig" und "wahr" sei, ausbildet, während es sich lediglich durch sich selbst belegen kann.

Eine Blondine ist eine sexuelle Präferenz, die Art Theismus die ich meine eventuell die Monogamie, welche dir vorschreibt, welche Beziehungen du wie eingehen darfst, weil das (laut ihr) "richtig" ist.

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Hacker48  01.11.2022, 03:47
@Akaitori

Ah, aber das trifft auf den Humanismus zu, ja?

Sehe ich nicht. Weder haben Humanisten einen einzelnen Menschen, nach dem sie sich richten, noch richten sie ihr ganzes Leben danach aus - vielleicht einer von Hundert, aber das ist nicht relevant. Einen Idioten gibt es immer. Die Regel ist das nicht. Bei den monotheistischen Religionen wiederrum, ist es die Regel.

Im Übrigen: Vieles aus dem Humanismus ergibt schlicht und ergreifend Sinn. Vieles aus den Religionen auch - du sollst nicht töten, zum Beispiel -, aber vieles auch nicht. Schlaue Menschen bedienen sich da der Differenzierung.

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Akaitori 
Fragesteller
 01.11.2022, 03:55
@Hacker48
  • Ah, aber das trifft auf den Humanismus zu, ja?

Exakt. Der Humanismus idealisiert den Menschen an sich, bzw. den "richtigen" Menschen, und schafft daraus gleichzeitig den Unmenschen.

Dem Individuum entsteht somit die Pflicht, zum Mensch zu werden, daher wird ihm das Menschsein von vornherein abgesprochen, nur um danach zu fordern, dass es sich doch nach gewissen Werten richte, denn nur so könne es ein richtiger Mensch sein.

Das unterscheidet den Humanismus insofern nicht vom z.B. Christentum, als das definiert wird, welche Rechte und Pflichten "ein Mensch" (was für eine Generalisierung der Individuen!) habe, dass ein Wertemuster gebildet wird, welches als zu erreichendes Ziel/Ideal über dem Individuum steht.

Was "Sinn" macht und was nicht, was "gut" ist und was "nicht", darum ging es gerade nicht.

Es ging darum, dass das Wesen der Religion ebenso in den oben aufgezählten, und in noch weiteren gesellschaftlichen Konstrukten vorhanden ist. Oft sehen sich die Atheisten die ich kenne als "von der Religion gereinigt" an, nur um dann an andere Dinge zu glauben, die in ihrem Wesen der Religion gleich sind.

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Hacker48  01.11.2022, 04:32
@Akaitori

Das macht keinen Sinn.

Aber wie dem auch sei: Selbst wenn es Ähnlichkeiten gibt, so dienen gesellschaftliche Konstrukte dem gesellschaftlichen Zusammenleben.

Dafür wurden sie entworfen und dafür werden sie eingesetzt.

Religiöse Konstrukte hingegen, dienen hauptsächlich der Kirche bzw. den jeweiligen religiösen Führern und Würdenträgern.

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Suboptimierer  01.11.2022, 13:41
@Akaitori

Ein Gott ist nicht ein Synonym für Ideal.

Götter geben Ideale, aber Ideale sind keine Götter.

Auch sind Götter keine Lebensprinzipien.

Ein Theist, der sich dem Humanismus verschreibt, würde in deinen Augen mehrere Götter verehren.

Der Gott des Humanismus. Ein Boxkampf gegen Allah wäre interessant. Wie sollte man sich den Humanismusgott vorstellen? Ist das so ein Volltätowierter mit Engelsflügeln und Zahnspange?

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Akaitori 
Fragesteller
 01.11.2022, 13:47
@Hacker48
Das macht keinen Sinn.

Kannst du mir aufzeigen warum?

Aber wie dem auch sei: Selbst wenn es Ähnlichkeiten gibt, so dienen gesellschaftliche Konstrukte dem gesellschaftlichen Zusammenleben.

Dass sie das gesellschaftliche Zusammenleben formen habe ich nie geleugnet.

Dafür wurden sie entworfen und dafür werden sie eingesetzt.

Und sind in ihrer Natur der Religion gleich.

Sie werden idealisiert und über das eigene Ich gestellt, auch wenn sie keinerlei Legitimation haben, außer diejenige durch sich selbst.
Wie bei Gott im z.B. Christentum.

Religiöse Konstrukte hingegen, dienen hauptsächlich der Kirche bzw. den jeweiligen religiösen Führern und Würdenträgern.

Ja, und warum? Weil eben eine Hierarchie in der Gesellschaft existiert, die sie (Kirche und Würdenträger) zu ihren Gunsten reproduzieren, bzw. nicht sie, sondern das System, eben durch den Glauben an sie.

Und hier unterscheidet sich der Humanismus nicht von der Religion, der Liberalismus nicht von der Religion, der Kommunismus nicht von der Religion.

Ohne jede Legitimation, außer durch sich selbst, werden diese Konstrukte, mitsamt ihren Werte- und Moralvorstellungen, zu universell geltenden Idealen erhoben, die jeweils denjenigen dienen, die in der Gesellschaft davon profitieren.
Wieder werden sie durch den Glauben in der Gesellschaft reproduziert, und werden etwas "natürliches" und "unantastbares".

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Akaitori 
Fragesteller
 01.11.2022, 13:57
@Suboptimierer
Ein Gott ist nicht ein Synonym für Ideal.

Das habe ich nicht gesagt. Eventuell erheben die Menschen ihre Ideale auf eine gottesgleiche Position.

Die Personifizierung fehlt, das ist richtig, aber in ihrem Wesen sind Humanismus, Liberalismus, Kommunismus und andere der Religion sich insofern gleich, als dass sie einen Universalismus kreieren, Ideale "anbeten" und der Glaube unantastbar ist.

Götter geben Ideale, aber Ideale sind keine Götter.

Jetzt wo ich genauer drüber nachdenke...

Götter, bzw. die Götterwelt, sind ein Beispiel für die Menschenwelt, sie verkörpern das, was die Gläubigen als Grundsatz ihrer Ideale sehen, oder wie sie sich selbst gerne sehen wollen. Sie verkörpern die Ideale der Menschen.

Insofern stelle ich mal die gewagte These, auch wenn ich mir nicht sicher bin, auf, dass Götter Ideale sind.

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Hacker48  01.11.2022, 14:24
@Akaitori
einen Universalismus kreieren,

Inwiefern tut der Humanismus das?

Ideale "anbeten"

Und das?

und der Glaube unantastbar ist.

Geschweige denn das?

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Hacker48  01.11.2022, 14:26
@Akaitori
hier unterscheidet sich der Humanismus nicht von der Religion, der Liberalismus nicht von der Religion, der Kommunismus nicht von der Religion.

Bitte erkläre mir, inwiefern der Humanismus eine Hierarchie zu seinen Gunsten produziert. Dürfte schon daran scheitern, dass es den personfizierten Humanismus nicht gibt. Und niemand Aristoteles über die Menschheit stellt, geschweige denn anbetet.

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Suboptimierer  01.11.2022, 16:29
@Akaitori

Jetzt drehst du die Wörter solange, bis du dir sicher bist, im Recht zu sein.

Selbst wenn Götter Ideale wären, wären nicht alle Ideale Götter.

Es gibt auch keinen, der seinen Teppich ausbreitet und gegen die Wallstreet betet. Dieser Gedanke ist so etwas von theistisch. Solche Theisten suchen ein Feindbild. Und das Feindbild ist ein Mensch, der falsche Götter anbetet. Aber selbst wenn manche ihr Geld vergöttern - ich kenne keine einzige Person, die das tut. Also selbst wenn du mit all deinen Theorien recht haben solltest, würde es eine sehr geringe Minderheit betreffen.

Hat dir dein Gott nicht gelehrt, Liebe zu säen und nicht Hass?

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Akaitori 
Fragesteller
 01.11.2022, 18:27
@Suboptimierer

Nein, wo du auch hinschaust, Götter sind die personifizierten Ideale. Oder, anders herum, Ideale sind unpersonifizierte Götter (?).

Das tut der Religion keinen Abbruch, wobei, wenn man genauer nachdenkt, heiligt der Humanismus den Menschen, genauer gesagt den "guten Menschen".

Es gibt auch keinen, der seinen Teppich ausbreitet und gegen die Wallstreet betet.

Was willst du mir denn damit sagen?

Wenn du damit auf den Liberalismus ansprichst, der das Privateigentum heiligt, war das ein schlechter Vergleich.

Also selbst wenn du mit all deinen Theorien recht haben solltest, würde es eine sehr geringe Minderheit betreffen.

Ich sage doch nicht dass ich Recht habe, vielleicht werde ich ja widerlegt, dass diese Parallelen nicht existieren.
Aber eine Minderheit betrifft das nicht, sondern eigentlich so ziemlich alle Menschen, mich inklusive.

Hat dir dein Gott nicht gelehrt, Liebe zu säen und nicht Hass?

Keine Ahnung, was für einen Hass sähe ich denn? ich habe doch niemanden bewertet?

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Akaitori 
Fragesteller
 01.11.2022, 18:32
@Hacker48
Inwiefern tut der Humanismus das?

Ein guter Mensch ist so-und-so.
Der ideale Mensch ist so-und-so.
Und das gilt für alle Menschen.
Meine Ideale, Ideen, Rechte und Pflichten gelten für alle Menschen.

Und das?

Das tut der Humanist. Er heiligt den, der die humanistischen Ideale befolgt, als "guten Menschen", und schimpft dem, der nicht dem Ideal folgt, einen "Unmenschen".

Geschweige denn das?

Entspringt aus dem Universalismus.

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Akaitori 
Fragesteller
 01.11.2022, 18:39
@Hacker48
Bitte erkläre mir, inwiefern der Humanismus eine Hierarchie zu seinen Gunsten produziert. Dürfte schon daran scheitern, dass es den personfizierten Humanismus nicht gibt. Und niemand Aristoteles über die Menschheit stellt, geschweige denn anbetet.

Erst mal stellt sich der Humanismus als Ideal über das Ich, bzw. er wird als Ideal für den Einzelnen über das Ich gestellt.

Zweitens schafft er eine Situation, in der die seine Ideale erfüllenden Menschen quasi angebetet werden. Etwa große Wohltuer oder Denker, aber eben die, die seine Ideale verwirklichen. Diese erhalten dann in der vom Humanismus geprägten Welt mehr Anerkennung als Menschen, als die, die es nicht tun.
Es kann natürlich sein, dass diese dann auch in privilegierte Positionen kommen uswusf.

Drittens dient der Humanismus, wie jedes andere solche Konstrukt ebenso, seiner gesellschaftlichen Reproduktion durch die Gläubiger.
Ebenso ist es mit dem Christentum.
Ebenso ist es mit dem Islam.
Ebenso ist es mit dem Buddhismus.
Ebenso ist es mit dem Liberalismus.
Ebenso ist es mit dem Kommunismus.
Sie alle "nutzen" ihre Gläubiger also als "Werkzeug" zu ihrer Reproduktion.
Umgekehrt ist dies nicht der Fall.

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Hacker48  01.11.2022, 18:46
@Akaitori

Von "wer nicht mordet, ist ein guter Mensch und jeder Mensch sollte nicht morden" zu "wer homosexuellen Geschlechtsverkehr hat, ist ein Sünder und brennt ewig im Fegefeuer" ist es halt schon ein klitzekleiner Sprung.

Das Erste basiert auf Logik, das Zweite auf... ja, auf was eigentlich? Und: Du wirst keinen Strenggläubigen überzeugen können, dass das Praktizieren homosexuellen Verkehrs keine Sünde ist. Während du mit einem Humanisten durchaus diskutieren kannst. Und zwar mit Logik als Diskussionsbasis. Was ist noch mal die Diskussionsbasis der Theisten? Ach ja, ein von Menschen geschriebenes Buch, das von Gott kommen soll, wofür es jedoch keinerlei Beweise gibt. 😉

Im Übrigen wurden unzählige Menschen ermordet, weil sie keine (guten) Theisten waren. Ich weiß von keinem, der ermordet wurde, weil er kein guter Humanist war. lol

Klar, wenn man alles verwässert, ist alles gleich. Also ja, im möglichst weitesten Sinne ist Humanismus mit dem Christentum vergleichbar. Sobald man sich das Ganze aber etwas genauer ansieht, stellt sich heraus: Der Vergleich sitzt im Rollsthul.

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Hacker48  01.11.2022, 18:49
@Akaitori
Erst mal stellt sich der Humanismus als Ideal über das Ich, bzw. er wird als Ideal für den Einzelnen über das Ich gestellt.

Beim Humanismus geht es um das Kollektiv - das aus mehreren Ichs besteht. Bei Theismus geht es um die Kirche als Insititution. Ist schon etwas anderes. 😉

Zweitens schafft er eine Situation, in der die seine Ideale erfüllenden Menschen quasi angebetet werden.

Bullshit.

Drittens dient der Humanismus, wie jedes andere solche Konstrukt ebenso, seiner gesellschaftlichen Reproduktion durch die Gläubiger.

Ich stimme Suboptimierer zu, das wird mir langsam zu verdreht...

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Akaitori 
Fragesteller
 01.11.2022, 18:59
@Hacker48
Von "wer nicht mordet, ist ein guter Mensch und jeder Mensch sollte nicht morden" zu "wer homosexuellen Geschlechtsverkehr hat, ist ein Sünder und brennt ewig im Fegefeuer" ist es halt schon ein klitzekleiner Sprung.
Das Erste basiert auf Logik, das Zweite auf... ja, auf was eigentlich?

Auf der Logik, die an dem Punkt beginnt, dass es schlecht ist, einen Menschen zu ermorden. Aber wer sagt denn, dass es schlecht sei einen Menschen zu ermorden, bzw. von wem kommt die Behauptung?
beim Theisten kommt sie von Gott wie du ja schon gesagt hast, beim Humanisten vom Humanismus.

Zu sagen, "Ich will nicht ermordet werden, deswegen lasst uns nicht in unserem Zusammenleben einander ermorden!" ist prinzipiell keine humanistische, sondern eine egoistische Position.

Die Diskussionsbasis der Theisten ist Gott, die der Humanisten der Humanismus bzw. seine Ideale, die egoistische ist die des Ichs, die der Liberalen der Liberalismus, die der Kommunisten der Kommunismus uswusf.

Im Übrigen wurden unzählige Menschen ermordet, weil sie keine (guten) Theisten waren. Ich weiß von keinem, der ermordet wurde, weil er kein guter Humanist war. lol

Kannst du ja nicht vergleichen, weil es andere Werte sind.
Aber Humanisten sehen wohl z.B. rituellen Kannibalismus praktizierende Menschen als Unmenschen an, was nichts anderes als die Blickweise der Christen auf die nicht-Christen ist; eine feindliche, oder eine mitleidige.

Klar, wenn man alles verwässert, ist alles gleich. Also ja, im möglichst weitesten Sinne ist Humanismus mit dem Christentum vergleichbar. Sobald man sich das Ganze aber etwas genauer ansieht, stellt sich heraus: Der Vergleich sitzt im Rollsthul.

Ich würde jetzt nicht "verwässern" sagen. Eher an "die Fundamente rangehen".
Klar, schaut man sich ideale, Moralvorstellungen usw. an, sind sie natürlich nicht gleich, aber das habe ich erstens nicht behauptet und darum geht es auch gar nicht.

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Akaitori 
Fragesteller
 01.11.2022, 19:08
@Hacker48
Beim Humanismus geht es um das Kollektiv - das aus mehreren Ichs besteht. Bei Theismus geht es um die Kirche als Insititution. Ist schon etwas anderes. 😉

Der Mensch, bzw. der ideale Mensch bzw. dessen Idee, wird geheiligt.
Beim Theismus geht es nicht um die Institution des Glaubens, etwa in einer Kirche, sondern um den Glauben an Götter per se. Das mit den Institutionen ist nochmal ein anderes Level.

Bullshit.

"Angebetet" war natürlich eine rhetorische Übertreibung. Sie werden über diejenigen gestellt, die nicht diesen Idealen folgen oder sie infrage stellen, deswegen auch die "Unantastbarkeit".

Ich stimme Suboptimierer zu, das wird mir langsam zu verdreht...

So funktioniert Gesellschaft.

Werte und Normen der Gesellschaft werden durch die sich in ihr befindenden Individuen reproduziert, wodurch die Gesellschaft weiter besteht. Durch Zufälle und Ereignisse und äußeren Einfluss können neue Werte und Normen aufgenommen und reproduziert werden.

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Fantho  01.11.2022, 03:32
Hinter Moralismus gibt es keine Person, die ihn in die Welt gezaubert hat.

Doch. Zum Beispiel Aristoteles mit seiner Ethik...um nur einen Philosophen aufzuzählen...

wie daran zu glauben, dass fünf Pfund Rindfleisch ne gute Suppe ergeben.

Warum nicht?

Gruß Fantho

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Hacker48  01.11.2022, 03:36
@Fantho

Kennst du einen Humanisten, der Aristoteles anbetet? Ich nicht.

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Fantho  01.11.2022, 03:52
@Hacker48

Das war nicht das Thema!

Die Aussage, auf die ich mich bezog, war:

Hinter Moralismus gibt es keine Person, die ihn in die Welt gezaubert hat.

Du dagegen machst ein neues Fass auf...

Gruß Fantho

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Suboptimierer  01.11.2022, 16:24
@Fantho

Aristoteles war vielleicht der erste, der den existierenden Moralismus als solchen identifiziert hat, aber er hat ihn ganz sicher nicht erfunden.

Wie mit der Liebe. Der größte Poet, der die Liebe bedichtet, hat die Liebe nicht erfunden.

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Fantho  02.11.2022, 19:19
@Suboptimierer
Aristoteles war vielleicht der erste, der den existierenden Moralismus als solchen identifiziert hat, aber er hat ihn ganz sicher nicht erfunden.

Und? Es geht doch darum, dass Moralismus nicht von allein 'in die Welt gezaubert' wurde, sondern da standen denkende Wesen dahinter...

Gruß Fantho

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Suboptimierer  02.11.2022, 19:22
@Fantho

Ja, wenn du so willst, sind die Menschen Schöpfer des Moralismus und wenn man es ganz auf die Spitze treiben will, ist somit der Mensch ein sich mit jeder Generation stets wandelnder, kollektiver Geistesstrom und bezogen auf diese schöpferische Kraft ein Gott.

Solche Denkrichtungen gibt es, aber es ist denke ich nicht populär den Mensch und damit jeder Mensch sich selbst als Gott zu bezeichnen.

Die Vorstellung, dass Gott etwas Übermenschliches sein sollte, ist denke ich gängiger.

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Fantho  02.11.2022, 19:32
@Suboptimierer
Wie mit der Liebe. Der größte Poet, der die Liebe bedichtet, hat die Liebe nicht erfunden.

Du vergleichst hier Äpfel und Birnen! Liebe ist ein Gefühl und somit keine Erfindung. Dieses weist ein jeder in sich auf.

Moralismus dagegen ist kein Gefühl, sondern eine 'Erfindung' denkender Wesen über Moral und moralisches Verhalten interhumaner Beziehungen...

Gruß Fantho

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Fantho  02.11.2022, 19:46
@Suboptimierer
...nicht populär den Mensch und damit jeder Mensch sich selbst als Gott zu bezeichnen.

Davon spreche ich nicht...

Die Vorstellung, dass Gott etwas Übermenschliches sein sollte, ist denke ich gängiger.

Übermenschlich weniger, sondern nichtmenschlichen Charakters (nicht im Sinne von unmenschlichem Charakter).

Der Mensch als 'Ebenbild Gottes' im Sinne von 'als fertiges Bild aus der Vorstellung Gottes über den Mensch aus sich selbst heraus' hat all die Fähigkeiten Gottes mitbekommen (durch die Inkarnation der Seele in diesem Lernkörper namens 'Mensch'). Natürlich nur bis zu einem gewissen Grad, fußend den Naturgesetzen, welche uns umgeben und uns begrenzen...

Nichtmenschlich deshalb, da Gott all die menschlichen Eitelkeiten, Bedürfnisse, Begierden, Wünsche etc. pp. nicht (mehr) aufweist...

Übermenschlich würde bedeuten, dass Gott außerhalb des Menschen steht, da über dem Mensch stehend...doch dem scheint nicht so zu sein, daGottes Essenz ist in uns zu sein scheint und wir somit mit dieser verbunden sein müssen...

Gruß Fantho

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Ich kenne keinen einzigen Atheisten, der an (einen) Gott glaubt. ich kenne aber einen, der die christlichen Wertevorstellungen an sich gut findet und tatsächlich versucht, sich an ihnen zu orientieren.

Ich finde das auch okay. denn immerhin können auch die gläubigsten Christen nicht immer alle Vorgaben erfüllen. dafür sind wir Menschen.

lg, Anna

Akaitori 
Fragesteller
 01.11.2022, 13:32

Meine Frage war eher als Metapher gemeint.

Ich wollte Grundsätzlich auf die vielen Gemeinsamkeiten zwischen Religion und eben z.B. dem Humanismus hinweisen, und warum das eine eventuell nur der Ersatz des anderen ist. Dazu kopiere ich jetzt einfach mal eine andere Antwort von mir, da ich das jetzt nicht nochmal neu abtippen will, verzeih mir ^^:

"Der Humanismus idealisiert den Menschen an sich, bzw. den "richtigen" Menschen, und schafft daraus gleichzeitig den Unmenschen.

Dem Individuum entsteht somit die Pflicht, zum Mensch zu werden, daher wird ihm das Menschsein von vornherein abgesprochen, nur um danach zu fordern, dass es sich doch nach gewissen Werten richte, denn nur so könne es ein richtiger Mensch sein.

Das unterscheidet den Humanismus insofern nicht vom z.B. Christentum, als das definiert wird, welche Rechte und Pflichten "ein Mensch" (was für eine Generalisierung der Individuen!) habe, dass ein Wertemuster gebildet wird, welches als zu erreichendes Ziel/Ideal über dem Individuum steht.

Was "Sinn" macht und was nicht, was "gut" ist und was "nicht", darum ging es gerade nicht.

Es ging darum, dass das Wesen der Religion ebenso in den oben aufgezählten, und in noch weiteren gesellschaftlichen Konstrukten vorhanden ist. Oft sehen sich die Atheisten die ich kenne als "von der Religion gereinigt" an, nur um dann an andere Dinge zu glauben, die in ihrem Wesen der Religion gleich sind."

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