Wie war die DDR?

5 Antworten

Zur Grundversorgung: Grundnahrungsmittel waren ausreichend verfügbar, aber oftmals in mieser Qualität. Bei Kaffee und Tee hat es schon gehapert. Frisches Obst und Gemüse gab es nicht immer, Südfrüchte gab es nur sporadisch und nicht überall. Spirituosen gab es immer und überall. Wir waren in Sachen Obst und Gemüse Selbstversorger, außerdem hielten wir Geflügel (Eier/Fleisch), Kaninchen und Schafe. Das machte zwar viel Arbeit, aber wir konnten uns gesund ernähren. Immerhin gab es in den meisten Dörfern ein kleines Lebensmittelgeschäft, wo man das Nötigste bekam.

Energieversorgung: Im Katastrophenwinter 1978/79 saßen wir ein paar Tage in der kalten und dunklen Wohnung, ansonsten war die Versorgung gewährleistet, allerdings auf Basis von stark schwefelhaltiger Braunkohle und ohne Abgasfilter. Daß Kraftstoffe knapp wurden, habe ich nicht mitbekommen.

Wohnraum: Wohnraum war knapp. Als Single oder unverheiratetes Paar war es fast unmöglich, eine Wohnung zu bekommen. Deswegen wurde relativ früh eine Familie gegründet, um eine Wohnung zu bekommen. In den späten 70ern und 80ern wurden die Plattenbausiedlungen hochgezogen und teilweise auch die Innenstädte damit verschandelt. Was der Krieg an Altbauten übrig gelassen hatte, wurde größtenteils dem Verfall überlassen, trotzdem mußten Menschen dort wohnen, weil es keine andere Möglichkeit gab. Da gab es schon haarsträubende Wohnverhältnisse. Wer es sich leisten konnte, der baute sich ein Eigenheim. Baustoffe waren auch knapp und waren teilweise nur auf abenteuerliche Weise zu beschaffen.

Medizinische Versorgung: Fast jede Stadt hatte ihr Krankenhaus, es gab genug Haus-, Fach- und Zahnärzte. Viele Ärzte hatten ihre Praxis in der sog. Poliklinik oder im Landambulatorium. Teure medizinische Geräte wie z.B. ein Röntgengerät wurde dann von allen Ärzten gemeinsam genutzt. Medizinische Leistungen waren grundsätzlich kostenlos. ABER: Es herrschte ein Mangel an Medikamenten, die Technik war überaltert und störanfällig. Es gab kein einziges MRT. Die Dialyse spottete jeder Beschreibung.

Verkehrswesen: Die öffentlichen Verkehrsmittel taten mehr oder weniger zuverlässig ihren Dienst, und das zu 20 Pfennig für eine Einzelfahrt. Straßen- und Schienennetz waren marode, es wurde kaum investiert. Die Autobahnen von Berlin nach Hamburg und Rostock konnten nur gebaut werden, weil der Westen sie bezahlte. In den 80ern wurde die Elektrifizierung der wichtigsten Bahnstrecken vorangetrieben. Gleichzeitig wurde eine sehr gute neue Elektrolok entwickelt, die sich bald nach der Vereinigung auch im Westen etablierte und auch heute noch zuverlässig ihren Dienst versieht (Baureihe 112). Wer privat einen Neuwagen erwerben wollte, mußte sich auf zehn bis vierzehn Jahre Wartezeit einstellen. Da die Nachfrage hoch war, erzielten Gebrauchtwagen hohe Preise. Nur Motorräder (MZ) und Mopeds (Simson) heimischer Produktion waren ohne lange Wartezeit erhältlich.

Schule, Studium, Ausbildung, Kinder und Jugend: Die Kleinsten kamen schon ziemlich früh in eine Betreuungseinrichtung (Krippe), damit die Mama schnell wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren konnte. Auch an der Schule gab es für die Erst- bis Viertklässler eine Nachmittagsbetreuung (Hort). Die Schulbildung war in naturwissenschaftlichen und musischen Fächern ziemlich gut. Ab der 5. Klasse war Russisch die erste Fremdsprache. Ab der 7. Klasse konnte man sich noch für Englisch oder Französisch anmelden (soweit ein Lehrer vorhanden war). Geschichte und teilweise Literatur waren einseitig und ideologisch gefärbt. Fast alle Schulkinder waren Mitglied der Jungen Pioniere und wurden am wöchentlichen Pioniernachmittag politisch indoktriniert. Das setzte sich dann bei der "Freien Deutschen Jugend" (FDJ) fort. Im Alter von 14 Jahren ging es zur Jugendweihe, wo die Jugendlichen ein Gelöbnis auf Staat und Partei ablegen mußten. Ich verweigerte diesen Zirkus und nahm statt dessen an der Konfirmation teil. In der 9. und 10. Klasse gab es in der Schule auch schon vormilitärische Ausbildung, und das setzte sich in der Berufsausbildung fort. Es gab allgemeine Wehrpflicht, dem konnte man sich nur durch Ausmusterung entziehen. Wehrdienstverweigerung gab es nicht, man hatte jedoch die Möglichkeit, den Dienst mit der Waffe aus Glaubens- und Gewissensgründen zu verweigern. Dann kam man halt in eine Einheit der "Bausoldaten". Die Militarisierung der Gesellschaft war allgegenwärtig. Wer als Wehrpflichtiger Pech hatte, kam an die innerdeutsche Grenze und mußte auf Flüchtlinge schießen. Für manche jungen Männer war das Militär dennoch attraktiv, weil sie dort ihren LKW-Führerschein bekamen. Nur ca. 10 Prozent eines Schuljahrgangs machten Abitur. Als Wehrdienst- und Jugendweiheverweigerer hatte ich keine Chance auf ein Abitur, geschweige denn auf einen Studienplatz. Es gab aber noch die Möglichkeit, die Berufsausbildung mit dem Abitur zu verbinden.

Umwelt: Abgase gelangten ungefiltert in die Athmosphäre, (Industrie-)Abwässer ungeklärt in Flüsse und Seen. Als wenn das nicht gereicht hätte, durfte die Bundesrepublik gegen gute Bezahlung auch noch ihren Giftmüll in der DDR entsorgen. Die DDR steuerte ungebremst auf eine Umweltkatastrophe zu. Mein jüngerer Bruder litt an einer Hautkrankheit, die durch die schlechte Luft in Sachsen verursacht wurde. Der Arzt empfahl uns einen Wohnungswechsel an die Ostsee wegen der besseren Luft, und dort ging es meinem Bruder tatsächlich besser.

Freiheit: Die persönliche Freiheit eines DDR-Bürgers war arg limitiert. Es gab eben diese tödliche Grenze zur Bundesrepublik. Nur Rentner bekamen ohne weiteres ein Ausreisevisum. Wer seine Reise- und Abenteuerlust ausleben wollte, hatte sehr wenig Möglichkeiten. Es gab so einige Tricks, wie man auf halblegale Weise in den Kaukasus oder in den Pamir kam. Die meisten DDR-Bürger machten Urlaub im eigenen Land. Wer ins Ausland wollte, hatte noch die Möglichkeit, in die Tschechoslowakei, nach Ungarn, Bulgarien oder Rumänien zu fahren. Polen ging in den 80ern auch nicht mehr. Die Sowjetunion war auch schwierig, weshalb die Abenteuerlustigen zu diversen Tricks greifen mußten. Ausgewählte hatten noch die Möglichkeit, mit der MS "Arkona" (das ehemalige ZDF-"Traumschiff" nach Kuba zu fahren. Alle anderen demokratischen Freiheiten waren zwar verfassungsmäßig garantiert, aber die Praxis war eben nicht so. Fernsehen und Radio sowie die Tageszeitungen dienten der Propaganda. Für die Partei unangenehme Nachrichten wurden verschwiegen. Kritik durfte es nicht geben. Wer nicht gerade im Südosten wohnte, konnte jedoch westliche Medien empfangen und war gut informiert.

Ich könnte noch einiges mehr erzählen, aber ich hoffe, ich habe dir damit geholfen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Pro Argumente gibt es für mich nicht.

Ich habe 18 Jahre in der DDR gelebt und habe diesen Staat gehasst.

Ich habe in meiner Kindheit sehr viel vermisst. Und zum Glück hat mir der Mauerfall noch eine wunderschöne Jugend beschert.

Dazu könnte man ganze Bücher schreiben. Ich bin in der DDR groß geworden, und sie war für mich vor allem eines: Realität. Man hat sich damit abgefunden und ich kann nicht behaupten, gelitten zu haben.

Bestimmte Dinge waren einfach so: "Handtücher? Ham wa nich, aber fragen se immer mal wieder rein!" Apfelsinen waren grün und kamen aus Kuba, Bananen gab es zweimal im Jahr. Andererseits gab es alles Lebensnotwendige. Manches war knapp, Wohnungen zum Beispiel. Heute sind sie nur teuer. Das macht für viele wenig Unterschied.

Reisen war fast unmöglich, die Auswahl der Länder war sehr klein. Selbst in die damalige Sowjetunion konnte man nicht frei reisen, nur mit Reisegruppen. Aber seltsam: auch das war normal. Irgendwie.

Zur EOS (Abitur) durfte ich trotz bester Noten nicht, weil ich in der Kirche war. Damit war ich dem Staat nicht ergeben genug. Aber Berufsausbildung mit Abitur ging dann, und war im Nachhinein für mich ohnehin die bessere Wahl.

Mitglied bei den Jungen Pionieren, später Thälmann-Pionieren und FDJ wurde man automatisch, wenn man nicht ganz aktiv dagegen protestiert hätte. Dann jedoch hätte man sozusagen seine ablehnende Haltung gegenüber dem Staat demonstriert und hätte jegliche beruflichen Pläne begraben können. Da die Mitgliedschaften jedoch keine weiteren Konsequenzen hatte, lies man's eben laufen.

Irgendwie ging trotz allem sehr Vieles, und als die Wende kam, war ich nicht nur glücklich. Gebe ich zu. Heute weiß ich, dass die Wende auch kam, weil es ökonomisch nicht lange weitergegangen wäre. Die DDR war so was von Pleite. Wenn man wissen will, warum, sollte man das Buch "Spur der Steine" von Erik Neutsch lesen. Der gleichnamige Film ist auch sehr gut, aber das Buch geht noch mehr in die Tiefe. Der Film war übrigens in der DDR verboten (das Buch seltsamerweise nicht).

Verglichen mit heute musste man in der DDR viel bescheidener und eingeschränkter leben. Es gab ein miserables Warenangebot, auch bei Lebensmitteln. Oft gab es die einfachsten Sachen nicht. Auf ein Auto musste man über 10 Jahre warten, einen Telefonanschluss hatten nur ganz wenige Leute.

Die DDR war eine Diktatur. Es gab keine freien Wahlen, keine freien Medien, keine Meinungsfreiheit, keine Reisefreiheit.

Ausserdem gab es in der DDR eine kaputte Umwelt sowie marode Strassen, Häuser und Fabriken.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Habe in der DDR gelebt, weiss eine ganze Menge darüber.
Erwin71770812  18.03.2024, 18:21

"Ganze Bücher" - Ich empfehle die 3 Bände des DDR-Historikers Gerd Diedrich "Kulturgeschichte der DDR"

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