Weshalb sind Märchen eigentlich immer so grausam?

4 Antworten

Aus meiner Sicht sind Märchen grausam, weil sie zu einer Zeit entstanden, als sowas als "normal" angesehen wurde. Von Römern über Inkas zu "chinesischer Folter" - Menschen waren und sind sehr erfinderisch darin, andere zu quälen oder sich das (im Märchen) auszumalen.

Deshalb war das umgekehrt für die Kinder (und Erwachsenen, bei Arbeiten, wo es möglich war, wie "flachsen" und "spinnen", wurde durchaus mal jemand als Ersatz für die heutigen Podcasts von der Gruppe abgestellt) dann auch nicht besonders traumatisch: Wer täglich erlebt, wie Tiere (brutal) geschlachtet werden, Menschen verunglücken oder - besondere Unterhaltung - auch hingerichtet werden, ist gegen "langweilige" Normalität abgestumpft. Daher muss die virtuelle Bestrafung besonders kreativ sein, um Eindruck zu erwecken - und vielleicht kann man, wenn sie Eindruck in der Erzählung schindet (übrigens auch eine Foltermethod aus der Hölle, dem ultimativen Märchen), diese bei der nächsten vermuteten Hexe auch tatsächlich ausprobieren?

Sehr gute Frage. Ich glaube, die Lösung ist universell, nicht auf Märchen bezogen. Geschichten mit krasser Handlung sind spannender als Geschichten, in denen alles friede-freude-eierkuchenmäßig harmonisch ist. "Glück schreibt mit weißer Tinte", soll Woody Allen mal gesagt haben -- das heißt, du kannst Happiness nicht lesen, es hat keine Substanz, es ist nur schön. Für eine gute Story braucht man aber einen guten Konflikt. Deshalb gibt es zB so viele Krimis: die erzählen sich quasi von allein, stichwort 'Jagd nach dem Mörder', "Flucht vor der Polizei" -- das ist schon für sich spannend. Märchen sind zwar nochmal ne andere Kategorie, aber im Wesentlichen stimmts: Je krasser, desto interessanter.


oneironaughty 
Beitragsersteller
 24.01.2024, 00:22

"Glück schreibt mit weißer Tinte" Den merk ich mir, Thx!👌

HEsslhoFF21  31.01.2024, 15:58

"es hat keine Substanz" ist schlecht von mir formuliert, besser: Es hat schon Substanz, aber es ist nichts, was man gut erzählen kann, es passiert ja auch wenig Unterschiedliches.

Abgesehen davon, dass die deutschen Märchen der Grimms mehrfach umgeschrieben wurden, sollen sie vermutlich durch 'Abschreckung' erziehen.

Komm nicht vom Weg ab (Rotkäppchen), mach keinem Fremden die Tür auf (Schneewittchen), halt Dich an Regeln und Konventionen, usw.


oneironaughty 
Beitragsersteller
 23.01.2024, 22:18

Ja, dachte ich mir auch schon so ähnlich...aber schon krasse gehirnwäsche, oder?^^

Spikeman197  23.01.2024, 22:21
@oneironaughty

Schon irgendwie...ist halt auch die Frage, ob DAS jetzt typisch Deutsch ist!?

Andererseits sind auch zB die LiteraturMärchen von Hans Christian Andersen unheimlich traurig! Das Mädchen mit den Zündhölzern erfriert, weil die Menschen ihr nichts abkaufen. Die Meerjungfrau löst sich in Meerschaum auf, weil ihre Liebe nicht erfüllt wird. Auch nicht gerade gut für Kinder geeignet.

HEsslhoFF21  24.01.2024, 00:26
@oneironaughty

Rotkäppchen ist ursprünglich ein Warnmärchen für Mädchen und kommt aus dem französischen Sprachraum. Das Mädchen wird verführt, liegt schon mit dem Wolf im Bett, kann sich aber durch eine List der Vergewaltigung entziehen. In der ursprünglichen Version ist der Wolf ein Werwolf: zu verstehen als ein Mann, der manchmal eine wilde Seite hat ... wie viele Männer.

Wie meinst du das mit der Gehirnwäsche?

oneironaughty 
Beitragsersteller
 24.01.2024, 00:35
@HEsslhoFF21

Hi! Gute Antwort, thx! Mit Gehirnwäsche meinte ich, das es schon ein wenig "gemein" ist Kinder (und vielleicht auch Erwachsene) durch Angst zu erziehen....und das über Dekaden und länger. Da dies doch auch einige Defizite im Gehirn hervorrufen oder verstärken kann, usw. Da wird doch wohl kein Plan dahinter sein, oder?

MikeMacke20  01.09.2024, 06:51

Traue niemals deinen Eltern, aber versorge sie, wenn du reich wirst, obwohl sie dich mehrmals umbringen wollten (Hänsel und Gretel)?

Das Leben ist auch grausam.


oneironaughty 
Beitragsersteller
 23.01.2024, 22:58

Ja, irgendwie schon....