Was passiert mit einem Dorf, wenn es komplett unbewohnt ist?

6 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet
Was passiert mit einem Dorf, wenn es komplett unbewohnt ist?

In der Anfangszeit von Handys und Navis, als diese Technik noch ein wenig abenteuerlich war, haben wir uns Mitte Oktober auf die Rückfahrt von Cannes, Côte d'Azur, Richtung Alpes Maritimes und weiter nach norden gemacht. Zu Anfang mit Abweichungen, wenn die Gegend zu Schlenkern einlud und Sehenswertes zu bieten hatte. Die grobe Richtung war erstmal Grenoble, die Einstellung 'Luftlinie' im Navi.

Irgendwann ging es konsequent nur noch auf der D8 (Route Départementale, ähnlich Landstraße) weiter durch die Landschaft, die immer 'alpiger' wurde.

Schließlich kamen wir durch ein ländliches Dorf, das auf einer Anhöhe inmitten von Almen lag, die alle seltsamerweise nicht beweidet waren. Ein idyllischer Anblick - nur fehlte gänzlich das Leben darin.

Unterhalb vom Dorf, an einer kleinen Kreuzung mit Steintrog, in den durch einen alten ausgehöhlten Baumstamm Wasser als Rinnsal floss, hielten wir - und standen beim Blick in diesen tiefen Steintrog wie angenagelt: wie lang musste das klare Bergwasser dort völlig ungestört hineingeflossen sein, dass diese riesige dreidimensionale Unter-Wasser-Landschaft sich hatte bilden können...! Sowas hatten wir noch nie gesehen - ein zauberhafter Anblick.

Völlig ungestört von durstigen Tieren oder Menschen waren die feinen Verästelungen der Algen durch die Jahreszeiten hindurch als Zauberstruktur gewachsen ind waberten leise im Rhythmus des fallenden Wasserstrahls - eine abgeschlossene kleine Welt für sich!

Diese einsame Schönheit hatte etwas Heiliges und es wäre uns nie eingefallen, diese Zauberwelt zu stören.

Das ist eine starke Erinnerung an ein verlassenes Dorf, das aber noch stand und wohl noch zum Bewohnen hätte hergerichtet werden können - so war immerhin mein Eindruck.

Diese Musik passt genau zu der Stimmung:

https://youtu.be/yeB7GR7g3Bg?si=pWIA2PRAl6B17T42


Spielwiesen  01.05.2025, 10:51

☆★☆ Ich danke für diese Auszeichnung ! ~*^★^*~

zetra  30.04.2025, 21:23

Ich kenne dieses Problem von Spanien her.

In Deutschland ist so etwas sehr selten und herrenlos sind diese Geisterdörfer dann auch nicht. Sie befinden sich entweder in militärischem Sperrgebiet oder in einem Bereich, in dem Tagebau praktiziert wird, oder aber dort, wo zum Beispiel Flughäfen gebaut wurden (Kursdorf bei Leipzig) und Leute da noch wohnen, weil sie zu alt und immobil für einen Umzug sind. Früher gab es vereinzelte solcher Plätze auch entlang der innerdeutschen Grenze. Das war Staatseigentum, die Bewohner waren umgesiedelt und entschädigt worden. So würde das im Ernstfall wohl auch heute wieder laufen.

https://youtu.be/Yi46dIVQhcw?si=SMAx3-zSzPTWwRRl

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Von Experte rotesand bestätigt

Das ein Dorf vollständig freiwillig verlassen wird passiert in Deutschland extrem selten. Mir ist nur ein einziges Dorf in Niedersachsen bekannt, welches nicht in einem militätischen Sperrgebiet lag, nicht dem Bodenschätzeabbau (Braunkohle) im Weg stand etc. und dennoch verlassen wurde, obwohl es sogar an einer Bundesstraße sich befand mit Bushaltestelle.

Quarmühle https://www.komoot.com/de-de/highlight/5646832 war schon immer ein sehr kleiner unbedeutender Ort mit Mühle gewesen. Die Umgebung war sumpfig und mit Birkenwäldern bedeckt. In meiner Kindheit bestand der Ort nur noch aus zwei Häusern. Das eine war ein Restaurant mit Bootsverlei, um auf den kleinen See Tretboot fahren zu können und im anderen Haus wohnten die Betreiber der Gastwirtschaft. Die wenigen älteren Häuser waren schon weg und das Gasthaus war in den typischen Stil der 60er Jahre errichtet.

Heute hat tatsächlich die Natur das Gebiet zurück erobert https://ruhlerhof.de/2020/02/16/fundamentsreste-quarmuehle/ Noch viele Jahre stand das grüne Ortsschild Quarmühle an der Bundesstraße und in den Straßenkarten der frühen 80er Jahren war der schon nicht mehr existierende Ort immer noch eingetragen.


Kultgruende 
Beitragsersteller
 30.04.2025, 17:53

In Deutschland ist sowas tatsächlich sehr selten, aber in Griechenland wird das in geraumer Zukunft die Normalität an vielen Orten sein. Das Dorf, in dem meine Wurzeln liegen, wird nicht zu den Letzten gehören, die entvölkert werden. Deswegen habe ich auch diese Frage gestellt – ich war einfach neugierig, was mit Koutsochera passieren würde, wenn alle Bewohner gestorben oder weggezogen sind.

Neugier4711  30.04.2025, 18:49
@Kultgruende

Davon hatte ich gehört, dass im mediteranen Bereich es bei Dörfern mit schlechter Infrastruktur vor kommt, siehe Italien https://www.reisereporter.de/reiseziele/lost-places/lost-places-in-italien-10-faszinierende-geisterstaedte-TONVAVEIVBF5LATYXSOWVVYMJI.html Daran hatte ich jedoch nicht gedacht, weil bei mir ist eben Quarmühle mit Erinnerungen aus der Kindheit verbunden, wenn wir dorthin einen Tagesausflug machten mit Tretboot fahren auf dem Teich.

Es war ein komisches Gefühl, als irgendwann das Ortschild weg genommen wurde. Das es das eigene Dorf betrifft ist natürlich noch viel heftiger.

ruhlerhof  03.05.2025, 20:20

Ich war vor kurzen wieder mal an dieser Fotostelle und werde davon zeitnah auch wieder ein Blog dazu veröffentlichen.

ruhlerhof  03.05.2025, 18:56

Hallo zusammen, ich bin der Autor von der Blogseite ruhlerhof.de und betreibe die Seite seit 2019.

In diesen Blog beschreibe ich Fotostellen die ich während meiner Radtouren von Lutterloh bei Unterlüß aus wie z.B. auch die Fundamente der Quarmühle besucht habe.

Der Name Ruhlerhof bezieht sich dabei nicht auf ein tatsächlich bestehendes oder ehemaliges Objekt sondern nur der persönliche Name und damit nicht antliche meines Wohnsitzes.

Neugier4711  03.05.2025, 19:27
@ruhlerhof

Danke für diese Zusatzinfo! Deine Seite ist sehr interessent und weckt bei mir Kindheitserinnerungen. Ich habe dementsprechend meinen Text gekürzt.

Der "Staat" wird sich für solche Dörfer nur interessieren, wenn konkrete öffentliche Zwecke verfolgt werden sollen. Ein Naturschutzgebiet zu gründen wird sicher nicht dazu gehören. Dafür wäre der Aufwand zu groß und die Flächen zu klein.

Die Häuser rotten vor sich hin. Sobald dadurch Gefahren entstehen wird das Bauordnungsamt dem Eigentümer Auflagen zur Sicherung und zum eventuellen Abriß machen.

Diese Dörfer gibt es in Spanien und auch in Italien. Nur sie wurden wiederentdeckt und das verfolgte ich schon vor 25 Jahren, als ich über Jahre dort lebte.

https://www.youtube.com/watch?v=6a4wHv3M3ZA&pp=ygUMI25ldWV6dWt1bmZ0

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung