Warum wollen Deutsche in Österreich studieren?

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Hey, ich studiere selber in Wien - zwar nicht Medizin, aber ich kenne einige Medizinstudent*innen.

Also wirklich einfach ist das Medizinstudium sicher nicht. Und die Aufnahmeprüfung hat es auch in sich (Anfang Juli kamen 15.400 Bewerber*innen auf 1.850 Plätze).

Der große Unterschied zu Deutschland ist eben der Nummerus Clausus: in Österreich gibt es so etwas nicht. Du musst die Aufnahmeprüfung bestehen, wie deine Noten bei der Matura (in Deutschland: Abitur) waren, ist dabei egal. Das heißt, wenn das Abitur eines deutschen Schülers nicht gut genug ist, hat er mit dem Medizinaufnahmetest in Österreich noch eine zweite Chance, doch Medizin zu studieren.

Fun-Fact am Rande: In Österreich studieren sehr viele deutsche Staatsbürger*innen Medizin - so viele, dass es mittlerweile zu einem echten Problem geworden ist. Viele davon lassen sich nämlich auf Kosten des österreichischen Staates ausbilden, gehen nach dem Studium aber wieder nach Deutschland zum Arbeiten. Diese Ärzt*innen fehlen dann in Österreich. Österreich hat deswegen von der EU-Komission eine Ausnahme bekommen und darf im Rahmen bestimmter Quoten Studienwerber*innen aus Österreich gegenüber denen aus anderen EU-Ländern bevorzugen. Grundsätzlich wäre das EU-rechtswidrig.

Hier der Instagram-Post der "Zeit im Bild" über die diesjährigen Aufnahmeprüfung am 7. Juli:

Bild zum Beitrag

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
 - (Schule, Ausbildung und Studium, Universität)
jo135  06.08.2023, 21:23
und darf im Rahmen bestimmter Quoten Studienwerber*innen aus Österreich gegenüber denen aus anderen EU-Ländern bevorzugen

Wobei die Beschränkung sich nicht auf die Staatsbürgerschaft, sondern auf den Ort der Reifeprüfung bezieht. Österreicher, die in Deutschland leben und dort Abitur machen, fallen in die allgemeine "EU-Quote". Alle EU-Bürger, die in Österreich die Matura machen, fallen in die (größere) Österreicherquote.

Was ja auch vernünftig ist - wer in Österreich die Schule besucht hat, hat wohl schon einen größeren Bezug zum Land. Die Auslandsösterreicher haben halt Pech.

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Iraklioner  07.08.2023, 06:50
@jo135

Ja, genau und das gilt auch für Nicht-EU-Bürger*innen. Deswegen habe ich bewusst "Studienwerber*innen aus Österreich" und nicht "Österreicher*innen" geschrieben. Es geht um den Ort an dem die Reifeprüfung abgelegt worden ist.

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Ein Studium in Österreich ist nicht einfacher als in Deutschland. Der große Vorteil in Österreich ist nur, dass es keinen Numerus Clausus gibt. Gibt es für ein Studium mehr Bewerber als Plätze, wird ein Test gemacht. Nach der Rangliste werden dann die Plätze vergeben. Die Matura-/Abiturnoten spielen nur eine untergeordnete bzw. keine Rolle.

Medizin wollen viele studieren, haben in Deutschland aber wegen dem NC keine Chance. In Österreich ist das egal, weil die Plätze per Aufnahmetest vergeben werden.

Dazu hat Österreich den Vorteil, dass man deutsch spricht, EU-Bürger bei der Bewerbung wie Inländer behandelt werden (bis auf Medizin) und es keine Studiengebühren gibt. Das ist zum Beispiel in der Schweiz nicht gegeben.

Von Experte Knoerf bestätigt

Kurz: Sprache, EU, Kosten. Österreich ist deutschsprachig und muss Inländer und EU/EWR-Angehörige gleich behandeln. Damit darf es (im Gegensatz z.B. zur Schweiz) den Zugang für Ausländer nicht verbieten (eine gewisse Einschränkung wurde aber wegen der Sondersituation Medizin erlaubt). Das Studium ist außerdem kostenlos, sofern man nicht allzuviel überzieht.

Medizin ist eine Studienrichtung, in der sehr viel Nachfrage (=Leute, die studieren wollen) auf wenig Angebot (=Studienplätze) trifft. Ganz besonders in Deutschland, das seit jeher zu wenige Studienplätze für den Inlandsbedarf bietet. Es ist auch eine Studienrichtung, die im Betrieb recht teuer ist: man denke an Laborplätze, Sezierkurs, Praktikumsplätze usw. In vielen Studienrichtungen kann man die ungeeigneten Studierenden einfach in den ersten paar Semestern rausprüfen, besonders in Medizin wäre das aber eine teure Angelegenheit.

Daher muss schon vor dem Studium eine Auswahl getroffen werden. In Deutschland wird dabei vor allem auf den Notendurchschnitt des Abiturs geschaut. Andere Kriterien gibt es zwar auch, sie spielen aber wegen der Bewerberflut eine viel geringere Rolle.

In vielen anderen Ländern, so auch Österreich, wird stattdessen ein strenger Aufnahmetest durchgeführt. Die Noten der Matura spielen gar keine Rolle, nur der Test. Den Test kann man aber (im Gegensatz zu Abitur/Matura) mehrmals machen.

Ist es in Österreich so viel leichter? 

Nein, das Studium ist nicht leichter. Einen Platz zu ergattern auch nicht: mehr als 90% der antretenden Testteilnehmer scheitern und bekommen keinen Platz. Sie dürfen es aber ein Jahr später nochmal probieren. Das ist eine Chance, die man in Deutschland so nicht hat.

Ich lese immer Numerus Clausus und dass in Österreich jeder einfach so studieren darf

Nein, nicht jeder darf "einfach so studieren". Die bestandene Matura (oder SBP) ist natürlich immer zwingend nötig. Bei Studienrichtungen mit Zulassungsverfahren (wie Medizin) gibt es im Gegensatz zu Deutschland auch keine Umgehungsmöglichkeiten für den Test. Da muss ausnahmslos jeder durch, es gibt keine Landarztquoten, Anerkennung von FSJ, die früher üblichen Wartesemester oder sonstige Schmähs.

Wer leichter einen Studiumsplatz haben will, muss viel Geld einwerfen. Es gibt in ganz Europa etliche private Unis, die dafür gerne zur Verfügung stehen. Aber auch staatliche, die das ausnutzen (so etwa in Ungarn oder Rumänien). Deutschsprachig ist das halt oft nicht, man muss mit Englisch durchkommen.

Das Wort "NC-Flüchtling" sagt wohl alles aus. :)

Natürlich sagen die deutschen Studenten, dass sie wegen Österreich und der schönen Landschaft und Kultur in Wien, Graz, Linz, Innsbruck etc. studieren und nicht wegen ihres schlechten Abiturs. ;)

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – eBook -> Der Bildungswahnsinn und Ich
Tadokiarika  07.08.2023, 18:02

Nein, eigentlich sind die meisten hier ziemlich offen, dass ihr Abitur für ein medizinstudium in Deutschland zu schlecht war 😉

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