Warum wird tot mit „t“ und Tod mit „d“ geschrieben?
Hey wird hatten im Deutschunterricht kurz tot und Tod angesprochen. Als einer aus meiner Klasse fragte warum denn tot mit „t“ und Tod „d“ geschrieben wird, konnte unser Deutschlehrer keine Antwort geben. Ich frage nicht nach der grammatikalischen Regel sonder nach dem historischem Hintergrund.
5 Antworten
Um das genauer zu verstehen, sehen wir uns zuerst einmal die Situation im Englischen an. Als Pendants zum Paar Tod/tot haben wir dort death/dead. Vermutlich fällt Dir auf, daß dabei deutsches D zu englischem TH korrespondiert und deutsches T zu englischem D. Das ist kein Zufall, denn diese Korrespondenz findet man in unzähligen weiteren Beispielen:
- Deutsch D ←→ Englisch TH: Darüber habe ich kürzlich sogar mal separat eine lange Antwort geschrieben. Weitere Beispiele: dick/thick, drei/three, Ding/thing, nieder/nether, leid/loath, Süden/south.
- Deutsch T ←→ Englisch D: Auch dafür gibt es viele Beispiele, z.B. Tor/door, tun/do, did/tat (zweimal!), Teufel/devil, Tier/deer (mit Bedeutungsunterschied), Mut/mood.
Da es so viele Beispiele gibt, müssen diese Wörter auf eine gemeinsame Wurzel zurückgehen, von der aus sich die Laute in den verschiedenen Sprachen unterschiedlich entwickelt haben. Genauer gesagt steckt hier die zweite Lautverschiebung dahinter: Vor knapp 2000 Jahren, als Deutsch und Englisch (und auch Holländisch und andere) noch eine einzige Sprache („Westgermanisch“) waren, scherte das Deutsche aus und verschob das das D zu T und das TH zu D, während diese Laute in den anderen Sprachen unverändert blieben.
Wir können also westgermanische (und noch frühere „gemeingermanische“) Formen mit D rekonstruieren; nur das Substantiv hatte am Wortende ein TH.
- Im gemeingermanischenn Verb *dawjaną ‘sterben’ steckt eine indogermanische Wurzel *dʰew-, die auch außergermanisch ein paar Nachkommen hinterlassen hat, z.B. lat. funus ‘Begräbnis’, russ. давить davit’ ‘bedrängen, töten’.
- Westgermanisch hieß dieses Verb *dauwjan. Es existiert heute noch im Englischen als die, ist aber im Deutschen seit dem Mittelalter ausgestorben.
- Von dem Verb kommt das Perfektspartizip *david ‘gestorben, tot’. Beim Übergang ins Deutsche mußten die beiden D zu T werden, und in dieser Form hat das ehemalige Partizip nach dem Aussterben es Verbs als scheinbar selbständiges Adjektiv überlebt. Das zweite t in tot ist also eigentlich dasselbe Suffix wie in gesagt, gehabt, gewollt.
- Vom Verb *dawjaną konnte auch ein abstraktes Substantiv *dauþuz ‘Tod’ abgeleitet werden mit dem Suffix *-þuz (dabei steht þ für das, was heute im Englischen als th geschrieben wird). Dieses Suffix ist leider ziemlich kompliziert, weil es bereits im Gemeingermanischen verschiedene Formen hatte (je nach vorangehendem Konsonanten und Ort der Betonung) und später mit den Reflexen anderer Suffixe zusammenfiel. Von den vielen Substantiven, die im heutigen Englisch auf -th enden, gehen manche auf *-þuz zurück. Im Deutschen gibt es aber nur wenige Beispiele, z.B. Friede.
Oder anders gesagt: Das erste t in beiden Wörtern Tod, tot ist der Stammkonsonant. Der Endkonsonant kommt aus Suffixen, die aus dem ursprünglichen Verb entweder ein Substantiv oder ein Partizip bzw. Adjektiv machen.
Mit spitzer Stimme weise ich darauf hin, daß es viel einfacher ist, einen Chatbot zu schreiben, der ausgewählte Antworten mit “© ChatGPT” kommentiert, als einen, der den Leuten die Tücken der historischen Sprachentwicklung aufdröselt. Außerdem bin ich an meiner traditionellen Orthographie sehr leicht als Produkt des letzten Jahrtausends zu erkennen.
Wer gibt Deiner Bemerkung eigentlich ein Thumbs up?
Nicht jeder Text, der in korrektem und gutem Deutsch geschrieben wird, ist ein künstlicher.
Sei also etwas vorsichtiger mit deinen Äußerungen!
Das ist eine freche Unterstellung.
Für diesen kompetenten Nutzer lege ich meine Hand ins Feuer. Gern auch beide.
(c) ChatGPT
Das Mindeste wäre noch ein Fragezeichen dahinter gewesen. Immer noch provokant, aber wenigstens nicht respektlos.
Inwiefern erklärt das denn nun den letzten Buchstaben in Tod vs tot?
Die Frage war ja nicht nach dem ersten T, aber darauf bezieht sich >90% des Beitrags.
Ich bilde mir ein, daß ich das schon erklärt habe (in den letzte beiden Bullets): Tot ist ein fossiliertes Partizip, also hat es die Partizipendung (gemein- und westgermanisch -d, deutsch -t). Die Endung im Substantiv ist schwerer zu erklären, weil ≪Komplikationen≫; aber es ist verwandt mit der Endung in manchen der englischen Substantive, die auf -th enden (man müßte recherchieren, welche Beispiele valide sind und welche ihr -th aus anderen Quellen haben), aber ich glaube Deutsch Friede ist ein brauchbares Beispiel, denn es besteht aus gemeingerman. *frijaz ‘frei’ und dem Suffix *-þuz.
Im Mittelhochdeutschen wurden aber beide Wörter mit -t- geschrieben und die Rückkehr zu Tod mit -d- ist eine willentliche Entscheidung gewesen, um die Aussprache von flektierten Formen wie "des Todes" einheitlich gleich zu schreiben.
Der letzte Buchstabe in Tod ist nicht seit 2000 Jahren unverändert. Bedenke, dass es aufgrund der Auslautverhärtung ja ohnehin wie -t- gesprochen wird. Hier geht es nur um die Schreibweise.
Im Mittelhochdeutschen schrieb man die Auslautverhärtung immer mit, und im Neuhochdeutschen wurde das aufgegeben. Wenn wegen der Deklinationsendungen ein Vokal folgt, wurde immer die weiche Variante gesprochen und geschrieben:
- Mhd. der tac, des tages ⟹ Nhd. der Tag, des Tages
- Mhd. der tot, des todes ⟹ Nhd. der Tod, des Todes
- Beispiel Nibelungenlied: ze tode er in do sluoch ‘da schlug er ihn zu Tode’
Das Adjektiv tot wurde dagegen immer schon in allen Formen mit t geschrieben (ebenfalls Nibelungenlied: ir svlt di toten livte vz dem hvse tragen ‘ihr sollt die toten Leute aus dem Haus tragen’).
Die Orthographieänderung im Neuhochdeutschen betraf also nur den Nom Sg Tod, und war auch systematisch, weil sie alle gleichgelagerten Fälle umfaßte. Die Wortsippe tot/Tod wurde nicht anders behandelt als jede andere.
Die Orthographieänderung im Neuhochdeutschen betraf also nur den Nom Sg Tod,
Ganz genau! Den Grund habe ich genannt und das wäre die pragmatische Antwort:
Weil alle anderen Flektionsformen mit -d- gesprochen und geschrieben werden, wird auch NomSg mit -d- gesahrieben (und nur wegen der Auslautverhärtung -t- gesprochen).
Nichts gegen deine linguistischen Aspekte in deinem Beitrag, aber die konkrete Antwort wäre, dass die die Rechtschreibung aufgrund der anderen Formen so festgelegt wurde.
Warum "des Todes" mit d geschrieben und gesprochen wird, war ja nicht die Frage.
Da hast Du recht, eine mögliche Antwort ist „Weil der Endkonsonant in Tod in allen Formen außer dem Nom Sg stimmhaft gesprochen wird, bei tot aber stimmlos“. Aber ich glaube trotzdem, daß der Fragesteller mehr wissen wollte („Ich frage … nach dem historischem Hintergrund“), immerhin ist es im Deutschen unüblich, daß ein Adjektiv und ein Substantiv aus derselben Wortsippe sich in der Stimmhaftigkeit eines einzelnen Konsonanten unterscheiden, man sagt ja z.B. auch nicht „rot“ aber „die **Röde“.
Ja, da hast du recht. Ich sehe als entscheidenden Punkt aber nicht diese ganzen Details zum Sprachwandel (die durchaus korrekt und gut wiedergegeben sind), sondern die wichtige Tatsache, dass hier zwei verschiedene Konzepte vorliegen (Vorgang vs. Zustand) vorliegen.
Aber gut, wir sind uns grundsätzlich einig und ich schätze deine Beiträge hier sehr.
1)
Kajjo hat schon Recht, wenn er sagt, im Mittelalter sei das Hauptwort nicht „Tod“, sondern „tot“ geschrieben worden, doch war das eben die Schreibung der auch heute ja immer noch gleichen Aussprache des Nomens im Nominativ. Dabei wird jedoch verschwiegen, dass auch damals - ebenfalls wie heute! – der Genitiv sehr wohl „todes“ geschrieben wurde.
Der Grund für die jetzige verschiedene Schreibung des Nomens der Tod und des Adjektivs tot ist völlig einfach: Es gilt dieselbe Rechtschreibung eines Wortstammes in allen Fällen, egal, wie die Aussprache klingt!
Wenn es also "des Todes" ist (und du hörst ja das [d], nicht wahr? - dann ist in der Rechtschreibung das „t“ am Wortende nicht gerechtfertigt, obwohl im Wortauslaut auch ein Buchstabe “d“ „hart“, also stimmlos als [t] zu hören ist.
Der Grund dafür war die sog. „Auslautverhärtung“ beim Übergang vom Alt- zum Früh-Mittelhochdeutschen. Durch sie sind alle [ b, d, g] an Wortenden zu
[-p, t, k ] geworden. In der Rechtschreibung aber gilt das Stammprinzip, d.h. die Schreibung des Wortstammes wird nicht verändert.
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2) Die Ursache für die eigentliche, nämlich die inhaltliche Unterscheidung von tot und Tod jedoch liegt weit zurück in der Sprachgeschichte.
Bei den beiden Wörtern für Tod = death und für tot = dead zeigt das Englische eine gleiche Entwicklung der Konsonanten [t] und [d], während das Deutsche dann eine Stufe weiter ging: Durch die hochdeutsche Lautverschiebung wurde þ/ð (=“th“)→ d und d → t: dead;tot , und death;Tod
Der Beginn der Unterscheidung aber liegt im Indogermanischen noch vor der Herauslösung der germanischen Sprachen bei einer idg Nachsilbe –tu zur Bildung von Hauptwörtern, ein –tu, das in germanischen Sprachen zunächst als – þ (= th) erhalten blieb und nun im Deutschen als –d erscheint.
Richtig, die inhaltliche Unterscheidung der beiden Konzepte ist wichtig. Es geht eben nicht nur um Schreibweisen, sondern darum, dass Tod=Sterben und tot=Zustand verschiedene Konzepte sind und die daher dann konsequenterweise auch verschieden geschrieben werden.
Ja, das ist auch eine schwierige, kaum wirklich griffig zu beantwortende Frage. Dein Deutschlehrer hat da nicht versagt, denn so etwas muss man nicht wissen.
BEDEUTUNG
Beachte bitte zunächst den Bedeutungsunterschied. Es ist nicht so, dass die beiden Wörter einfach nur Adjektiv und Substantiv der gleichen Sache sind.
"Der Tod" bedeutet das Sterben, also das Aufhören des Lebens, den Übergang von lebend nach tot.
"Tot" dagegen bezeichnet den Zustand, nicht lebend zu sein.
Diese Unterscheidung hilft, wenn man sich die Schreibweise zusammengesetzter Wörter herleiten möchte:
Totholz, Totimpfstoff mit -t-, weil nicht lebend (Zustand)
todkrank (so krank, dass man sterben könnte), tödlich (führt zum Sterben), Todesopfer (wird dabei getötet)
SCHREIBUNG
Im Mittelhochdeutschen wurden beide Wörter mit -t- geschrieben.
Die Schreibweise des Substantivs wurde nachträglich auf -d angepasst, da man flektierte Wörter wie "des Todes, dem Tode, viele Tode sterben" offenkundig mit -d- spricht. Daher schreibt man auch das unflektierte Wort einheitlich und dazu passend mit -d- wie "der Tod" .
Umgekehrt spricht man flektierte Formen des Zustandswortes "tot" auch immer mit -t-: die Toten, ein toter Vogel
Letztlich ist Rechtschreibung immer zu einem großen Teil willkürlich und Definitionssache, also Übereinkunft.
"viele Tode sterben" ist ja auch was anderes als das unsinnige "viele Tote sterben".
Tot ist ein Zustand (nicht lebend) und dauert ewig. Der Tod ist ein Ereignis, der kurze Moment des Übergangs von lebend zu tot.
Ob Substantiv oder Adjektiv spielt dabei keine Rolle. Das Substantiv 'der Tote' schreibt man mit t, weil es um den Zustand geht. Das Adjektiv 'tödlich' wird mit d geschrieben, weil es einen Lebenden zum Tod führt.
Wahrscheinlich wollte man einfach nur für verschiedene Worte eine eindeutige Betonung haben, um sie besser zu verstehen. Oder es ließ sich je nach Zusammenhang mal so und mal so leichter aussprechen.
Und bekanntlich kam die Schrift ja auch erst nach der sprachlichen Entwicklung.
Aber mal ehrlich, es klingt doch auch irgendwie komisch:
Die Totesursache oder der Todenschein
(c) ChatGPT