warum wird immer nur über bildungsungerechtigkeit gelabert?

Velbert2  10.11.2023, 11:28

Was hat das mit Bildungsungerechtigkeit zu tun?

Byzantion 
Fragesteller
 10.11.2023, 11:46

ich stelle das konzept in frage.

inwiefern ist bildungsungerechtigkeit ein relevanter faktor, um den zukünftigen lebensweg eines menschen zu beurteilen?

2 Antworten

Ich verstehe dein Problem nicht ganz. Bildungsgerechtigkeit heisst, dass jeder unabhängig von den finanziellen Verhältnissen des Elternhauses Zugang zu allen Bildungseinrichtungen inkl. Universitäten erhält.

Das ist durch BAFöG und Stipendien gegeben und es ist ein Angebot, das angenommen werden kann, aber nicht muss.

Umgekehrt steht es natürlich auch Akademikerkindern frei, keinen höheren Bildungsweg einzuschlagen und die Schule mit einem Hauptschulabschluss zu verlassen - wenn das der Hintergrund deiner Frage sein sollte.

Byzantion 
Fragesteller
 10.11.2023, 11:27

ja genau das meine ich. aber darin wird ein rückschritt gesehen. ich komme beispielsweise aus einer solchen familie, noch dazu mit älteren geschwistern. ich habe diese ganze besonders von medien getragene diskussion von bildungsgerechtigkeit immer als riesentheater empfunden. ich habe studiert, weil ich musste und die anerkennung war gleich 0, weil es schon allzu normal war.

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easylife2  10.11.2023, 11:37
@Byzantion

Ich glaube du vermischt da 2 Themen:

von medien getragene diskussion von bildungsgerechtigkeit immer als riesentheater empfunden

Warum? Meiner Meinung nach ist Bildungsgerechtigkeit zu 100% existent. Guck dich mal im Ausland um (England, USA) und vergleiche.

ich habe studiert, weil ich musste und die anerkennung war gleich 0

Das ist dann wohl dein persönliches Problem. Die Anerkennung bekommst du nicht automatisch mit der Abschlussurkunde, sondern für das, was du nach der Ausbildung leistest.

Wenn du dich zu einem Studium genötigt gefühlt hast und eventuell aufgrund eines entsprechen schlechten Abschlusses dann jetzt auch eher im Hintertreffen bist, steht dir immer noch die Möglichkeit offen umzusatteln und einen eher praktisch orientierten Beruf zu ergreifen.

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Byzantion 
Fragesteller
 10.11.2023, 11:44
@easylife2

ich habe nicht nur ausbildung gemacht, ich habe auch eine zeitlang in dem beruf gearbeit, aber dann aufgegeben, die mühe stand in keinem verhältnis mehr zu dem was ich damit an täglichen brot verdiene. die menschen kamen mir auch mit problemen, die ich gar nicht als solche sah. während bei anderen sachen, wo ich hilfe gebraucht hätte, nichts kam. ich habe keine hohen erwartungen eigentlich, will kein eigenheim, keine kinder und erst recht kein seychellen-urlaub.

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easylife2  10.11.2023, 12:24
@Byzantion

OK, also du hattest dank Bildungsgerechtigkeit prinzipiell Zugang zu allen Bildungswegen, du hast eine Ausbildung gemacht. Der Beruf hat dir nicht gefallen oder war zu anstrengend bzw. hat zu wenig Geld abgeworfen und jetzt bist du vermutlich beschäftigungslos und unzufrieden.

Verständlich, aber wem (ausser dir selbst) willst du jetzt etwas vorwerfen? Dem Bildungssystem? Dem gesellschaftlichen Druck, der auf dir lastet? Reiss' dich mal zusammen.

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Byzantion 
Fragesteller
 10.11.2023, 12:37
@easylife2

so in etwa. ich glaube jedenfalls kein wort mehr diesen sonntagspredigten, bildung ist unsere einzige ressource, wir haben ja keine bodenschätze. das ist absoluter bullshit.

ich kann es auch salopp sagen, für 6 jahre studium ist ein Tausender im monat danach einfach erbärmlich. dann kann man es lieber gleich lassen und spart lieber an seinen ausgaben.

ich mache jetzt lieber hilfsjob, verzichte auf partnerschaft und reisen. nicht schön, aber halt nicht drin.

vllt waren andere super erfolgreich, mag sein. ich jedenfalls verstehe unser system und die denke nicht so richtig

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Weil es prinzipiell nichts negatives ist, wirst du in eine Ärztefamilie oder in eine Anwaltsfamilie hineingeboren dann kannst du durch diese Erwartungshaltung ja nur gewinnen auf dem Papier - dir werden ganz sicher keine Steine in den Weg gelegt, teilweise musst du nicht mal während des Studiums arbeiten und kannst dich voll und ganz auf dein Studium konzentrieren. Ich weiß nicht was du da groß kritisieren willst, lieber existieren Eltern die ihr Kind dazu motivieren ARZT zu werden statt zu sagen "ja leb mal 2 Jahre in Australien, dann kannste nach Berlin und DJ werden jojojo"

Und selbst dieses Beispiel mit der Freiheit was jetzt sarkastisch war findest du hauptsächlich bei wohlhabenderen Kindern - die können sich diese Freiheit eben gönnen und sich auch GEGEN das Elternhaus stellen. Ich kannte sehr schlaue und eher aus der oberen Mittelschicht stammende Mädels mit 1,0....1,1 Abitur die sich einfach mal 2 Jahre ne Pause gegönnt haben, reisen waren und einfach mal Kunst oder so studiert haben...

Dieses Argument mit dem Leistungsdruck zieht halt nicht, Leistungsdruck existiert auf jeder Ebene - auch der ein oder andere Postbote von Nebenan hat Leistungsdruck und Existenzängste. Und die ist härter als vom Akademikerkind XY mit einer Erwartungshaltung - der ja sowieso auch von klein auf BESSER aufgewachsen ist (Schau dir da einfach Studien/Statistiken an) - ich hab da jetzt keinen großen Mitleid, ich kann es nachvollziehen und versteh schon worauf du hinaus willst aber in Kompensation mit Kindern die in katastrophalen Zuständen aufwachsen bezogen auf alle Ebenen, von geographischer Lage bis Pädagogik der Eltern (in Deutschland versteht sich) - ist das gar nichts.

Byzantion 
Fragesteller
 10.11.2023, 11:38

ja, solche fälle mit australien sind mir auch bekannt, da lässt man sich halt seinen horizont erweitern. das ist auch angesehen.

worauf ich eher abziele ist: wer als erster in der familie es schafft zu studieren und es durchzieht, bekommt respekt. wenn man es nicht schafft, kann man immernoch ausbildung machen. auf dem papier kann ich als akademikerkind nur verlieren, es sind bereits sämtlich trophäen abgeräumt worden und man bekommt das gefühl dass nur das ausgezeichnete hervorragende etwas zählt. ja, ich habe mich angestrengt und durchgezogen, habe mir den a*sch aufgerissen, nie partnerschaft oder party gemacht. erfolg hatte ich trotzdem nicht, nur das gefühl die ansprüche nicht erfüllt zu haben

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1220terStock  10.11.2023, 11:50
@Byzantion

Die Metapher mit den Trophäen versteh ich, ja. Das ist auch logisch. Du musst aber auch aus diesem familiären Rahmen hinaus denken - wenn du Anwalt, Arzt, Ingenieur, Unternehmer etc. - wirst, dann kriegst du trotzdem vom Großteil der Gesellschaft eine riesige Anerkennung und hast es überall leichter, einfach durch den Status den du hast.

Was deine Familie denkt kann ja prinzipiell egal sein, das sind am Ende des Tages auch nur eine kleine Gruppe von Menschen - die deine Leistung eben nicht anerkennt und es als nichts besonderes sieht.

Klar ich versteh den Frust dahinter trotzdem - ich kenn nen 40 jährigen der damals 6 Jahre Jura studiert hat und ohne Abschluss abgebrochen hat, jetzt arbeitet er in irgendeiner sozialen Einrichtung - Arbeiterkind. Und wahrscheinlich sind seine Eltern (sofern sie noch Leben) trotzdem damit zufrieden.

Das würde bei Akademikerkindern anders aussehen, natürlich ja. Familiäres Umfeld ist immer kritisch und liebt Sensationen - das will ich sagen, man sollte sich nicht immer die Meinung dieses Umfelds ans Herz legen - auch mal über den Tellerrand hinaus denken

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Byzantion 
Fragesteller
 10.11.2023, 12:01
@1220terStock

du hast schon recht damit. die anerkennung ist wesentlich höher, je weiter ich mich von familie distanziere. allerdings würde ich diese menschen als naiv oder gutgläubig ansehen, weil sie nicht den einblick haben. sie sehen das positive und malen sich sachen aus.

dein beispiel beschreibt recht genau meine situation. ich empfinde es als sehr zynisch mit bildung immer zu argumentieren. der erfolg eines menschen hängt meiner meinung viel stärker davon, ob sich jemand um das weiterkommen eines menschen verdient macht oder nicht.

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1220terStock  10.11.2023, 12:13
@Byzantion

Ja wir haben in dieser Leistungsgesellschaft eben oberflächliche und ungesunde Erwartungen und Vorteile.

Jemand der 5+ Jahre meditativ in der Natur sich ausgelebt hat und viel gereist ist - mit sich selber im reinen ist und in gewisser Weise glücklich ist vom grauen Alltag raus zu sein - der wird wahrscheinlich von 9 von 10 Leuten auf der Straße beleidigt oder eben runtergemacht, rein auf den Fakt bezogen was er gemacht hat. (So ne Umfrage als Studie wäre mal ganz interessant)

Im Vergleich dazu wäre jemand der sich mit Medikamenten vollgepumpt hat, sein Jura Studium in Regelstudienzeit beendet hat und sein erstes Staatsexamen erfolgreich abgeschlossen hat aber extrem unglücklich und schwere depressiv ist - den würden die meisten wohl LOBEN und nichts abfälliges sagen.

Das ist ja das paradoxe, wir haben ein perverses Verständnis von ERFOLG. Das war auch ein extremes Beispiel, man könnte auch jemanden der locker Soziale Arbeit studiert und Menschen hilft mit einem gestressten Ingenieurstudent vergleichen - ähnliches Ergebnis prognostizier ich.

Gestresst sein, keine Zeit haben und sich todarbeiten ist eben sau sau BELIEBT in der Gesellschaft. Wehe du machst eine Pause oder gönnst dir Urlaub.

Ich weiß nicht ob du darauf hinaus wolltest aber ich hab das mal so ausgeführt.

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Byzantion 
Fragesteller
 10.11.2023, 12:24
@1220terStock

ja, genau sowas meine ich. ich finde es problematisch es auf sei fleißig, streng dich an und so zu reduzieren. ich habe mich wirklich angestrengt und ja, es war nicht perfekt, aber ich denke schon so, dass ein guter wille erkennbar war und auch so, dass ich durch hilfe an den stelle, wo ich WIRKLICH hilfe gebraucht hätte, es weitergebracht hätte.

meine eltern waren immer dann stolz, wenn sie ein wichtigen meilenstein gemeistert sahen, den man mir nicht mehr nehmen können. ich hingegen sah darin nur das, was es eigentlich ist, eine markierung wie viele unzählige meilen man noch von rom, dem ziel der reise entfernt ist

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1220terStock  10.11.2023, 12:33
@Byzantion

jup, das ist ein Sinnbild unserer Gesellschaft - da muss neben den ganzen Leistungen die man erbringen soll auch versuchen viel Zeit in wirklich sinnvolles zu stecken, in wirklich erfüllendes -

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Byzantion 
Fragesteller
 10.11.2023, 12:47
@1220terStock

das ist wirklich wahr, das mache ich auch, aber man muss halt auch von irgendwas leben

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