Warum will niemand ins Handwerk? Einstieg in den Arbeitsmarkt Ausbildung?

3 Antworten

Ich vermute mal, dass es nicht so einladend wirkt, wenn einerseits leere Rentenkassen die Aussicht auf Arbeit bis 70+ bieten, andererseits gerade im Handwerk aber nach wie vor oft die Notwendigkeit besteht, gesunde Knochen zu haben, um die Tätigkeiten dort ausführen zu können, weil dort immer noch eher auf Mensch als auf Maschine gesetzt wird. Und das eben bei Gehältern, die nicht den notwendigen Spielraum lassen, um vor dem gesetzlichen Renteneintritt selbst eine Altersvorsorge zu generieren, die einen früheren Ruhestand zulässt. Da verstehe ich jeden jungen Menschen, der sich gegen diese Berufe entscheidet!

Ebenfalls hilft es dem Handwerk sicherlich nicht, dass dort oft "ein rauer Ton" im Sinne von Sexismus, Rassismus und übler Behandlung von Azubis herrscht, mit herzlich wenig Veränderungenswille dahingehend ("Stell dich nicht so an, Lehrjahre sind keine Herrenjahre!"). Da wir nicht mehr in Zeiten leben, wo es viel zu wenig Ausbildungsplätze für viel zu viele junge Menschen gibt, sondern der demografische Wandel auch genau das in die andere Richtung hat kippen lassen, verstehe ich auch hier, dass junge Menschen solche Ausbildungsplätze nicht unbedingt als erste, zweite oder dritte Wahl auf ihrem Plan stehen haben.

Sprich, sehr vieles an diesem Arbeitskräftemangel im Handwerk ist hausgemacht. Und genau dafür fehlt dann auch noch dort die Einsicht, wodurch eben auch kein Veränderungswille besteht. Tja, Pech gehabt, selbst schuld, würde ich mal sagen!


notting  11.04.2025, 11:16

Meine persönliche Erfahrung als Student im Praxissemester in der Industrie mit dortigen Azubis in mit dem Handwerk vergleichbare Ausbildungen in den 2000er-Jahren: Schon damals gab's einen nicht gerade kleinen Bodensatz von Azubis, die ihren Frust über ihre Unfähigkeit an anderen ausgelassen haben. Da immer mehr alle die irgendwie ins Studium reinkommen das versuchen durchzuziehen, bleibt für die Ausbildung immer mehr nur der Bodensatz.

Und bei manchen Dingen die die Ausbilder/Software-Entwickler-Kollegen/etc. fordern merkt man erst später, dass Dinge die man extrem nervig findet, aber gezwungen wurde sie zutun, später doch große Vorteile haben, z. B. wenn man sich in eine bislang unbekannte Anlage einarbeiten muss oder was abändern muss und nicht alles doppelt solange dauert, weil nix konsistent gleich gemacht wurde soweit es irgendwie sinnvoll möglich war.

Bzgl. Sexismus: Hab vor Jahrzehnten eine TV-Doku über 2 kräftige Frauen gesehen, die eine kleine Schrott-Firma haben. D.h. wenn irgendwo entrümpelt wird, kommen sie auf Anfrage der Entrümplungsfirma und nehmen alles was als Metallschrott taugt mit, also auch z. B. funktionsfähige Einrichtungen im Raum mit hohem Metallanteil.

Die haben erzählt, dass es meist reicht, wenn die männl. Arbeiter vor Ort überrascht sind "Oh, 2 Frauen?!" einfach z. B. zu sagen "Oh, 2 Männer?!", beide Seiten lachen dann und alles ist ok. Und diese beiden kräftigen Frauen betteln auch nicht dauernd die Männer um Hilfe an, sie zeigen, dass sich sich auf diesen Beruf eingestellt haben und nicht dauernd die unangenehmen Sachen auf andere abwälzen wollen und zicken sich auch nicht gegenseitig an.

notting

HappyMe1984  11.04.2025, 12:03
@notting

Wenn mich jemand als "Bodensatz" bezeichnen würde, könnte es auch mir durchaus passieren, dass ich an dieser Person "meinen Frust auslasse"... Schon mal darüber nachgedacht?

Und warum betonst du so sehr, dass es zwei KRÄFTIGE Frauen waren? Und wieso kommt es überhaupt zu einer Situation, in der gekontert und gelacht werden muss? Jap, genau - weil Sexismus. Danke, dass du das mit deinem Beispiel bestätigt hast.

notting  11.04.2025, 12:21
@HappyMe1984
Wenn mich jemand als "Bodensatz" bezeichnen würde, könnte es auch mir durchaus passieren, dass ich an dieser Person "meinen Frust auslasse"... Schon mal darüber nachgedacht?

Schon mal darüber nachgedacht, dass der Bodensatz schon nützlich sein kann, nur halt nicht da, wo er sich zunächst ansammelt und ggf. vorher noch weiterverarbeitet werden muss, damit er nützlich wird? https://kaffeeklingler.de/kaffeesatz-natuerlicher-haushaltshelfer/20171128/b-66.html

Außerdem braucht man solche Leute garnicht darauf anzusprechen, die sind die ganze Zeit so drauf.

Und warum betonst du so sehr, dass es zwei KRÄFTIGE Frauen waren?

Dass man gleich sehen kann, dass die Muskeln haben, also es nicht zwei total schlanke junge Mädels sind, denen absehbar alles zu schwer ist. Genauso wie es eher schwächliche männl. Azubis gibt.

Und wieso kommt es überhaupt zu einer Situation, in der gekontert und gelacht werden muss? Jap, genau - weil Sexismus. Danke, dass du das mit deinem Beispiel bestätigt hast.

Das hat nichts mit Sexismus zutun, weil a) s.o. und b) auch Männer hin und wieder auf ihre "Eigenheiten" angesprochen werden und die Situation meist im Grunde genauso gelöst werden kann.

Sexismus ist eher, dass du offensichtlich nicht wahrhaben willst, dass solche Situationen bei allen Geschlechtern und auch leicht anderen Kontexten passieren und auch so gelöst werden können.

notting

  1. Vielfach sind das nur sehr kleine Betriebe, die nur dadurch am Leben bleiben, dass der Chef sich halb kaputtarbeitet und deswegen auch großen Einsatz von allen anderen verlangt.
  2. Die Politik verlangt immer längeres arbeiten, was Handwerker immer öfters einfach nicht körperlich durchhalten können.
  3. Selbst wenn die heutige Generation im Durchschnitt unzuverlässiger ist, kommt dazu, dass immer mehr Leute die auch nur ansatzweise clever genug sind für's Studium im Gegensatz zu früher auch studieren (wo sie sich mehr Geld von versprechen), wo früher viele die theoretisch ein Studium hätten schaffen können eine Ausbildung gemacht haben. Heißt heute schaffen es mangels Bewerbern immer mehr Leute aus dem "Bodensatz" in eine Ausbildung. Wobei der Bodensatz evtl. auch deswegen größer wurde, weil sie die Eltern weniger um die Kinder kümmern, also z. B. schauen ob die Hausaufgaben gemacht sind, Vokabeln abfragen etc. Und dieser Bodensatz ist oft auch sehr assi zu anderen Azubis, weil sie ihren Frust über ihre Unfähigkeit irgendwo auslassen müssen. Habe das als Student im Praxissemester leider am eigenen Leib spüren müssen :-(

notting

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Es ist ein harter Job und viele fühlen sich da unterbezahlt und gestresst