Warum können sich Mädchen zu jedem Anlass schick machen und Jungs sind mittlerweile schon im Hemd overdressed?


24.08.2021, 20:07

Ich habe in Zeitungs-Anzeigen schon von Hochzeiten und Beerdigungen gelesen, wo es den Gästen extra untersagt wird, schicke Kleidung zu tragen, sondern alle sollen ganz locker kommen.

5 Antworten

Ich denke du vergleichst da zwei Sachen, die nicht zusammenpassen. Wenn du im Hemd zur Party deiner Freunde gehst, dann bist du damit durchaus overdressed... das wäre aber auch der Fall, wenn eine junge Dame im formellen Rock samt Bluse dorthin ginge, wenn tatsächlich alle TShirts getragen haben.

Ansonsten kleidet man sich halt eben der Situation angemessen. Das heißt aber auch der heutigen Betrachtung der Situation angemessen. Je nachdem wie der verstorbene drauf war ist ein Anzug ggf. angebracht, eventuell aber auch unangebracht. Auf jemandes Beerdigung, dessen Wunsch es war, dass alle in bunten Farben kommen, wäre ein schwarzer Anzug nicht angebracht, beim Tod eines alten Steuerberaterkollegen eventuell schon.
Wenn du in einer IT Abteilung bei einem jungen, flippigen Unternehmen bist, dann passt du dich eben dem Unternehmenskonzept an und gehst leger hin, bei einer Bank zum Beispiel wäre aber formellere Kleidung, ggf. sogar ein Anzug Pflicht.

Kurzum: Respektvoll ist es NICHT sich möglichst schick zu machen, sondern sich den Wünschen des Jubilars, des Verstorbenen oder ggf. des Gastgebers anzupassen. Wenn Leute bei Hochzeiten um legere Kleidung bitten, dann wäre es respektlos im Anzug aufzutauchen, nur weil es 'einem selbst' besser gefällt. Genauso aber umgekehrt: Wenn formelle Kleidung gewünscht ist, dann geht man nicht im TShirt hin.

Trachten Jacken zieht man halt zu events an wo Tracht noch erwünscht ist oder üblicherweise gesehen wird. Wenn man auf dem Dorf lebt, dann können das die dort stattfindenden Veranstaltungen sein, Dorffest, Hochzeiten, Jubiläum des Schützenvereins usw. usw.

Allerdings hat kein einziger der Punkte, die du aufzählst damit zu tun, dass Männer und Frauen hier irgendwie ungleich behandelt würden...

FelixSH  24.08.2021, 20:18

Der Unterschied liegt in der Auswahl. Wenn ein Hemd overdressed ist, was bleibt einem als Mann denn dann noch für eine Wahl? T-Shirts und Polos. Frauen haben da immer noch einen viel größeren Spielraum. Genauso wenns schick sein soll, in einem Büro zum Beispiel. Als Mann trägt man lange Hosen und Hemden, Frauen haben da viel größere Auswahl.

Hemd als overdressed ist eh albern. Ist ja, wie gesagt, dann fast nichts mehr übrig das man tragen kann.

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Aber mittlerweile ist alles so locker und leger.

Locker würd ichs nicht bezeichnen. Es gibt eigentlich sehr strikte Regeln, wie du eh ausgeführt hast. Als Mann darf man sich nicht wirklich schick kleiden, weil schon ein Hemd für einzelne (meines Erachtens dumme) Leute zu schick ist. "Darf" ist natürlich übertrieben, aber du weiß sicher was ich meine. Man erfährt dann halt möglicherweise eine gewisse Ächtung.

Früher gab es auch viel striktere Regeln für Frauen, aber diese sind halt im Zuge der Emanzipation gelockert worden. Männer haben so eine Emanzipation in diesem Sinne nie gehabt, es ist immer noch in gewissen Kreisen problematisch Emotionen zu zeigen, sich außerhalb der Norm zu kleiden (oh mein Gott, ein Rock!), oder ähnliches.

Aber ehrlich, wenn du ein Umfeld hast das dich nervt, nur weil du ein Hemd trägst, such dir ein neues. Ich trag gerne Krawatten und Fliegen, einfach so im Alltag, meine Freunde würden das niemals kritisieren. Und nein, die machen das auch nicht hinter meinem Rücken, weil ich mir vernünftige Leute als Freunde ausgesucht hab, die mich nehmen wie ich bin. Hätten auch kein Problem damit, wenn ich nen Anzug einfach so tragen würde. Und andere Leute interessierts nicht. Hat dich jemand dafür kritisiert, weil du auf nem Geburtstag ein Hemd getragen hast, oder hast du das nur so wahrgenommen, weil sonst jeder ein T-Shirt getragen hat? Ist schon ein Unterschied, viele tragen halt gern legere Sachen, stören sich aber auch nicht dran, wenn andere sich etwas schicker machen. Da sollte man schon unterscheiden.

Generell bin ich aber froh darüber, dass man sich oft auch legerer kleiden kann. Und in den meisten Fällen hat man ja doch noch Spielraum. Auf Beerdigungen sollte man sich natürlich nach dem richten, was der Verstorbene bzw. die Hinterbliebenen sich wünschen. Da gehts ja wirklich nicht darum, sich selbst zu verwirklichen. Aber mit einzelnen Ausnahmen ist da der Anzug immer noch in Ordnung. Genauso wie ein schwarzes T-Shirt mit schwarzer Hose.

Zu den Hochzeiten: Naja, es ist der spezielle Tag des Brautpaares, also sollte man sich nach deren Wünschen richten. Wenn diese keine schicke Kleidung mögen, werden sie natürlich eine legere Hochzeit bevorzugen. Auch da, wie bei Beerdigungen, sollte man sich zurücknehmen. Es geht ja nicht um einen selbst, sondern um das Brautpaar, es ist ihr spezieller Tag. Ich würde trotzdem ein Hemd tragen, aber das wäre auch jedem klar, weil ich meistens welche trag, und diese aus meiner Sicht eh leger sind.

Du musst nicht extra auf Gelegenheiten warten. Zieh an, was dir gefällt und achte nicht zu sehr darauf, was die anderen machen. Natürlich erregt man Aufmerksamkeit, wenn man aus der Masse heraussticht, aber es kann auch positiv auffallen ;)

Ich persönlich hasse es mich "schick" zu machen. In ein Kostüm oder Abendkleid würde man mich gar nicht rein bekommen. Am liebsten trage ich einfach meine Hose von Strauss, T-shirt (in irgendeiner knalligen Farbe) drauf und als Schuhe Sketschers oder Haix. . Wenn es wirklich mal schick sein muss, dann zieh ich meine engere Hose an mit einem hübscheren T-shirt und Ballerinas.

Ich habe in meiner Heimat ähnliches beobachtet - die Männer auf dem Land haben vor allem in jungen Jahren im Grunde außer Kleidung von "Engelbert Strauß" nur Jeans im Schrank und vielleicht ein (inzwischen viel zu enges) weißes Hemd, das sie vor zehn Jahren kauften und das inzwischen total spannt sowie eine einzige Krawatte, die man beim Schützenverein, der Freiwilligen Feuerwehr oder bei der Kolpingsfamilie anlässlich einer Ehrung verabreicht bekam. Da weigern sich auch Männer vehement eine Krawatte zu tragen und werden regelrecht ausfällig - und es werden Trachtenhochzeiten anberaumt, weil Kollege XYZ zu faul oder nicht willens ist (meist beides) oder nicht dazu in der Lage, eine Krawatte zu binden und ein Sakko anzuziehen, weil das was für Städter und Spießer sei. Was ich in dem "Milljöh" schon erlebt habe, spottet jeder Beschreibung.

Wer da im Anzug erscheint oder schon eine "Stoffhose" statt einer Jeans trägt, gilt nicht selten als arrogant und überheblich, als Büromensch, Koofmich, Nixschaffer und sonstiges. Ich kann das 1:1 bestätigen, weil es mir selbst dann so ging, wenn ich mit Twillhose, Sakko und Hemd auf der Arbeit gewesen bin und Kunden beriet.

Ich sage es mal so: Wenn man nach gesellschaftlichen Schönheitsidealen liegt, sind Leute aus den Städten tatsächlich schon vorne dran, der Rest ist individuell. Die Leute von der Stadt sind vielleicht besser oder modischer angezogen, weil sie mehr (Einkaufs-)Möglichkeiten haben, ein größeres Interesse an Mode und Styling und eventuell auch einen größeren Freundeskreis der ihnen das eine oder andere erklärt, zudem ist die Quote an Büroberufen höher, wo man sich "herzurichten" hat - der Rest ist absolut subjektiv.

Ich habe es auf dem Land erlebt, dass viele Leute 24/7 so aussehen, als ob sie ständig von der Gartenarbeit kommen oder aus dem Stall - auch viele Frauen kleiden sich da auch extrem zweckmäßig; mehr als Jeans, Shirt und vielleicht eine günstige weiße Bluse haben sie nicht und ziehen auch an festlichen Anlässen nichts anderes an, außer vielleicht es ist Dorffest oder Kirchweih, da darf es auch mal das Dirndl sein. Bei Männern vom Dorf/Land ist es ähnlich, wohl auch, weil man nach Feierabend noch in den Stall oder in den Garten geht und es nicht anders kennt bzw. im Handwerk auch arbeitet und "modische" oder "feine" Klamotten gar nicht braucht.

Erstmals habe ich das in der Berufsschule gemerkt; da gab es schon einen optischen Unterschied bzw. man sah, wer aus dem kleinen Dorf oder vom Bauernhof kommt und wer aus der Kreisstadt oder den Großwohnsiedlungen und wie die Eltern ungefähr sind. Man wurde in der Regel immer bestätigt.

Meine das übrigens gar nicht negativ - jeder ist so wie er ist - aber es ist mir aufgefallen und es kommt auf den Blickwinkel und die eigene Herkunft an. Und ich bin halt einfach kein "Dorfkind".

Ansonsten: meine Frau und ich haben bewusst auch einfach geheiratet und trugen weder Anzug noch Brautkleid. Die Gäste sollten das auch nicht, meine Mam kam im Jeanshemd zur beigen Hose und mein Patenonkel trug eine schwarze Jeans und ein Poloshirt. Wir feierten ganz klein und trugen die Klamotten, die wir anhatten, als ich ihr den Antrag gemacht habe - nicht weil wir es nicht besser können, sondern weil wir solchen Kommerz ablehnen und so sind, wie wir sind. Wir müssen es keinem beweisen, dass wir es können; man hat's, aber man hat's nicht nötig.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung
Hessen001 
Fragesteller
 24.08.2021, 22:18
Engelbert Strauß

Hab ich als Kind aber auch fast ausschließlich getragen. Die gehen halt nicht kaputt. 😅

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rotesand  24.08.2021, 22:18
@Hessen001

Meine Frau hat auch eine Softshellweste von denen und liebt sie^^ aber du weißt in etwa, was ich meine - das ist denke ich ein Stück weit milieubedingt.

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