Warum empfinden es zunehmend mehr Männer als Belastung, sich schick anzuziehen?
Ich bin ein Junge und mag es eigentlich, mich schick zu machen. Ich freu mich auch jedesmal, wenn mein Vater wenigstens einmal im Jahr zur Weihnachtsfeier seiner Arbeit einen Anzug tragen muss. Mein Vater ist zwar der Alptraum sämtlicher Mode-Experten (er würde nie ein langärmeliges Hemd tragen) , aber immerhin darf ich ihm dann Hemd und Krawatte raussuchen.
Meine Idole Udo Jürgens, Frank Sinatra und Peter Alexander habe ich immer für ihren Stil bewundert. Für ihre Anzüge.
Zu meiner Firmung hat mir mein Onkel einen wunderschönen Anzug spendiert. Schwarz mit rotem Innenfutter - wie Udo Jürgens. Den konnte ich allerdings nur zweimal anziehen. Zu meiner Firmung und zu meinem Schulabschluss. Mittlerweile ist er mir leider zu klein.
Es gibt ja kaum noch Gelegenheiten, wo man als Otto Normalverbraucher mal Anzüge tragen kann. Zu Geburtstagen und Weihnachten trägt niemand mehr Anzüge. Wenn ich da mal ein Sakko trage, kommen schon lauter Kommentare wie: "Na, der Herr im feinen Zwirn!" oder "Du hast Dich aber in Schale geschmissen!"
Selbst bei der Kommunion meiner Großcousine trug kaum jemand einen Anzug. Ich finde das jedenfalls schade, dass solche Feiertage immer belangloser zu werden scheinen. Selbst bei Beerdigungen haben viele nichtmal mehr den Respekt, etwas feierliches anzuziehen.
Aber warum ist es für so viele eine Belastung, einen Anzug zu tragen? Wenigstens meine Opas haben darauf immer noch Wert gelegt. Und mein Onkel legt noch Wert drauf. Aber sonst irgendwie niemand mehr in meiner Familie.
Wir haben noch von meinem Opa aus den 50er Jahren einen alten Anzug. Schwere, schwarze Schurwolle, handgewebt, mit dunkelblauem Seidenfutter. Er passt mir wie angegossen. Noch! Bei der nächsten Gelegenheit ihn zu tragen, ist er mir wahrscheinlich zu klein.
Mein FSJ-Pfarrer trägt gerne Anzüge. Aber selbst bei Priestern wird es ja immer mehr erwartet, dass sie "normale Kleidung" tragen.
6 Antworten
Es ist schade, aber so sieht die Realität nunmal inzwischen raus. Die Zeiten, in denen man Sonntags in die Kirche ging und die so genannten "Sonntagskleider" trug, sind vorüber. Ich kenne kaum jemanden, der regelmäßig in die Kirche geht.
Auch mir ist bereits aufgefallen, dass nur noch wenige Leute sich fein machen zu Festivitäten wie Geburtstagen, Weihnachtsfeiern oder sogar Hochzeiten. Ich meine, hallo, Hochzeiten!? Ja, das Brautpaar natürlich. Die engste Familie drum herum (Eltern, Geschwister und vielleicht Großeltern des Paares), die ziehen sich noch fein an. Aber selbst unter den Gästen werden nur noch wenige Anzüge oder feine Kleider getragen, wie es scheint.
Auch mich stimmt das traurig. Ich ziehe gern mal ein schönes Kleid an. Aber in Deutschland ist man mit sowas immer sofort "overdressed".
Man kann es schade finden, aber ändern wird das wohl nichts, fürchte ich.
Anzüge stehen für viele Dinge, die ich persönlich überhaupt nicht leiden kann. Sie sind für mich die Uniform des Kapitalismus - ein Grauen aus schwarz, grau und dunkelblau. Sie stehen für mich für gesellschaftliche Zwänge, Klassendenken, Unnatürlichkeit. "Schick" existiert für mich nicht. Es gibt Kleidung, die ich schön finde und Kleidung, die ich nicht mag.
Ich persönlich ziehe mich am liebsten locker, sportlich und bunt an und sehe mich eher in der Tradition Ludwig XIV., auch wenn ich auf die hochhackigen Schuhe verzichten kann ;)
Sogar Hitler hat Anzüge getragen😂 Und der war nun wirklich gegen das Klassendenken...
du kannst doch tragen was du willst, in nächster zeit wirst du aber keine passende gelegenheit dazu haben
zieh an, wo dich wohlfühlst. es kann auch eine gute jeans sein.
den anzug deines großvaters würde ich nicht tragen
Dabei würde das gar nicht so auffallen. Die modernen Anzüge orientieren sich im Schnitt stark an den 50ern. Schmale Tallie, schmale Hose und schmaler Kragen. Wenn ich einen Anzug aus den 80ern tragen würde...ja...das würde auffallen 🤣
"Belastung"? Es ist schlichtweg Bequemlichkeit, die sich da breitgemacht hat.
Irgendwann sind wir uns zu bequem dafür, überhaupt noch irgendetwas anzuziehen, sprich: Alle laufen nur noch splitterfasernackt herum XD
Aber um solche Kommentare zu vermeiden wie "Da hat sich ja Einer fein gemacht" usw., solltest du eben wirklich tagtäglich Anzüge tragen. Weil dann kannst du kontern:,,Wieso? So ziehe ich mich immer an. Ich will ja nicht in Lumpen rumlaufen, wie mein aktueller Gesprächspartner, dem ich gerade in die Augen sehe."
Und dabei siehst du in seine/ihre Augen und zwinkerst ;)