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Grüß Dich Nofear20

Die Wahl einer Religionsgemeinschaft geschieht nach inneren Vorstellungen und Sehnsüchten. Man erhofft sich Heil und Erlösung vom Übel des Lebens. Und je mehr ein Mensch durch das Leben verunsichert wurde und keine tragenden Antworten sucht/hat, die mit der Realität kompatibel sind, um so mehr erliegt er den Verführungen von Versprechungen.

Die Erwartung des Heils und der Erlösung sind durch die Selbstunsicherheit so groß, das für die Rettung jedes Stöckchen, jeder Strohhalm begierig aufgenommen wird. Gäbe es eine Möglichkeit, sich differenziert auseinanderzusetzen, dann hätte man das so nicht nötig.

Damit wird die eigene innere Befindlichkeit an die Religionsgemeinschaft und deren Versprechungen und Methoden geknüpft, so das die eigene kritische Hinterfragung ausgeschaltet wird. Das wünscht sich solche Religionsgemeinschaft, die sich natürlich finanzielle Vorteile durch bleibende Mitgliedschaft erhofft und so Macht ausüben kann.

Innerhalb der Gemeinschaft fühlen sich die Menschen aufgehoben und seelisch betreut, selbst wenn sie Angst macht und erleben sich als Mitglied einer gleichgesinnten Gemeinschaft. Hier auszusteigen, weil man dann doch den Mut aufbringt zu hinterfragen, heißt die soziale Bindung und den Gesinnungskreis vollständig zu verlieren wenn die Gemeinschaft und die "Vorgesetzten" diese Haltung durch völlige Ignoranz und Untersagung weiterer Kontakte massiv ächten. Das ist eine schwere Isolation und wird als Bestrafung angesehen.

Das weiß jeder und das macht Angst vor dem eigenen Selbstverlust und wird daher vermieden.

Und deshalb ist der Ausstieg so schwer.

Herzlichen Gruß

Rüdiger

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Wissenschaftliches Buchstudium und eigene Erfahrung
Nofear20 
Fragesteller
 22.02.2024, 08:03
Das weiß jeder und das macht Angst vor dem eigenen Selbstverlust und wird daher vermieden.
Und deshalb ist der Ausstieg so schwer.

Ja, das stimmt, und viele stürzen ja auch in eine existentielle Krise nach dem Ausstieg. Wie das mit christlicher Nächstenliebe vereinbar ist, erschließt sich mir nicht.

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vonGizycki  22.02.2024, 10:24

Nofear20

Herzlichen Dank für den Stern! Der hat mich sehr gefreut! 😊

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Es gibt zwei Arten von Aussteigern, denen es höchstwahrscheinlich sehr unterschiedlich geht beim Ausstieg.

Da wäre einmal der Konvertit. Der Konvertit hat bis zu seinem Übertritt in der Regel eine wohl eher normalgesellschaftliche-integrierte Erziehung, Zugang zu Bildung, von Kindesbeinen an gewachsene Freundschaften, Selbsterfahrung, Entwicklung und Ausleben von Talenten, Hobbys, berufliches Setting usw.

Entscheidet sich der Konvertit nun zum Austritt bei den ZJ, so knüpft er wieder an sein altes Leben an. Seine Freunde sind da, seine Familie! ist da, sein berufliches Umfeld ist stabil. Der Konvertit macht einfach wieder da weiter, wo er zuvor aufgehört hat und das beste ist, alle freuen sich mit ihm und für ihn über die Befreiung aus einer Sekte. Der Konvertit fällt also, abgesehen von dem Irrtum, den er sich eingestehen muss, relativ weich.

Dann gibt es noch den Hineingeborenen. Der Hineingeborene, womöglich in xter Generation, wächst in der Gruppe der ZJ auf und wird vornehmlich von dieser geprägt, weniger sozial-gesellschaftlich. Frühkindliche Bindungen und lebenslange Freundschaften, die schon im Kindergarten geschlossen werden, fehlen ihm, da vom Kindergartenbesuch und 'weltlichen' Freundschaften schwer abgeraten wird. Weltliche Kontakte während der Schulzeit sollen auf ein Mindestmaß beschränkt werden, gleiches gilt auch im Berufsleben.

Der Hineingeborene hat nur in der Gruppe der ZJ Freundschaften und Familie, nicht selten ist auch sein Arbeitgeber ZJ. Die freie Persönlichkeitsentwicklung ist den Anforderungen in der Gruppe massiv untergeordnet, eingeschränkt und in Teilen unterdrückt/verboten. Ein Hineingeborener kennt nur die Welt der ZJ.

Tritt nun ein Hineingeborener bei den ZJ aus, so verliert er alles! Er verliert alles und steht vor dem brutalen Nichts. Er hat nicht gelernt, wie man Freundschaften schließt und erhält, er hat nicht gelernt, wie Menschen ganz normal sozial interagieren. Er kommt im Grunde in eine für ihn fast vollkommen fremde Welt, mutterseelenallein, geächtet und fallengelassen von Freunden und Familie.

Diesen Schritt zu wagen, zolle ich meine größte Hochachtung!

Weil der Ausstieg gleich zu setzen ist, mit dem sozialen Tod, jemand der kein Teil der Gemeinschaft mehr sein möchte wird, quasi von alle Zeugen Jehovas geächtet, kein Kontakt, kein Gespräch, oft nicht einmal ein Gruß. Da viele in diese Glaubensgemeinschaft hineingeboren sind und nach den Regeln der Zeugen Jehovas auch den Kontakt mit nicht Zeugen Jehovas aufs nötigste beschränken sollen, hat man oft keine Freunde und Familie außerhalb der Gemeinschaft, so ist man völlig isoliert und wenn man aussteigt auf sich allein gestellt. Stell dir vor deine Mutter, deine Kinder reden einfach nicht mehr mit dir, ignorieren dich, wenn sie dich zufällig treffen!

Du kannst diese Verfahrensweise selbst auf der Seite der Zeugen Jehovas nachlesen, in dem du als Suchbegriff „Ausgeschlossene“ eingibst Ausgeschlossenen sind alle die die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas verlassen haben, also jeder der ZJ war und dann sagt „ich möchte kein ZJ mehr sein“, dort findet ihr dann sehr schnell solche Texte:

"Wie sollten wir uns gegenüber einem Ausgeschlossenen verhalten?

Wir reden mit Ausgeschlossenen nicht über unseren Glauben und haben keinen sozialen Kontakt mit ihnen. Im Wachtturm vom 15. Dezember 1981 hieß es auf Seite 24, dass „ein einfacher Gruß der erste Schritt zu einer Unterhaltung und vielleicht sogar zu einer Freundschaft sein kann. Möchten wir bei einem Ausgeschlossenen diesen ersten Schritt tun?

Ist es wirklich nötig, den Kontakt völlig abzubrechen? Ja, aus mehreren Gründen. Erstens beweisen wir so unsere Treue gegenüber Gott und seinem Wort. Wir gehorchen Jehova nicht nur, wenn es für uns leicht ist, sondern auch, wenn es uns wirklich schwerfällt. Aus Liebe zu Gott halten wir uns an alle seine Gebote, denn wir erkennen an, dass er gerecht und gut ist und seine Gesetze für jeden nur zum Besten sind.

Der Ausgeschlossene wohnt außerhalb des engsten Familienkreises, das heißt nicht in derselben Wohnung. In seltenen Fällen könnten es gewisse Familienangelegenheiten zwar erfordern, dass man mit dem Ausgeschlossenen begrenzt Kontakt hat, doch sollte dieser auf ein Minimum beschränkt werden. Wer Jehova treu sein möchte, sucht nicht nach Vorwänden für Kontakte mit einem ausgeschlossenen Verwandten, der eine eigene Wohnung hat. Aus Herzenstreue gegenüber Jehova und seiner Organisation wird er die biblische Regelung des Gemeinschaftsentzugs nicht unterlaufen. Seine konsequente Treue zeigt, dass er für den Ausgeschlossenen nur das Beste will, und trägt möglicherweise dazu bei, dass die korrigierende Maßnahme bei ihm greift" (Quelle JW .org)

verreisterNutzer  21.02.2024, 20:48

Es ist gut, dass dies hier ganz klar und mit Beweisen (Zitaten) zur Sprache kommt.

Deswegen habe ich ja auch meinen Blog darüber geschrieben, aber so eindeutig habe ich noch nicht wie du hier @Barnabas78 geschrieben, weil ich habe mich zurück gehalten.

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Nofear20 
Fragesteller
 22.02.2024, 08:06
Da viele in diese Glaubensgemeinschaft hineingeboren sind und nach den Regeln der Zeugen Jehovas auch den Kontakt mit nicht Zeugen Jehovas aufs nötigste beschränken sollen, hat man oft keine Freunde und Familie außerhalb der Gemeinschaft, so ist man völlig isoliert und wenn man aussteigt auf sich allein gestellt. Stell dir vor deine Mutter, deine Kinder reden einfach nicht mehr mit dir, ignorieren dich, wenn sie dich zufällig treffen!

Damit triffst du genau auf den Punkt. Das ist ja gerade das Perfide: die Strafe für den Ausstieg ist im Grunde Liebesentzug, sogar durch die Familie.

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Niemand ist befugt, jemand unter Druck zu setzen oder zu zwingen, ein Zeuge Jehovas zu bleiben. Jeder entscheidet selbst, welcher Konfession er angehören möchte (Josua 24:15). Wir denken, dass der Dienst für Gott freiwillig sein und von Herzen kommen muss (Psalm 110:3; Matthäus 22:37).

telemann2000  21.02.2024, 12:52

Du machst es hier zu einfach. Es ist eher umgekehrt....

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gromio  21.02.2024, 14:14

So wie jemand freiwillig und von Herzen die JZ verläßt.

Allerdings sind etwaige Folgen einer Abkehr bereits vor dieser bekannt und somit eine zu erwartende Folge.

Abkehr erfolgt IMMER aus eigenem Entschluß, die Folgen sind - Folgen der eigenen Entscheidung.

LG, Gottesdienst777.

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telemann2000  21.02.2024, 21:27
@gromio

Nein, Abkehr dient sehr oft dem Selbstschutz und dem Schutz anderer. Die australische Kommission hat sehr sachlich herausgearbeitet, dass Missbrauchsopfer zu ihrem eigenen Schutz ausgestiegen sind

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Dein komplettes soziales Umfeld bricht weg... Deine Freunde wollen nichts mehr mit dir zu tun haben (in solchen Gemeinschaften sind die Menschen eher untereinander befreundet. Externe Freunde sind vermutlich selten) und falls deine Familie dabei ist, fällt diese auch weg. Falls sie nicht dabei ist, hast du vielleicht vorher schon den Kontakt abgebrochen...

Außerdem bricht dein Weltbild zusammen, Dinge, an die du geglaubt hast, funktionieren nicht mehr.

Friedliebender  21.02.2024, 22:20

Komisch, ich bin ein Zeuge Jehovas und habe viele Kontakte außerhalb. Und ich stehe mit beiden Beinen im Leben! Und zwar im richtigen Leben! Zudem, ich habe auch Freunde außerhalb unserer Religionsgemeinschaft.

Was die betrifft, die von uns weg gehen diese brechen mit UNS den Kontakt ab und das haben sie für sich selbst entschieden und sie entfernen sich von uns, nicht umgekehrt.

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carstenfischer  23.02.2024, 11:41
@Friedliebender
Was die betrifft, die von uns weg gehen diese brechen mit UNS den Kontakt ab und das haben sie für sich selbst entschieden und sie entfernen sich von uns, nicht umgekehrt.

Jesus sieht es anders. Er verliess für ein verlorenes Schaf sogar die ganze Herde allein.

Solltest ihr euch nicht an Jesus ein Beispiel nehmen?

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Friedliebender  23.02.2024, 23:31
@carstenfischer

Jesus sieht es genau so. Denn es geht nicht um ein verlorenes Schaf, sondern um jemand, der auch Jesus verlassen hat.

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carstenfischer  24.02.2024, 10:44
@Friedliebender

Auch das verlorene Schaft ging nicht "verloren", es hat den Hüter der Herde verlassen.

Doch das wirst du nie begreifen, weil du es nicht begreifen darfst, als Folge nicht begreifen willst. Du hast ja nicht einmal begriffen, was Jesus mit dem Gleichnis sagen will.

Menschen gehen nicht "verloren" wie ein Gegenstand, sie wenden sich ab, und Jesus bemüht sich um sie.

Du wirst es beim Jüngstem Gericht lernen zu verstehen, doch dann ist es zu spät.

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Nofear20 
Fragesteller
 22.02.2024, 07:47
Dein komplettes soziales Umfeld bricht weg..

Genau das ist das Problem und wohl auch Teil der Strategie der Zeugen Jehovas.

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