Theodizee im Islam?

5 Antworten

Gläubige Menschen und Muslime gehen ja davon aus dass der Sinn des Lebens als eine Art Prüfung zu verstehen ist. Wer mit diesen Prüfungen erfolgreich umgeht, der gelangt mit der Barmherzigkeit Gottes ins Paradies. Ginge man vom Gegenteil aus, einer Welt ohne Leid in der alle glücklich sind und alle im Wohlstand leben, würde die Sinnhaftigkeit vom Leben, von Hölle und Paradies verloren gehen.

Die Frage: aber warum müssen Kinder leiden und sterben, beantworten sie damit, dass, so grausam es ist, es eine kurze temporäre Dauer von Leid ist, mit der sie dann auf Ewigkeit im Paradies verweilen. Der Arme wird mit der Armut geprüft (bleibt er beständig im Glauben, bleibt er geduldig und vertraut auf Gott), der Reiche mit seinem Wohlstand (gibt er davon etwas ab, ist er dankbar) usw.

Das hörte ich mal in einem islamischen Vortrag.

Also schwer ist die Frage gar nicht. Nicht im Islam. Nicht, wenn man die Haupteigenschaften Gottes versteht und sein Handeln. Das kann man, wenn man den Koran sorgsam liest. Da wird schon ein Teil der Frage beantwortet.

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Also erstmal sagt Gott selbst im Koran:

Wenn Gott die Menschen gleich für ihre Ungerechtigkeit bestrafen würde, hätte Er auf der Erde kein Lebewesen übrig gelassen. Doch Er gewährt ihnen Aufschub bis zu einem bestimmten Zeitpunkt. Kommt das festgesetzte Ende, kann niemand es weder vorverlegen noch aufschieben. (16:61)

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Gott gab uns einen freien Willen. Bedingungslos. Gott ist vollkommen gerecht. Würde er nun ständig in das Leid eingreifen, wäre es kein freier Wille und Gott wäre nicht gerecht, da er etwas beschneiden würde, was er vorher zugesichert hat. Gott liebt auch das Übel nicht, aber er hat es erlaubt des freien Willen wegen. Und obendrein wird es eine Abrechnung geben.

Desweiteren ist das Leben auf der Erde ist eine Prüfung. Der gerechte Prüfer greift während des Prüfungsgeschehens nie in die Prüfung ein.

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Wenn du noch tiefer hineingehen magst:

Wir finden Krankheit, Alter und Tod. Wir sehen Dinge, die hässlich sind, Menschen, die verrückt und töricht sind. Es gibt Stürme, Erdbeben, Überschwemmungen, Zugluft und Hungersnöte. Wir sehen auch, dass Menschen Sünden begehen, Illoyalität, Untreue, Gier und Unaufrichtigkeit zeigen. Wir sehen, dass Menschen Vergewaltigungen, Morde begehen; Sie kämpfen und machen Kriege. Wir kennen all diese und viele weitere Probleme. Es gibt Übel, die von Menschen verursacht werden, und es gibt Naturkatastrophen. Es gibt Leiden für Einzelpersonen und es gibt solche, die eine große Anzahl von Menschen betreffen.

Aber wir wissen auch, dass dies nicht die ganze Geschichte ist. Neben all diesen negativen Dingen sehen wir auch Schönheit, Gesundheit, Wohlstand, Leben, Geburt, Weisheit, Intelligenz, Wachstum und Fortschritt. Wir sehen auch Güte unter den Menschen, Glaube, Aufrichtigkeit, Nächstenliebe, Liebe und den Geist des Opfers. Wir sehen auch viel Tugend und Frömmigkeit. Es ist falsch, eine Seite der Medaille zu sehen und nicht die andere Seite zu sehen. Jede Philosophie, die sich auf einen Aspekt der Schöpfung konzentriert und die andere Seite leugnet oder ignoriert, ist teilweise wahr und Teilwahrheiten sind überhaupt keine Wahrheit.

Es ist auch die Tatsache, dass das Element des Guten mehr in der Schöpfung ist als das Element des Bösen. Wir alle sehen, dass es mehr Menschen gibt, die gesund sind als diejenigen, die krank sind. Es gibt mehr, die besser essen als diejenigen, die verhungern.

Es gibt mehr, die ein menschenwürdiges Leben führen, als diejenigen, die Verbrechen begehen. Die Güte ist die Regel und das Böse ist die Ausnahme. Tugend ist die Norm und Sünde ist die Aberration. Im Allgemeinen tragen Bäume Früchte, die Blumen blühen, die Winde bewegen sich sanft.

1. Erstens hat Gott diese Welt nicht zu einer dauerhaften Welt gemacht. Dies ist eine temporäre Welt und alles hier hat eine zeitliche Begrenzung. Wenn seine Zeit kommt, wird es sterben, zu Ende gehen und enden. Weder die guten Dinge dieser Welt sind für immer, noch die schlechten Dinge ewig. Wir sind hier für eine kurze Zeit und wir werden getestet. Diejenigen, die diesen Test bestehen werden, werden eine ewige Welt finden, die vollkommen und dauerhaft ist. Diejenigen, die diesen Test nicht bestehen werden, werden die bösen Konsequenzen ihrer Sünden und Korruption sehen.

2. Gott hat ein physisches Gesetz und ein moralisches Gesetz in dieses Universum gestellt. Gott lässt Leiden zu, wenn eines oder mehrere dieser Gesetze gebrochen werden. Das physikalische Gesetz basiert auf Ursache und Wirkung. Krankheit entsteht, wenn man sich nicht um seine Gesundheit kümmert oder Infektionen ausgesetzt ist. Ein Autounfall ereignet sich, wenn man nicht wachsam ist oder unachtsam fährt, oder wenn die Autos nicht kontrolliert werden, Straßen und Autobahnen nicht gebaut und in der richtigen Form gehalten werden oder die Verkehrsregeln nicht richtig oder nicht richtig durchgesetzt werden. Die Untersuchung von Ursachen und Auswirkungen ist sehr wichtig, um Schutzmaßnahmen zu erleichtern. Auch hier sollten wir uns bewusst sein, dass Gott uns oft rettet und uns nicht an jeder Nachlässigkeit leiden lässt. Wie oft es passiert, dass wir nicht aufpassen und trotzdem sicher an unser Ziel gelangen. Die Art, wie Menschen in einigen Städten fahren, ist ein Wunder, dass mehr Unfälle nicht passieren und mehr Menschen nicht leiden.

3. Leiden kann auch für manche Menschen ein Test und eine Prüfung sein. Gott lässt einige Menschen leiden, um ihre Geduld und Standhaftigkeit zu prüfen. Selbst Gottes Propheten und Gesandte mussten leiden. Manchmal leiden gute Menschen, aber ihre Leiden heilen andere und bringen Güte in ihre Gemeinden. Menschen lernen aus ihren guten Beispielen. Märtyrer sterben für ihren Glauben, Soldaten geben ihr Leben für ihre Nationen und das bringt Befreiung und Freiheit für ihr Volk.

4. Gott lässt manchmal zu, dass manche Menschen leiden, um andere zu testen, wie sie auf sie reagieren. Wenn du eine Person siehst, die krank, arm und bedürftig ist, dann wirst du von Gott geprüft. Gott ist mit dieser leidenden Person da, um deine Nächstenliebe und deinen Glauben zu prüfen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Autodidakt Islam seit 2010 und Online-Studiengang Tauhid
Termobar  22.09.2021, 13:31

Gott gab uns einen freien Willen.

Also kann man ausfreien Stücken, ohne die nötige Rechtleitung, einfach mal glauben?

Gott ist vollkommen gerecht.

Im Koran steht nur auch das Allah mit Absicht Menschen für die Hölle erschafft, wo ist da die Gerechtigkeit?

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filmfan69 
Fragesteller
 24.09.2021, 14:04

Danke für diese sehr ausführliche Antwort, die ich in vielerlei Hinsicht sehr interessant finde, als Blickwinkel aus der islamischen Welt. (Ich denke, dass es da wahrscheinlich auch verschiedene Blickwinkel gibt). Einmal finde ich daran stark den starken Fokus auf menschliche Autonomie und Verantwortung für ein funktionierendes Gemeinwesen. Dann ist da das, was du "testen" nennst. Ich würde glaube ich weniger von Testen sprechen, sondern eher von Bewährung und Bewältigung. Wir haben Aufgaben im Leben und es zeigt sich, wie wir ins darin bewähren und wie wir sie bewältigen.

Gewisse Mühe macht mir das Begriffspaar gut und böse. Es gibt sicherlich Dinge, die Leuten sofort als abgrundtief schlimm und böse erscheinen und andere, wovon wahrscheinlich die meisten begeistert sind und sie gut finden. Dann aber gibt es auch sehr viele Grautöne, Dinge, Handlungen, bei denen man nicht so klar sagen kann, ob sie gut oder schlecht sind. Es gibt Menschen, die in einem Bereich ihres Lebens tolle Sachen machen, und im anderen Bereich ziemlich schlimmes. Und es gibt Handlungen, die haben gute und schlechte Aspekte gleichzeitig.

Du schreibst davon, dass mehr Leute ausreichend zu essen haben als dass Leute hungern. Ja, das stimmt - heutzutage. Das war aber nicht immer so. In den 1960er Jahren hungerten zwei Drittel der Menschheit und ein Drittel hungerte. Dass das Böse die Ausnahme ist, gilt dementsprechend dann nur in bestimmten historischen Zeiten.

Was mich noch mal interessieren würde, wäre - besonders im Hinblick auf seelsorgliche Gespräche, das Thema Tragik. Jemandem, der gerade furchtbar leidet, oder jemand, die sich furchtbar abmüht und der nichts gelingt, wird ja sicher kein Imam/keine Imamin, keine Schwester, kein Bruder im Glauben einfach nur sagen: Du, alles nicht so schlimm, irgendwann bekommst du den Ausgleich. Selbst, wenn das dem Glauben entsprechen sollte, so eine Aussage ist ja nicht nah dran am Leidenden, für den oder die steht ja gerade das Leiden im Vordergrund. Was für Sprachformen nutzt ihr da für den Trost?

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Nach meiner Kenntnis geht man im Islam davon aus, dass alles von Gott vorherbestimmt ist. Beispiel: Wenn jemand reich ist, so ist das der Wille Gottes, sogar ggf. eine Belohnung für das gute Leben des Menschen. Und ist jemand arm, so ist auch das der Wille Gottes. Prädestination eben.

miamia99  22.09.2021, 10:52

Die Theodizee Frage ist das warum Gott es zulässt (die Prädestination zum Leiden)

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Nordlicht979  22.09.2021, 10:53
@miamia99

Und die Antwort auf dieses Warum ist eben - n.m.K. - "weil Allah es so will".

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filmfan69 
Fragesteller
 22.09.2021, 10:56

Danke für deine Auskunft, aber bist du sicher? Ich bin da leider nicht so sehr firm, aber ich meine, so eine starke Fokussierung auf die Prädestination, wie zum Beispiel im Calvinismus, gäbe es nicht. Fällt dir was zu Thema Islam und Theodizee ein.

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Der Ausgleich erfolgt im Jenseits, für alles. Warum könnt Ihr das nicht glauben?

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ich bin Gott los, gottseidank.
filmfan69 
Fragesteller
 22.09.2021, 11:17

wer kann was nicht glauben?

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filmfan69 
Fragesteller
 22.09.2021, 11:23
@joerosac

du fragtest: "warum könnt ihr das nicht glauben?" Ich habe die Frage nicht verstanden, daher frage ich nach. Wen meinst du mit "ihr" und was genau meinst du mit "das"?

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joerosac  22.09.2021, 11:25
@filmfan69

Wenn Du das nicht verstehst dann kann ich Dir auch nicht helfen.

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mulan2255  22.09.2021, 12:41
@joerosac

Warum so unhöflich? Du sagst was, einer bittet um Aufklärung, wie das konkret gemeint ist, weil es interpretierbar ist, und du reagierst so? … Steht unterhalb nicht „Schreibe respektvoll und hilf Deinen Mitlesern weiter.“?

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joerosac  22.09.2021, 13:00
@mulan2255

Weil ich jemanden selbst verarschen kann und ich so etwas nicht brauche.

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filmfan69 
Fragesteller
 22.09.2021, 23:29
@mulan2255

Tja, gute Frage. Manche Leute habens nicht mit Höflichkeit. Und die Antwort auf meine Frage ist er mir noch immer schuldig. Er fragt: Warum könnt ihr das nicht glauben? Und er ist einfach nicht bereit, zu sagen, was er damit meint, bzw. wer seiner Meinung nach etwas nicht glaubt. Ich habe ja gar nichts davon geschrieben, dass ich oder sonst wer etwas nicht glaubt. Anscheinend genießt er es, mit seiner Frage eine Nebelkerze gezündet und die Aura des unverständlichen erzeugt zu haben. Was soll man dazu noch sagen?

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mulan2255  23.09.2021, 07:20
@filmfan69

Genauso sehe ich das auch. Er rotzt was raus und sagt dann, sich hinter einem imaginären Wir versteckend, dass der andere es aufwischen soll. Widerspruch wird von ihm weder sachlich beantwortet noch als solcher behandelt. Es mutet eher an, als sähe er sich angegriffen. Und gefangen in diesem Netz unhöflicher, arroganter Ahnungslosigkeit setzt er seine Irrfahrt fort und meint, nur mit solchem Verhalten zwischen Dreistigkeit und Selbstherrlichkeit weiter zu kommen als Odysseus, der Jahre brauchte, um nach Hause zu finden. Er hat vielleicht vergessen, sich festbinden zu lassen, wenn die Sirenen singen. Und sie singen wohl noch immer.

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Vielleicht sollte man sich bei diesem Thema an die Naturwissenschaften halten. Dann hat man seine Antworten.

miamia99  22.09.2021, 10:50

Was ist die Antwort der Naturwissenschaften? Dass wir sinnlos und wertlos sind und es letztendlich unbedeutsam ist, dass Leute leiden?

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Krieg82  22.09.2021, 11:00
@miamia99

Naja ein Gott der sich ein Scheiß interessiert ist auch nicht besser.

In Naturwissenschaften geht es ja auch nicht um unser Empfinden.

Und nein die Antwort wäre Gott existiert nicht und die Menschen die an ihn glauben verarschen sich selbst ihr Leben lang.

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filmfan69 
Fragesteller
 22.09.2021, 10:53

Ich bin ein sehr von Naturwissenschaften faszinierter Mensch, zum Beispiel stark interessiert an Fragen der Astrophysik oder auch der Klimawissenschaften. Aber ich suche in der Regel keine Antworten auf meine Frage bei den Wissenschaften, die zu den konkreten Fragen nicht auskunftsfähig sind. Wie du meiner Frage sehr deutlich entnehmen kannst, sind es theologische bzw. glaubensbasierte Antworten, die ich erbitte.

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ThadMiller  22.09.2021, 23:05
@filmfan69

Ich finde die Tatsache, das es für vieles schlicht keine Grund braucht, eine gute Erklärung.
Erst wenn man einen Gott ins Spiel bringt, entstehen diese gedanklichen Probleme oder Wiedersprüche.

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filmfan69 
Fragesteller
 22.09.2021, 23:23
@ThadMiller

Das ist dir unbenommen, das zu finden. Danach habe ich aber nicht gefragt. Gefragt habe ich nach Zugängen zur Theoidizeefrage in der islamischen Theologie und ob diese ähnlich oder vielleicht stark unterschiedlich sind, als welche der christlichen Theologie. Ich kann nicht sehen, was dein Beitrag zur Aufklärung dieser Frage beiträgt.

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ThadMiller  23.09.2021, 10:44
@filmfan69

Stimmt, wenn jemand nach Magie fragt und man realistisch antwortet, bekommt dieser keine Antwort auf Magie. Helfen kann es aber trotzdem Schlüsse zu ziehen und die eigene Frage in einem anderen Licht zu sehen. Wenn das in deinem Fall nicht so ist, tut es mir Leid. Aber du hast ja viele Antworten bekommen die vielleicht besser helfen.

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filmfan69 
Fragesteller
 24.09.2021, 15:21
@ThadMiller
wenn jemand nach Magie fragt und man realistisch antwortet, bekommt dieser keine Antwort auf Magie. Helfen kann es aber trotzdem Schlüsse zu ziehen und die eigene Frage in einem anderen Licht zu sehen.

Das stimmt natürlich.

Wenn jemand hingegen, wie in dieser Unterhaltung der Fall, zu einem Thema christlicher Theologie muslimische Perspektiven zum Vergleich erbittet und dann als Antwort bekommt, er solle sich - bei einem Thema, zu dem Naturwissenschaften keine Aussagen machen - an die Naturwissenschaft halten, dann hat man eine ganz andere Situation. Ich finde das einfach nur schräg.

Das ist für mich so, als würde folgendes passieren: ein Mitarbeiter der Berliner Philharmonie spricht mit einem Mitarbeiter der Hamburger Philharmonie und sagt: "Zeig mir doch mal ein paar eurer Programmhefte. Vielleicht können wir noch was davon lernen, ich will, dass unsere Besucher sich mit unseren Heften wohlfühlen und sie schön finden und ich will mal gucken, wie andere das mit den Programmheften machen." Und dann kommt jemand ungefragt in dieses Gespräch und sagt: "Druckt einfach das Programm des Abends ganz ohne drumherum auf DIN-A-6-Zettel, die ihr dann an die Konzertbesucher*innen austeilt. Dann habt ihr die Lösung."

Klar, kann man alles machen. Das Recht zur freien Rede gibt es. Aber ernst nimmt man damit die beiden anderen und deren Thema nicht.

Bei gf werden in jeder Stunde unzählige Fragen gestellt. Bei sehr, sehr vielen davon halte ich es mit Wittgenstein: "Worüber man nicht reden kann, darüber soll man schweigen".

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