Sprachwandel, verkümmert die Deutsche Sprache?

4 Antworten

Na, das sieht nach Hausaufgabe auf.

Bislang ist nicht festzustellen, dass die deutsche Sprache verkümmert. Es kommen zwar Kurzdeutschsätze vor, wie "Er runzelte nur" für "Er runzelte nur die Stirn", oder "Er kümmert sich" anstatt "Er kümmert sich darum", aber das kann man noch unter Sprachökonomie laufen lassen.

"Fahren Sie Bahnhof?" ältere deutsche Dame zum Busfahrer, darauf der: "Nein, ich fahre Bogenweg". (Habe ich selbst gehört.)

Das sieht schon eher nach "Verkümmern" aus (Weglassen von Präpositionen).

Weitere bekannte Beispiele: "Waren Sie die Pommes?" - "Nein, ich war die Bratwurst." (ungewöhnliche Metonymien, "Namensübertragungen").

Krankenhaus: "Sind Sie der Herzinfarkt?" (Metonymie) - "Nein, ich habe Rücken." (Kurzdeutsch für: "Ich habe es im Rücken.")

Solange man aber über diese Beispiele lacht und diese nicht im Schriftdeutschen verwendet werden, ist die Deutsche Sprache noch nicht unzulässig vereinfacht.

abican123 
Fragesteller
 15.05.2018, 22:23

Die Frage habe ich mir im Zuge meiner mündlichen Abiturprüfung gestellt. Meiner Meinung nach hört sich das nach einer typischen Frage an, welche ich morgen evtl. gestellt bekommen könnte. Danke für's Antworten.

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RudolfFischer  15.05.2018, 22:45
@abican123

Gut, dann noch ein Tipp. Dass Deutsch verkümmert, will auch keiner hören. Wer das sagt, wird gleich in die rechte Ecke gestellt, oder es wird ihm gesagt, das man das schon immer von allen Sprachen behauptet hat. Also lieber brav sagen, dass Deutsch nicht verkümmert, bzw. es problematisieren. Das kommt immer gut an ;-) Also:

Das Problem ist, was man "verkümmern" nennen will. Wenn der Schwund von Deklinationsendungen reicht, dann verkümmert Deutsch graduell doch, denn das Genitiv-S verschwindet zurzeit. Besoders bei Substantiven, die schon auf "s" enden. Man liest also

*"Die Einladung des Künstlerhaus kam gestern."

Ferner schwinden Akkusativ- und Dativformen bei bestimmten Substantiven, z.B. auf "-ent", "-ant", -end", -and":

*"Ich habe den Student nicht gesehen".

*"Ich war gestern beim Präsident."

*"Der Professor akzeptierte ihn als Doktorand"

Viel Erfolg!

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abican123 
Fragesteller
 15.05.2018, 22:48
@RudolfFischer

Vielen Dank, über den Sprachwandel als solchen hatte ich ebenfalls nachgedacht. In der heutigen Jugend wird ja immer häufiger der Genitiv missachtet, Präpositionen werden weggelassen und Anglizismen werden in die deutsche Sprache mit eingebaut. Ich werde einfach mein bestes geben und hoffen, dass ich in der ersten Aufgabe einfach kein Gedicht vorgelegt bekomme.

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Eine Sprache lebt davon, dass sie benutzt wird. Sonst ergeht es ihr wie dem Latein oder dem Plattdeutsch. Dazu gehört, dass sie den Zeitströmungen ausgesetzt wird. Dies Impulse kommen immer mal wieder aus einem anderen Land. Es gab Zeiten, da war es chic, alles mit französichen Begriffen zu beschreiben. "Fenster" z. B. stammt ursprünglich aus dem Lateinischen, als die Römer hier so was in Mode brachten.

Deutschland liegt in der Mitte Europas. Über unsere Autobahnen fahren viele Nationalitäten. Das hinterläßt Spuren.

Meistens behaupten die, die mit der aktuellen Strömung nicht klar kommen, dass die deutsche Sprache verkümmert. Sie kommen bei dem Tempo nicht mit. Statt sich zu bemühen und mitzuhalten, versuchen sie zu kritisieren: Die Deutsche Sprache verkümmert. (Wenn man nicht Schwimmen kann liegt es an der Badehose.)

So passiert dann beides: Wortschöpfungen und das Aussterben von Begriffen.

Es werden Wörter eingeenglischt (Dinglisch) was oft völlig daneben ist und am Ziel verbeiführt. Da werden englische Begriffe in Kette benutzt um hip zu erscheinen oder es kommt zu Wortschöpfungen wie: Handy für Cellphone, Bodybag (Leichensack) für Handtasche,...

Gleichzeigt sterben Wörter aus, weil an ihnen kein Bedarf mehr besteht: Kinderautoren wir Erichkästner werden für Kinder eine Herausforderung mit Schutzmännern (Polizisten) oder Sommerfrische (Sommerurlaub).

Die Zeit der Kurznachrichten schränkt auch die Wortwahl ein. Alles im SMS-Stil. Kinder die nur "Fanta" bestellen, statt im ganzen Satz.

Es gibt weder ein Für noch ein Wider. Sprache lebt; wie ein Organismus ist sie ständigem Wechsel unterworfen und passt sich den jeweiligen gesellschaftlichen Bedingungen an. In einer globalisierten Welt vermischt sie sich auch mit Sprachen, deren Länder früher kaum erreichbar waren.

Dagegen gibt es Menschen, die sich bemühen, ältere Sprachformen zu erhalten, einen besonders guten Stil zu pflegen und bildhaft und zielgruppengerecht zu formulieren.

Und so wie es in einer Gesellschaft, fortschrittliche Kräfte geben muss, die für Veränderung sorgen, muss es auch traditionelle Kräfte geben, die verhindern, dass sich der Fortschritt zu hastig und unkontrolliert vollzieht. Zwei Zügel sozusagen.

Das ist die Situation, und wir sollten weder anstreben, dass die Sprache sich allzuschnell modernisiert noch, dass sie stur auf überholten Formen beharrt.

Die Zügel ausgewogen zu bedienen, ist das Geheimnis.

Leider wohl schon - wegen Allgemeinem Bildungsmangel und weil viele junge Leute kaum Wert darauf legen.