Meinung des Tages: Sollte der Anspruch auf Pflichtverteidigung ausgeweitet werden?

14 Antworten

Ja.

Im Prinzip wäre der Grundgedanke tragbar, dass Bagatellstrafen hingenommen werden könnten, auch wenn ein ordentlicher Verteidiger sie verhindert hätte.

Jedoch besteht das System ja nicht aus einem Anspruch auf Verteidigung bei hoher Strafe, sondern bei angeblich vorhersehbarer hoher Strafe.

Was auch systemlogisch nicht anders geht. Denn ein fairer Richter, der die Strafe nicht schon vor Anhörung aller Seiten festsetzt, weiss das Strafmass, das es geben wird, ja auch nicht vorab schon.

Das wird von Richtern immer wieder gern genutzt, um für den Staat zu sparen. Wenn das Urteil nachher höher ausfällt als angeblich vorher zu erwarten war, und vorab wegen der angeblich niedrigen zu erwartenden Strafe keine Verteidigung bewilligt worden war, ist aber im Nachhinein eine Ungerechtigkeit entstanden.

Nun geht man aber davon aus, dass die Richter ihre Strafen nicht schon von vornherein wissen, sondern sie erst im Verfahren bilden.

Und dann gibt es leider keinen anderen Weg, Gerechtigkeit herzustellen, als jedem von vornherein einen Verteidiger zuzubilligen.

Unsere Frage an Euch: Findet ihr, dass die Pflichtverteidigung ausgeweitet werden sollte, sodass im Bestfall bei jedem Verfahren ein Anspruch auf einen Pflichtverteidiger besteht?

Sehe ich eher keinen Sinn drin .......

Alles eher ein "Trugschluss", denn auch um einen Pflichtverteidiger beigeordnet zu erhalten müsste dann "das arme Mütterlein" letztendlich ihre Armut offenbaren, bevor ein solcher auf Steuerzahlerkosten finanziert wird. Tut sie es auch dann nicht - gehen zusätzlich noch die Anwaltskosten zu ihren Lasten.

Warum fordert das Gericht nicht im Rahmen solcher Strafverfahren die Vorlage eines Rentenbescheides oder den Nachweis, dass Person X Grundsicherung bezieht..... oder grundsätzlich einen Einkommensnachweis.

Journalist Ronen Steinke, der für das Buch "Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich" mit vielen Angeklagten und Richtern gesprochen hat........

Dieses im seitens des CM erwähnten Link genannte Buch kann man absolut empfehlen.


MKey66  24.09.2024, 01:08

Die Pflichtverteidigung hat nichts mit dem Einkommen zu tun.

Niemand muss irgendwelche Finanzen offen legen bei einer Pflichtverteidigung.

Selbst wenn ein Millionär angeklagt wäre, und vorausgesetzt es geht um eine Straftat bei der eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr oder mehr zu erwarten ist, steht dem Millionär ein Pflichtverteidger zu.

Das hat wie gesagt, mit dem Einkommen nichts zu tun und das zahlt auch nicht der Steuerzahler.

Verwechsel Pflichtverteidigung nicht mit Prozesskostenhilfe in einem Zivilprozess.

Das sind zwei unterschiedliche Dinge.

Bevor du jett was missverstehst:

In meinem genannten Beispiel mit dem Millionär und seiner Pflichtverteidigung.

Wenn der Millionär unschuldig ist und freig gesprochen, dann muss der Staat die Anwaltskosten tragen. Zu Recht, denn warum sollte man dies zahlen müssen, wenn man für "Unschuldig" erklärt worden ist?!

Aber wird dieser verurteilt, so wird er in der Regel zu der Strafe noch die entstandenen Gerichtskosten zahlen müssen. Und damit auch die Kosten des Anwalts (des Pflichtverteidigers) zahlen müssen.

Eigentlich beteilige ich mich nicht an dieser Reihe, aber da ich heute Zeit habe und mich das Thema beruflich bedingt interessiert, habe ich mich sowieso damit beschäftigt ... und auf mich wirkt Buschmanns Erklärung nicht schlüssig. Auf mich wirkt das eher so, als wolle der Staat die teuren Gelder für Haftplätze einsparen und traue sich nicht, dazu zu stehen - das ist die typische Schönrednerei deutscher Politiker. Und so ewig lang sind diese Ersatzfreiheitsstrafen für geringfügige Delikte in der Regel nicht, als dass man sich etwa über Unmenschlichkeit beklagen müsste - es handelt sich dabei um Tages- oder Monatsaufenthalte, die teilweise sogar noch durch gemeinnützige Arbeitsstunden bewendet werden können.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Destranix  07.06.2023, 19:57
Auf mich wirkt das eher so, als wolle der Staat die teuren Gelder für Haftplätze einsparen und traue sich nicht, dazu zu stehen

Ist in dem Fall ja auch egal, denn sowohl geld-Sparcen ist gut als auch faire prozesse zu gewährleisten.

"die Angeklagten werden zu teils hohen Tagessätzen verurteilt."

Überdenke mal deinen Satz nochmals. Was schreibst du hier für einen Bullshit. Der Tagessatz hängt vom Verdienst ab. Wenn man zu einem hohen Tagessatz verurteilt wird, muss man Millionen im Jahr verdienen, sonst geht da nix.

Also widersprichst du dich selbst. Einmal sagst du, dass die kein Geld haben und einmal dass sie einen hohen Tagessatz bekommen. Das passt etwas nicht zusammen.

Letztendlich ist die Frage nach der Ausweitung des Anspruchs auf Pflichtverteidigung eine politische und rechtliche Entscheidung, die sorgfältig abgewogen werden muss. Eine angemessene Balance zwischen dem Recht auf angemessene Verteidigung und den finanziellen und organisatorischen Herausforderungen des Justizsystems muss gefunden werden.

Hier meine PRO Argumente:

Gleichheit vor dem Gesetz: Der Zugang zu einem angemessenen Rechtsbeistand sollte unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten einer Person gewährleistet sein. Jeder sollte die Möglichkeit haben, seine Rechte effektiv zu verteidigen und ein faires Verfahren zu erhalten.

Schutz vor ungleichen Ressourcen: In Strafverfahren kann es zu einer erheblichen Ungleichheit zwischen der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung kommen. Wenn nur vermögende Personen sich einen Anwalt leisten können, besteht die Gefahr, dass Personen mit geringerem Einkommen benachteiligt werden und keinen angemessenen Rechtsbeistand erhalten.

Vermeidung von Fehlurteilen: Eine qualifizierte Verteidigung ist entscheidend, um Fehlurteile zu verhindern. Ein Pflichtverteidiger kann dazu beitragen, dass Beweise gründlich geprüft werden, unrechtmäßig erlangte Beweise ausgeschlossen werden und die Rechte des Angeklagten gewahrt bleiben.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung