Meinung des Tages: Sollte der Anspruch auf Pflichtverteidigung ausgeweitet werden?
Immer wieder gibt es Angeklagte, die sich keinen Anwalt leisten können und unter anderem deshalb mit Gefängnisstrafen rechnen müssen.
Es ist keine Seltenheit, dass Angeklagte aus finanziellen Gründen auf anwaltlichen Beistand verzichten müssen und entsprechend auch häufig nicht in der Lage sind, auferlegte Geldstrafen zu begleichen. In solchen Fällen droht die Ersatzfreiheitsstrafe.
Auch besteht zuweilen nicht immer der Anspruch auf einen Pflichtverteidiger. Dieser besteht teils nur, wenn mit Strafen von mehr als einem Jahr Gefängnis gerechnet wird oder der Angeklagte etwaige Einschränkungen hat.
Armut ist in diesen Fällen der springende Punkt, denn viele der Angeklagten verschweigen ihre Armut aus Scham, etwa bei Fällen von Lebensmitteldiebstahl durch Rentner. Hier beginnt dann der Teufelskreis: Die Armut wird verschwiegen, es steht kein Anwalt bereit, der durch Argumentation und Verteidigung eine mildere Strafe bewirken könnte und die Angeklagten werden zu teils hohen Tagessätzen verurteilt, die sie sich nicht leisten können, da die tatsächliche finanzielle Lage aus Scham nicht offengelegt wurde.
Inzwischen gibt es immer mehr Urteile ohne eine Verteidigung und ohne Verhandlung. Zugestellt werden diese Stafbefehle dann per Post. Sofern rechtzeitig auf anwaltliche Hilfe zurückgegriffen und Widerspruch eingelegt wird, werden diese Strafbefehle häufig korrigiert. Doch eben das können sich viele nicht leisten – und sobald die Zahlungsfrist überschritten ist, wird die Geld- in eine Ersatzfreiheitsstrafe umgewandelt.
Doch auch hier gilt zu bedenken: Auch Haftplätze kosten Geld. Je nach Bundesland kostet ein Haftplatz bis zu 175 Euro pro Tag. Werden alle Ersatzfreiheitsstrafen summiert, so kosten diese die Steuerzahlenden jährlich 200 Millionen Euro.
Marco Buschmann spricht sich aufgrund dieser Situation dafür aus, dass die Pflichtverteidigung ausgeweitet werden soll.Unsere Frage an Euch: Findet ihr, dass die Pflichtverteidigung ausgeweitet werden sollte, sodass im Bestfall bei jedem Verfahren ein Anspruch auf einen Pflichtverteidiger besteht?
Quelle: https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/justiz-gerechtigkeit-100.html
15 Antworten
Ja.
Im Prinzip wäre der Grundgedanke tragbar, dass Bagatellstrafen hingenommen werden könnten, auch wenn ein ordentlicher Verteidiger sie verhindert hätte.
Jedoch besteht das System ja nicht aus einem Anspruch auf Verteidigung bei hoher Strafe, sondern bei angeblich vorhersehbarer hoher Strafe.
Was auch systemlogisch nicht anders geht. Denn ein fairer Richter, der die Strafe nicht schon vor Anhörung aller Seiten festsetzt, weiss das Strafmass, das es geben wird, ja auch nicht vorab schon.
Das wird von Richtern immer wieder gern genutzt, um für den Staat zu sparen. Wenn das Urteil nachher höher ausfällt als angeblich vorher zu erwarten war, und vorab wegen der angeblich niedrigen zu erwartenden Strafe keine Verteidigung bewilligt worden war, ist aber im Nachhinein eine Ungerechtigkeit entstanden.
Nun geht man aber davon aus, dass die Richter ihre Strafen nicht schon von vornherein wissen, sondern sie erst im Verfahren bilden.
Und dann gibt es leider keinen anderen Weg, Gerechtigkeit herzustellen, als jedem von vornherein einen Verteidiger zuzubilligen.
Unsere Frage an Euch: Findet ihr, dass die Pflichtverteidigung ausgeweitet werden sollte, sodass im Bestfall bei jedem Verfahren ein Anspruch auf einen Pflichtverteidiger besteht?
Sehe ich eher keinen Sinn drin .......
Alles eher ein "Trugschluss", denn auch um einen Pflichtverteidiger beigeordnet zu erhalten müsste dann "das arme Mütterlein" letztendlich ihre Armut offenbaren, bevor ein solcher auf Steuerzahlerkosten finanziert wird. Tut sie es auch dann nicht - gehen zusätzlich noch die Anwaltskosten zu ihren Lasten.
Warum fordert das Gericht nicht im Rahmen solcher Strafverfahren die Vorlage eines Rentenbescheides oder den Nachweis, dass Person X Grundsicherung bezieht..... oder grundsätzlich einen Einkommensnachweis.
Journalist Ronen Steinke, der für das Buch "Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich" mit vielen Angeklagten und Richtern gesprochen hat........
Dieses im seitens des CM erwähnten Link genannte Buch kann man absolut empfehlen.
Eigentlich beteilige ich mich nicht an dieser Reihe, aber da ich heute Zeit habe und mich das Thema beruflich bedingt interessiert, habe ich mich sowieso damit beschäftigt ... und auf mich wirkt Buschmanns Erklärung nicht schlüssig. Auf mich wirkt das eher so, als wolle der Staat die teuren Gelder für Haftplätze einsparen und traue sich nicht, dazu zu stehen - das ist die typische Schönrednerei deutscher Politiker. Und so ewig lang sind diese Ersatzfreiheitsstrafen für geringfügige Delikte in der Regel nicht, als dass man sich etwa über Unmenschlichkeit beklagen müsste - es handelt sich dabei um Tages- oder Monatsaufenthalte, die teilweise sogar noch durch gemeinnützige Arbeitsstunden bewendet werden können.
Auf mich wirkt das eher so, als wolle der Staat die teuren Gelder für Haftplätze einsparen und traue sich nicht, dazu zu stehen
Ist in dem Fall ja auch egal, denn sowohl geld-Sparcen ist gut als auch faire prozesse zu gewährleisten.
"die Angeklagten werden zu teils hohen Tagessätzen verurteilt."
Überdenke mal deinen Satz nochmals. Was schreibst du hier für einen Bullshit. Der Tagessatz hängt vom Verdienst ab. Wenn man zu einem hohen Tagessatz verurteilt wird, muss man Millionen im Jahr verdienen, sonst geht da nix.
Also widersprichst du dich selbst. Einmal sagst du, dass die kein Geld haben und einmal dass sie einen hohen Tagessatz bekommen. Das passt etwas nicht zusammen.
Nein, denn das sind Steuergelder! Warum sollten Kriminelle auch noch auf unsere Kosten verteidigt werden?