Ist reiten Tierquälerei oder nicht?

12 Antworten

In vielen Fällen eindeutig ja. Und das sage ich nicht nur als Berufsreiter, wo es oft auch um viel Geld geht, sondern einfach als Pferdeliebhaber. Und mitnichten sind es immer nur die (großen) Turnierreiter, die unbestritten teilweise dubiose Trainingsmethoden anwenden, sondern genauso ist es Lieschen Müller von der grünen Wiese, die ohne Sattel/passende Ausrüstung auf dem Pferd juckelt oder sich mit 1,70 auf ein 1,30 Pony meint, setzen zu müssen. Oder Haflinger, Friesen, Isländer, ... die unbedingt gesprungen werden müssen. Oder 3, 4j. - die bereits Reit- /Springpferdeprüfung gehen müssen. Oder, oder... Liste beliebig erweiterbar.

Andererseits werden Pferde großteils nun mal genau zum Reiten gezüchtet und vielen Pferden macht es auch einfach Spaß. Wenn 600 kg keine Lust haben, wird es durchaus unangenehm für 50 oder auch 80 kg Mensch. Und mit einem Pferd, welches nur aus Angst agiert, kommt auch niemand auf Dauer weiter. Zudem muss man die Relation sehen. Ein möglichst artgerecht gehaltenes Pferd im Offen/Aktivstall, in einer Herde in der es sich wohlfühlt, genug Platz zum Spielen, Chillen, Schlafen, Fressen..., hat round about 20 h ohne Mensch. Wenn da dann also 2 - 3h /Tag der Mensch kommt und sich damit beschäftigt, im Durchschnitt etwa 1 - 2 h reitet, dann ist das in meinen Augen ok. Mein mittlerweile leider verstorbener Oldie war gerade zu empört, als er in Rente geschickt und nicht mehr geritten wurde. Der Plan war, einfach nur Weide und ein bisschen betüddeln, spazieren, vllt etwas Bodenarbeit. Pustekuchen - der hat sogar nicht mehr ordentlich gefressen. Erst, als wieder unter dem Sattel war - natürlich immer seiner jeweiligen Verfassung angepasst - war er wieder zufrieden.

Meine Pferde werden alle geritten, wenn auch nicht mehr auf Turnier. Dafür aber die von meiner Tochter und auch einige Einstellerpferde. Fast alle sind tiefenentspannt und passiert sogar, dass ich um die Ecke komme, alle sind am Pennen, das Wächterpferd sieht mich und lässt sich zufriedend seufzend nieder. Weil jz bin ich ja da zum Aufpassen. Ein größeres Komplement kann man als Mensch ja kaum bekommen - die Herde vertraut dir quasi ihr Leben an. Machen sie nicht, wenn sie nicht absolutes Vertrauen zum Menschen haben. Und absolutes Vertrauen haben sich sicher zu niemandem, der ihnen in ihren Augen Schaden zufügt.

Es gibt da nicht nur schwarz oder weiß sondern auch noch ganz viel dazwischen. Reiten per se als Tierquälerei zu bezeichnen ist genauso falsch, wie davon auszugehen, dass jedes nicht gerittene Pferd ein glückliches und tolles Leben hat.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Pferdewirtschaftsmeisterin
Luchstochter 
Fragesteller
 01.07.2022, 13:56

Danke für die lange und gute Antwort :)

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Salomchen  01.07.2022, 14:08
Mein mittlerweile leider verstorbener Oldie war gerade zu empört, als er in Rente geschickt

Ohha, meiner ist förmlich zum angry Horse mutiert, als der Rest vom Stall zum Turnier gefahren ist und er nicht mit durfte.

Bin tatsächlich am überlegen ob ich nächstes Jahr nicht hier und da mal ein L Springen starte. Das ist für ihn zwar auch keine Herausforderung, aber als gesetzer Herr muss man mit der Höhe auch nicht mehr übertrieben.

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Das kann man per se nicht sagen. Es kommt auf den Einzelfall an. Wenn man ein Pferd in Hyperflexion arbeitet, ist das Tierquälerei. Hat das Tier im Allgemeinen so viel Schaum am Maul, dass dieser überall hin spratzt, ist das Tierquälerei.

Hat man aber eine sanfte Reiterhand, reitet das Pferd, auch im Parcours, in Anlehnung, hat leichten Schaum (Lippenstift) am Maul, ist das keine Tierquälerei.

Es gibt leider sehr viele Negativbeispiele. Ich schaue gerade die Springprüfungen des laufenden CHIO in Aachen. Die Mehrheit reitet das Pferd nicht in Anlehnung, sondern reißt ihm den Kopf hoch, dass es einen Hirschhals haben muss und mit weggedrücktem Rücken zu springen hat. Das ist nicht wirklich gesund, und die Pferde, die so geritten werden, können auch nicht selten nicht das Maul aufsperren und gegen die harte Reiterhand wehren, weil es mit einem Sperrriemen festgezurrt wurde.

Das ist aber nicht das, was Reiten ausmachen sollte, sondern das faire Reiten auf Freundschaftsbasis mit dem Partner Pferd, das auf feine Hilfen reagieren und sich jederzeit mit dem Reiter auf einer Ebene verständigen soll.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Eigenes Pferd

man muss es trennen.

reiten kann tierquälerei sein.

andererseits ist das reiten nur möglich, weil pferde hypersozial sind. ein pferd, dem man den willen aufgezwungen hat, wäre im ersten weltkrieg niemals einfach stehengeblieben, wenn der soldat auf seinem rücken stehend geschossen hat.

pferde sind von natur aus neugierig und an interaktion mit andern arten sehr interessiert. viele pferde freunden sich mit der stallkatze an, mit zwergziegen, mit menschen... warum genau die beiden krähen immer darauf warten, dass wir am abend die ponys auf die weide bringen, kann ich auch nicht sagen. auf halbem weg sitzen sie irgendwo auf dem boden und warten. dann stolzieren sie zur seite und fliegen los. wenn wir auf die weide kommen, sitzen sie am wald in den bäumen und warten. irgendein verhältnis zwischen den krähen und den ponys scheint es zu geben.

defacto sind pferde nur sehr wenig domestiziert. in ungewohnten situationen brechen sehr schnell instinkte wie panik und fluchtverhalten durch der mensch kann aber pferde dazu bringen, vertrauen zu ihm zu haben und situationen auszuhalten, in denen sie sonst das weite suchen würden. das geht auch bei pferden, die ohne menschen aufgewachsen sind.

also reiten kann tierquälerei sein. es kann aber auch das leben eines pferdes enorm bereichern. so wie das auch mit allen andern sachen ausser reiten ist, die man mit pferden machen kann.

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da du in einem tierpark arbeitest, kennst du ja sicher auch die einstellung vieler menschen zu zoos.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Sachgerechter Umgang ist aktiver Tierschutz!

In vielen Fällen ist es sicher Tierquälerei.

Aber wo willst Du anfangen und wo aufhören ? Kein Tier ist dafür geboren worden dass sich jemand draufsetzt und rumtragen lässt.

Aber eigentlich ist ja alles Tierquälerei.

Die eingesperrten Tiere im Zoo

Der Hund an der Leine oder im Zwinger

Die Katze in der Wohnung

Der Hamster im Käfig

usw usw

Diese Tiere sind immer alle unserer "Willkür" ausgesetzt. Wir fragen sie nicht was sie möchten sondern wir zwingen ihnen unseren Willen auf. Ob nun gut gemeint oder nicht.

Der Mensch hat doch alle Tiere bei denen es irgendwie möglich war für seine Zwecke benutzt. Ob nun als Nahrung, als Arbeitstiere oder nur zur "Belustigung".

Ein gut gehaltenes Pferd mit einem Reiter der es kann ist da wohl noch das kleinere Übel.

Es kommt immer darauf an, wie es gemacht wird. Auch Springsport oder Freizeitreiten sind keine Schubladen, in die man Quälerei stecken kann.

Ich denke nichts, dass zum Beispiel die Pferde von Ingrid Klimke ein schlechtes Leben haben. Dagegen ging es dem Pferd, das ich derzeit als Reitbeteiligung habe, so schlecht, dass es fast hätte eingeschläfert werden müßten, nachdem es ein Jahr „Koppel genießen“ durfte. Nun reite ich es regelmäßig, und es ist dadurch gerettet. Denn nicht jedem Pferd tut der Müßiggang gut.

Den Pferden, die du betreust, fehlt dagegen sicher kein Reiter. So ist jeder Einzelfall individuell zu sehen.

Beim Einreiten wird selten „der Wille aufgezwungen“. Wir sind ja nicht im wilden Westen.

Salomchen  01.07.2022, 14:22

Das ist eben oft das Hauptproblem. Viele legen sich das "falsche" zu.

Man sollte sich erstmal überlegen was man selbst möchte. Wer Turniere gehen möchte und dies aktiv betreibt, der ist mit einem "Wald und Wiesenpony" ich hoffe du verstehst was ich meine, gut beraten.

Möchte man hauptsächlich nur ins Gelände und sonst ein paar kleine Runden auf dem Platz drehen, holt man sich am besten keinen herangezüchteten Sportler in den Stall. Den dieser ist mit dem Programm oft Untervordert und wird dann so mal schnell zum Tyrann

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Urlewas  01.07.2022, 18:48
@Salomchen

Ja, dieser Aspekt kommt natürlich hinzu. Beim Pferd, das ich hier meine, kommt zu einem starken Arbeitswillen ein Problem mit der Lunge. Wenn es nicht genug Ausdauertraining macht, gehen die Bronchien zu. Und das kannst du ihm ja nicht erklären. Wenn es auf der Koppel steht, dann steht es da eben, läuft es zu wenig und frisst statt dessen lieber Gras. Dabei geht es ihm schon nach wenigen Wochen ziemlich schlecht.
Wird es wieder regelmäßig geritten, blüht es zusehends auf, und hustet auch nicht mehr so viel.

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