Ist es falsch meinen Adoptivpapa zu lieben?
Hallo!
Ich (weiblich/fast 15) habe 2013 meinen Vater verloren. Damals war ich sechs Jahre alt.
Letztes Jahr im März ist meine Mutter nach einer kurzen, aber schweren Krankheit gestorben.
Seit etwa drei Jahren ist der beste Freund meines toten Vaters sehr präsent in meinem Leben.
In den Jahren davor lebte er 2000 Meilen entfernt und ich sah ihn nur einmal im Jahr.
Als meine Mutter krank wurde, wollte sie, dass er mich nach ihrem Tod zu sich nimmt und mein Vormund wird.
Ich lebe jetzt seit fast 1,5 Jahren bei ihm, weil Mama ein halbes Jahr vor ihrem Tod im Krankenhaus lag.
Seit Mamas Tod ist er die Person, die mich am Leben erhält. Er ist derjenige, der mich in den Arm nimmt, mich tröstet und für mich da ist. Natürlich habe ich auch sehr gute Freunde, zum Beispiel eine wunderbare beste Freundin und einen tollen besten Freund, die mir auch sehr helfen.
Aber er gibt mir Sicherheit, bedingungslose Liebe und Geborgenheit.
Er hat mich Ende letzten Jahres adoptiert und ich sehe ihn zu hundert Prozent als Vater.
Mein Bruder (22) sagt, dass ich damit unsere Eltern verrate und mich schämen sollte. Er mag meinen Adoptivvater nicht, weil er "reich und sarkastisch" ist.
Er sagt, er habe nie Kinder gewollt und hätte nur Mitleid mit mir gehabt. Er sagt immer noch, dass mein Adoptivvater mich nie wie sein eigenes Kind lieben kann, weil ich nicht mit ihm verwandt bin und er nie Kinder wollte und auch keine weiteren will
Mein Bruder trauert sehr, und ich glaube, wir haben unterschiedliche Wege, mit Mamas Tod umzugehen.
Ist es armselig, dass ich meinen Adoptivvater als echten Vater sehe?
Ist es meinen Eltern gegenüber wirklich ungerecht?
PS: Ich muss hinzufügen, dass mein Adoptivvater alles mit mir durchmacht.
Ich habe durch den Tod meiner Mutter eine Angststörung und eine Zwangsstörung entwickelt. Ich war in einer psychiatrischen Klinik für Jugendliche und hatte so viel Heimweh und Verlustängste, dass er eine psychiatrische Klinik fand, in der wir drei Monate lang eine stationäre Familientherapie machten. Ich war also nicht allein.
Er saß nächtelang an meinem Bett, wenn ich Albträume hatte.
ich liebe es mit ihm Zeit zu verbringen, mit ihm abends zusammen Filme zu schauen und wenn er mich dabei in den Arm nimmt. Ich fühle dann die gleiche Wärme und Sicherheit wie bei meiner Mama.
Ich bin unfassbar dankbar ihn zu haben. Mein Bruder sagt, Teenager sollten ihre Eltern nervig und peinlich finden
ist mein Verhältnis zu meinem Adoptivpapa seltsam?
33 Stimmen
13 Antworten
Ich (31 Jahre) bin aufgrund einiger Faktoren, die jetzt zu lang wären zum Erzählen, schon einige Monate vor meinem ersten Geburtstag zu meinem Opa gekommen und dann auch bei meinem Opa aufgewachsen, der die Vaterfigur eingenommen hat und diese auch immer haben wird - er ist schon seit rund zehn Jahren tot, aber er wird für mich immer derjenige bleiben, der mit mir in die Krabbelgruppe ging, mit mir auf dem Spielplatz war, mich durch Kindergarten, Schulzeit, Ausbildung und die ersten Berufsjahre begleitete und dem kein Weg zu weit war, obwohl er zwar vital, aber nicht mehr der Jüngste war (er starb mit fast 90 und war auch zu dem Zeitpunkt noch sehr rege; er starb von einem Tag auf den anderen). Wir haben vieles zusammen gemacht, es gab nie Krach bei uns zuhause, wobei er andererseits auch Eigenarten hatte und manche Dinge bezüglich meiner Mutter nicht ganz so dargestellt hat, wie sie waren - leider kann ich ihn nicht mehr fragen warum, aber ich glaube, er wollte mich einfach vor der Wahrheit schützen, die leider wirklich nicht schön ist und die mich als Kind oder Jugendlichen wahrscheinlich aus der Bahn gehauen hätte.. ich kenne diese ganzen Geschichten von meiner Mutter, die ich erst als Erwachsener kennen lernte, weil mein Opa immer (nicht zu Unrecht) alle Kontakte unterbunden hat, und es wäre mir im Nachhinein manchmal vielleicht lieber, ich hätte sie nicht erfahren.
Ich weiß daher, wie das ist. Mir hat mal eine sehr gute Freundin gesagt, als wir in der neunten Klasse vom Mittagsunterricht heimliefen ... sag mal, dein Opa ist dein Papa, oder? Und ich so: Ach ja, biologisch nicht, aber menschlich schon. Dazu würde ich heute noch stehen. Mein Opa hat sicher nicht alles richtig gemacht und er hatte altershalber eigene Werte verfolgt, die nicht immer mehr passend waren in den 90ern und 2000ern, aber es war gut so wie es war und wenn dir dein Adoptivvater gut tut, ist es doch in Ordnung.
Allerdings ist auch die Situation mit deinem Bruder zu verstehen: Er trauert anders als du und kann es nicht verstehen, wie du "diesen Mann" lieben kannst, der noch offen dazu steht, nur aus Mitleid gehandelt zu haben und vielleicht auch sarkastisch, reich, zu deinem Bruder unangenehm oder ihm nicht sympathisch ist usw., was man rein menschlich nachvollziehen kann. Ich würde es deinem Bruder nicht vorhalten - solche Situationen sind extrem und das haut fast jeden aus der Bahn, egal wie, das bleibt nicht ohne Reaktion und so wie die Menschen verschieden sind, reagieren sie auch verschieden.
Ich habe gerade auch deine zweite Frage beantwortet und bin dann in deinem Profil auf diese Frage gestoßen und die nehme ich nun zum Anlass dir von meinem Vater und meiner Schwester zu erzählen.
Meine Schwester ist gar nicht wirklich meine Schwester sondern sie kam als Pflegekind zu unserer Familie als sie 7 Jahre alt war. Zuvor hatte sie nach dem Tod ihrer leiblichen Mutter bei ihrer Tante und ihrem Onkel gelebt, wo sie aber von ihrem Onkel regelmäßig sexuell missbraucht wurde. Als das rauskam ist sie dann eben zu meinen Eltern gekommen, die ganz früher auch mit ihrer Mutter befreundet waren.
Am Anfang war sie total schüchtern und hat einen kaum angeschaut. Aber meine Eltern haben ihr alle Liebe gegeben die sie brauchte und insbesondere zu meinem Vater hatte sie bald ein ähnlich enges Verhältnis wie du zu deinem Adoptivvater. Bis heute sagt sie, dass sie nie einen wertvolleren Menschen in ihrem Leben hatte als ihn - ausgenommen ihren heutigen Ehemann.
Wenn du so ein gutes Verhältnis zu deinem Adoptivvater hast ist das absolut nichts, was dir peinlich sein sollte. Ganz im Gegenteil. Du kannst stolz darauf sein, denn offensichtlich sieht er in dir eine sehr liebenswerte Person die er gern als Tochter hat und auf die er in gewisser Weise auch gern stolz ist. Dabei macht es keinen Unterschied ob du sein leibliches Kind bist oder nicht. Er kann dich trotzdem ganz genau so lieben als wenn du es wärst.
Und du brauchst auch nicht das Gefühl zu haben, als ob du deine Eltern verraten würdest. Im Gegenteil - sehr wahrscheinlich wären deine Eltern sehr froh, wenn sie wüssten, dass es dir dank seiner Hilfe relativ gut geht und dass du mit ihm jemanden hast der dir die Liebe gibt, die du brauchst und der sich gut um dich kümmert.
Sei also dankbar, dass du ihn hast und lass dich nicht von deinem Bruder runterziehen, der - wie du selbst schon richtig bemerkt hast - eine ganz andere Art hat mit dem Verlust eurer Eltern umzugehen.
Dein Adoptivvater nimmt die Rolle eines Vaters für dich ein. Dementsprechend darfst du ihn auch lieben.
Du wirst ja trotzdem niemals aufhören, deine leiblichen Eltern zu lieben. Deine Liebe reicht für alle drei aus!
Nein ist es nicht! Wenn dein Adoptivpapa deine Bezugsperson ist, halt ihn fest u bleib bei ihm solange du es möchtest. Dies ist nur gut für deine weitere emotionale Entwicklung u lass dich bloss nicht negativ von deinem Bruder beeinflussen.
Das ist mit Sicherheit nicht komisch.
Jemanden zu mögen , der einem beisteht und einem Halt gibt, bedeutet ja nicht, die leiblichen Eltern zu verraten. Dein Bruder hat da etwas seltsame Ansichten.