Ist das Abitur früher oder heute schwerer?

9 Antworten

Ich finde es schwer, zu beurteilen, ob die Ansprüche tatsächlich objektiv gesenkt wurden oder ob die gestiegenen Abiturientenquoten vielleicht doch andere Gründe haben.

Ich hab 2003 Abi gemacht. In Niedersachsen, nachdem ich vorher bis zur 11. Klasse in Thüringen auf dem Gymnasium war. Thüringen wäre Zentralabi nach 12 Jahren gewesen, Niedersachsen war kein Zentralabi nach 13 Jahren, Aufgaben für die Abiturprüfungen wurden von den eigenen Lehrern geschrieben und beim Ministerium zur Genehmigung eingereicht. War das nun wirklich schwerer als die heutigen Anforderungen?

Was es damals hingegen noch recht oft gab: Eltern, die ihren Kindern vom Abitur ab- und stattdessen zu einer Berufsausbildung nach der 10. Klasse geraten haben. Also eine andere Einstellung in einigen Teilen der Bevölkerung. Ich denke, auch das spielt eine Rolle bei den stark gestiegenen Abiturientenquoten...

Meines Erachtens war das Abitur früher anspruchsvoller und vor allem wurde strenger benotet. Als ich vor gut 50 Jahren am Gymnasium Abitur machte, war ich mit einer Durchschnittsnote von 2,3 Abiturbester!

Dahika  11.06.2022, 12:33

Ich hatte eine Mitschülerin - vor 40 Jahren - die war unschlagbar in Physik. Sie kam aus einer anderen Schule, wo sie in Physik nur Einser hatte. Bei uns rutschte sie auf Zwei runter. Die Eltern fragen den Lehrer, die das sein könne. Und er antwortete : "Eine Eins gebe ich nur einem zweiten Newton."

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Ach, das ist eine regelmäßig geführte Debatte.

Ein Abiturient jetzt würde höchstwahrscheinlich an einem Abitur von vor 50 Jahren scheitern.

Ein Abiturient von vor 50 Jahre würde höchstwahrscheinlich an einem Abitur von heute scheitern.

Die Arbeitsmethoden, die Aufgabengebiete, die Themen - all das hat sich immer wieder gewandelt. Ich hab vor 35 Jahren mein Abitur gemacht und halte überhaupt nix davon, das permanent zu vergleichen. Ja, früher haben weniger Menschen das Abitur gemacht, da war man vielleicht besonders stolz darauf, aber so what? Das Abitur wird doch nicht entwertet, nur weil mehr Leute das machen... Früher waren die Möglichkeiten für Kinder von Eltern, die nicht selber Akademiker waren, deutlich schlechter als heute, "Arbeiterkinder" mussten an den Gymnasien viel Spott und Häme über sich ergehen lassen - aber das heißt doch nicht, dass auch damals schon viel mehr Leute das Abi hätten machen können. Haben sie aber nicht.

Ich weiß es nicht. Ich habe nur den Eindruck, dass im Gegensatz zu meiner Zeit, die Abiturienten heute schon Ewigkeiten vorher wissen, worin sie mündlich geprüft werden. Da kann man sich dann leicht vorbereiten. Und ich habe den Eindruck, dass das Lernen heutzutage weitestgehend aus Pauken besteht, Man lernt Inhalte auswendig, aber nicht das selbständige Denken.

Zu meiner Zeit wusste ich nicht, in welchem Fach ich mündlich geprüft würde. Das konnte von Kunst bis Mathematik, Bio, Deutsch und so weiter ALLES sein. Und wenn ich die Lehrer gefragt hätte: Können Sie mir sagen, welches Thema drankommt, hätten die mich komisch angeguckt und nur -"Hä? ALLES" gesagt.

Dass man heute nicht auch die Antworten auf die Fragen vorher mitgeteilt bekommt, wundert mich schon.

Jedenfalls ist es eine Tatsache, dass die Unidozenten darüber stöhnen, wie unfähig viele Studenten zum Selbstdenken sind.

Ich würde die früheren Lebensumstände mitberücksichtigen. Durch die Digitalisierung kann viel mehr Wissen im Vergleich zu früher ausgetauscht und erweitert werden. Die früheren Schüler hatten es schwerer, was das Lernen angeht, da sie ihre Fragen nicht eben "googeln" konnten, sondern in Büchern sich reinlesen oder schlichtweg den Lehrer fragen mussten. Das ist viel zeitintensiver gewesen als heutzutage.

Die Anforderungen steigen in jedem Bereich, da auch Neues dazukommt, was wiederum im Umkehrschluss zu Überforderung führen kann.

Dahika  11.06.2022, 12:23

 Durch die Digitalisierung kann viel mehr Wissen im Vergleich zu früher ausgetauscht und erweitert werden.

Vielleicht wird aber dafür nur noch angepauktes Wissen abgefragt, statt zu verlangen, dass die Abiturienten selbst denken lernen. Angepauktes Wissen ist aber kein Wissen und wird genauso schnell wieder vergessen, wie es angepaukt worden ist. Lernen, wie man lernt, scheinen viele nicht mehr gelernt zu haben, Und dann kommt in der Uni das böse Erwachen.

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Silia77  11.06.2022, 12:37
@Dahika

Das ist natürlich das Problem in der heutigen Gesellschaft. Man lernt nicht das, was man will, sondern meist das, was von einem verlangt wird.

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