Ist Chaos das Gegenteil vom Universum?

11 Antworten

Deine Fragestellungen enthalten einige Kategorienfehler, weshalb sie so nicht zu beantworten sind.

Ist Chaos das Gegenteil vom Universum?

"Universum" bezeichnet ein System, während Chaos einen Zustand im System beschreibt. Daher kann man die beiden weder gleich- noch ungleich setzen. Anderes Beispiel zur Verdeutlichung: Ein anderes System wäre ein "Glas". Ein Zustand im System könnte "leer" sein. Die Frage "Ist leer das Gegenteil von Glas?" wäre aber unsinnig.

Ich denke das Gegenteil vom Universum wäre die Singularität.

Auch hier werden zwei verschiedene Kategorien miteinander verglichen. "Universum" beschreibt ein physikalisch real vorhandenes System. "Singularität" ist aber ein abstrakter mathematischer Begriff und bezeichnet den Umstand, dass die bisher bekannten und verwendeten mathematischen Gleichungen zur Beschreibung des Universums in sich zusammenbrechen, wenn man sich rückwärts gerechnet dem Zeitpunkt Null nähert. Singularität ist daher nur ein schöner Begriff, hinter dem die Mathematiker/Physiker den Umstand verstecken können, dass sie keine Ahnung haben, was zum Zeitpunkt Null und kurz danach geschah. Singularität ist kein realer physikalischer Zustand und kann daher auch nicht das gegenteil von Universum sein.

und das Gegenteil vom Chaos wäre dann die Singularität?

Auch hier gilt dasselbe. Chaos beschreibt einen realen physikalischen Zustand, während Singularität die Nichtahnung der Physiker/Mathematiker über den wahren Zustand bechreibt.

Chaos ist das Gegenteil von Ordnung.

Das kann man so stehen lassen, denn beide Begriffe stammen aus derselben Kategorie, nämlich Zuständen, die innerhalb des Univerums bzw. Kosmos herrschen können und die beiden Antagonisten beschreiben, zwischen denen sich alles im Universum abspielt. Welche Rolle Ordnung und Chaos bei sämtlichen Vorgängen im Universum spielen, angefangen von der Umwandlung von Energie in Materie, über die Entsheung von Sternen und Planeten, die Entstehtung von leben, die Entstehung von Geist und Bewusstsein bis hin zur Evolution und Entwicklung von Zivilisation, beschreibt Ilya Prigogine in seiner Theorie dissipativer Strukturen, für die er 1977 den Nobelpreis erhielt und die die größte wissenschaftlicghe Revolution seit Newton ausgelöst hat.

Entscheidende Begriffe in dieser Theorie sind deterministisches Chaos und Emergenz. Bildlich abstrakt kann man sich das so vorstellen, dass es große Gebiete mit hochwertiger Energie gibt und große Gebiete mit wertloser Energie (Wärme) gibt und in der Grenzschicht zwischen beiden, in der hochwertige Energie dissipiert (entwertet) wird, spielt sich alles Werden und Vergehen im Universum ab. Durch diese Dissipation entsteht zuerst Chaos, dann aber neue, höhere Ordnungsstrukturen. Diese neuen Ordnungstrukturen sind Emergenzen, das Zusammenspiel zwischen Ordnung und Chaos ist das deterministische Chaos.

Ich selbst sehe Ordnung und Chaos seit einiger Zeit als zwei Gegenpole an, ohne welche die Welt nicht so funktionieren könnte, wie sie halt eben funktioiniert. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch nicht die Lesch-YouTube-Videos "Instabilität • Emergenz • Evolution • vom Urknall zum Gehirn" Teil 1 und 2 (zuerst war der Titel ein wenig anders), diese Erkenntnis hatte ich von selbst.

Für mich sind Chaos und Ordnung gleichwertig notwendig. Wie beide Pole bei der Elektrizität z.B. usw. Schwächt man den einen Pol, ist auch der andere Pol geschwächt. Genau diese Bipolarität von Chaos und Ordnung verbindet auch Wissenschaft und Philosophie und finde ich sehr faszinierend. Geht es doch genau hierbei in der Tiefe um die grundlegenden Fragen des Universums, des Lebens und Überhaupt (Antwort 42 ;-)).

Danke für die tolle Erklärung und vor allem auch für den Hinweis auf Ilya Prigogine, welcher mir bisher völlig unbekannt war. Ein Super Ausgangspunkt für weitere Recherchen!!!

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@LieberKiffer

Ilya Prigogine, welcher mir bisher völlig unbekannt war.

Der ist in der Tat bislang noch kaum bis ins Bildungsbürgertum vorgedrungen. In vielen Wissenschaftsbereichen ist er allerdings sehr wohl bekannt. Ein maßgeblicher Professor für Ökosystemforschung, den ich auf einer Kreuzfahrt traf und der am selben Tisch saß, wie ich, stellte mich direkt auf die Probe, als ich erzählte, ich sei Thermodynamiker. Er fragte mich was zu Prigigone, den ich allerdings schon bestens kannte, im Detail seiner Theorie sogar besser als er, und da meinte er, dass in der Ökosystemforschung ohne Prigogine gar nichts mehr ginge.

Empfehlen kann ich sein Buch "Dialog mit der Natur", das allerdings nur noch gebraucht zu kriegen ist. Da stellt er seine Theorie und ihre Auswirkungen zusammen mit der Philosphin Isabell Stengers vor. Das ist zwar nicht unbedingt populärwissenschaftlich, aber einigermaßen verständlich. Von seinem Buch "Die Gesetze des Chaos" muss ich allerdings dringend abraten. Das sind fast nuur Formeln von vorne bis hinten, die selbst einem studierten Mathematiker den Schweiß auf die Stirn treiben können.

die Lesch-YouTube-Videos "Instabilität • Emergenz • Evolution • vom Urknall zum Gehirn" Teil 1 und 2

Das gibts? Gucke Lesch ja recht gerne, aber diese Dinger kannte ich noch nicht. Das dürfte dann über Prigogine sein, denn genau das waren seine Themen.

Ich selbst sehe Ordnung und Chaos seit einiger Zeit als zwei Gegenpole an, ohne welche die Welt nicht so funktionieren könnte, wie sie halt eben funktioiniert.

Genau so ist es. Im Übrigen sieht Prigogine im Determinismus den Grund des Schismas zwischen Natur- und Geisteswissenschaften und er plädiert zusammen mit der Überwindung des Determinismus dafür, diese beiden Bereiche wieder zusammenzuführen, denn der eine könne nicht ohne den anderen.

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@LieberKiffer

So, habe mir mal die ersten 30 Minuten des Leschvortrages angeguckt und muss feststellen, das ist zu 100% die Theorie Dissipativer Strukturen, über die er referiert. Genau das ist auch vertieft und ausführlicher in dem von mir empfohlenen Buch Prigogines nachzulsesen. Danke nochmal für den Hinweis.

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@Hamburger02

Habe die Videos nur ein mal bei Ihrer Erstveröffentlichung (wie gesagt etwas anderer Titel) gesehen, da ist es mir wohl entgangen. Denke dass der Inhalt der Videos damals und heute identisch ist, auch damals waren beide Videos knapp über eine Stunde lang.

Die Beschreibung von Lesch für das Leben als "selbstorganisierendes dissipatives Nichtgleichgewichts-System" fand ich schon toll. Die (deutschen) Bücher von oder über Ilya Prigogine habe ich schon entdeckt, danke :-). Was die Lesch-Videos betrifft dachte ich, dass die Neuveröffentlichungen in Urknall-Weltall-Leben Dir schon bekannt sein dürften wie auch den anderen "Cracks" hier im Forum wie uteausmuenchen.

Auch diesen Streit zwischen Natur- und Geisteswissenschaften finde ich kontraproduktiv, sind es doch zwei Seiten einer Medaille. Ich bezeichnete mich vor langer Zeit mal als Atheisten, aber auch davon bin ich mit der Zeit abgekommen. Heute bezeichne ich mich als agnostischen Pantheisten, falls Dir das etwas sagt. An Gott dogmatisch zu glauben ist ebenso fundamentalistisch wie Gott absolut zu leugnen. Beides können wir nicht beweisen, weder dass er existiert noch dass er nicht existiert. Allerdings ist für mich Gott=Natur bzw. Natur=Gott und ich glaube nicht an einen persönlichen Gott der jeden Menschen beobachtet. Auch ein Mensch ist Gott für den Mikrokosmos in sich und ist Teilchen des makroskopischen Gottes. Für Ameisen sind wir auch "wie ein Gott". Nur haben wir kein Interesse daran, jede Ameise zu beobachten ob sie auch fleisig ihre Blattläuse melkt.

Jedes Wesen erkennt die Natur bzw. Gott soweit es seinem persönlichen Horizont möglich ist, ABER ALLE HABEN RECHT! Der Eingeborene in Südamerika der Gott in einem Totempfahl sieht (einem Teil der Natur) ebenso wie Jemand, der viele Götter (Entwicklungsstufen im Universum) verehrt und ebenso Derjenige, der an einem monotheistischen Gott glaubt (ich nenne es das Universum incl. allem was ich kenne und was ich nicht kenne).

Jetzt habe ich natürlich etwas weit ausgeholt, aber im Endeffekt hängt ja auch alles zusammen und Gott wird mit wachsender Erkenntnis immer weiter zurückgedrängt. Gilt das antropische Prinzip oder gibt es Jemand, der die Naturkonstanten bewusst so genau austarriert hat, das Leben möglich ist? Ich denke beides kann im Moment nicht bewiesen werden da wir bisher nicht einmal verstehen, warum die Naturkonstanten genau die Werte auf x Stellen nach dem Komma haben, damit alles so funktioniert wie es eben funktioniert.

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Im Universum gibt es eigentlich weder Chaos noch Ordnung. Es gibt lediglich einige Gesetzmäßigkeiten, deren Verknüpfung und Interaktion jedoch ein unendliches Netzwerk aus Reaktionen und Wahrscheinlichkeiten hervorbringt. Da unser Gehirn bei weitem nicht so perfekt ist, wie oft angenommen wird, schafft es sich Strukturen und Fixpunkte anhand derer es sich innerhalb dieses Ereignisshorizonts orientieren kann. Was wir dann landläufig als „Ordnung“ bezeichnen. Und da der menschliche Geist zwar bedingt kreativ und zu Imagination fähig ist, jedoch keineswegs mit Begriffen wie „Unendlichkeit“ oder „Summe aller existierenden Wahrscheinlichkeiten“ umgehen kann, bezeichnen wir darüber hinaus alles als Chaos, was sich einer gesicherten Strukturierung unserer gedanklichen Abläufe entgegenstellt.

Nein, das "Gegenteil" Vom Universum wird nie einer erkennen können, was da "ausserhalb" ist, deswegen ist das Universum nur einzig, also singular! Und schau dich in der Welt um, es gibt immer die Dualität, die Gegensätze, die Pole, die eine Einheit bilden! Man spricht deshalb auch vom geordnetem Chaos! Also ein Pol tritt nie allein auf, ohne das der Gegenpol wirkt!

Universum(unendlich,3-dimensional) ... Singularität(punktfoermig,0-dimensional).
Nicht-punktförmige Singularität koennte ich nur ueber die Quantengravitation beschreiben, wobei dann die Chaostheorie wohl fuer beide eine treffende (theoretische) Beschreibung darstellt.

Chaos ist das Gegenteil von Kosmos (Ordnung, Schmuck).

Das Universum hat von beiden etwas.