Atomkraftwerke werden in ein paar Tage von Netz genommen?

Das Ergebnis basiert auf 41 Abstimmungen

Bin dagegen 56%
Bin dafür 44%

8 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet
Bin dagegen

In der aktuellen Zeit und mit dem Ziel, so schnell wie möglich klimaneutral zu werden ein Schritt in die falsche Richtung. Und das nicht erst vom 15. April aus, sondern seitdem man, Kernkraftwerke vom Energienetz nimmt und durch Kohle ersetzt. Wieso?

Quote:  "We find that the lost nuclear electricity production due to the phase-out was replaced primarily by coal-fired production and net electricity imports. This lost nuclear production was replaced by electricity production from coal- and gas-fired sources in Germany as well as electricity imports from surrounding countries."

Die wegfallende Kernenergie wurde somit hauptsächlich durch Kohleenergie ersetzt. Das ist eine dermaßen dämliche Entscheidung, da Kohleenergie die wohl schlechteste Energie überhaupt ist. Man sagt also, wir wollen so schnell wie möglich eine emissionsarme und umweltfreundliche Energieversorgung, ersetzen dann aber eine (in der Kritik stehenden) Energiequelle mit der schlechtesten überhaupt. Das führt nicht nur zu unnötigen Kosten, sondern auch zu vermeidbaren Toten.

Quote:  Our analysis indicates that the phase-out of nuclear power comes with an annual cost to Germany of roughly $12 billion per year. Over 70% of this cost is due to the  1,100 excess deaths per year  resulting from the local air pollution emitted by the coal-fired power plants operating in place of the shutdown nuclear plants.

The Private and External Costs of Germany's Nuclear Phase-Out | NBER

Die WHO geht Weltweit von rund 4.2 Millionen Toten aufgrund Luftverschmutzung aus:

Quote“Ambient (outdoor air pollution) in both cities and rural areas was estimated to cause 4.2 million premature deaths worldwide in 2016.“

Ambient (outdoor) air pollution | WHO

Das Ganze wieso? Hauptsächlich aufgrund der Katastrophe von Fukushima. Eine Katastrophe welche 573 Menschenleben gekostet hat. Wobei diese nicht hauptsächlich durch Strahlung getötet wurden, sondern aufgrund des Stresses bei der Evakuation.

Quote: “  A total of 573 deaths have been certified as "disaster-related" by 13 municipalities affected by the crisis at the crippled Fukushima No. 1 nuclear power plant, according to a Yomiuri Shimbun survey. [...] A disaster-related death certificate is issued when a death is not directly caused by a tragedy, but by fatigue or the aggravation of a chronic disease due to the disaster"

573 deaths 'related to nuclear crisis | NRC

Quote:  The area in Japan contaminated with cesium-137—at the same levels that caused evacuation around Chernobyl—is also about one-tenth as large. The estimated number of resulting cancer deaths in the Fukushima area from contamination due to more than 1 curie per square kilometer is likely to scale correspondingly—on the order of 1,000.

Die meisten Studien geben aufgrund Langzeitfolgen der Strahlung z.B. Krebs eine Sterblichkeit von rund 1000 an. Die meisten Werte liegen jedoch eher bei 130.

Comparison of the Chernobyl and Fukushima nuclear accidents: A review of the environmental impacts - ScienceDirect

Accounting for long-term doses in “worldwide health effects of the Fukushima Daiichi nuclear accident” - Energy & Environmental Science (RSC Publishing)

Bezogen auf Tschernobyl liegt die Zahl der Toten laut der WHO bei etwa 4000 Menschen. Wenn man sich das ganze mal bezogen auf fossile Energiequellen wie Kohle, Öl oder auch Gas ansieht, merkt man, wie wenig dies eigentlich sind.

Total number of deaths due to fossil fuel related air pollution was estimated by multiplying the death rates from coal, oil and gas (deaths per TWh) by the global consumption (TWh) of each of these fossil fuel sources. As a result, the total number of deaths are estimated as:
Coal: 38,543,349
Gas: 3,211,731
Oil: 39,362,977

What are the safest and cleanest sources of energy? - Our World in Data

Electricity generation and health - The Lancet

In Zukunft soll also die Kraft von Sonne, Wind und Wasser genutzt werden, um den Strombedarf zu decken. Das ist meiner Meinung nach auch gut. Erneuerbare Energiequellen haben ein riesiges Potenzial. Das rechtfertigt aber nicht, Kernenergie durch Kohleenergie zu ersetzen. Die obigen Daten und die folgende Grafik veranschaulicht das auch ziemlich gut:

Bild zum Beitrag

Um hier z.B. die Zahl der Toten in den letzten 50 Jahren zu berechnen, kann man das folgendermaßen machen:

  • Kohle: 24.6 x 50 = 1230
  • Öl: 18.4 x 50 = 920
  • Gas: 2.8 x 50 = 140
  • Hydropower: 0.02 x 50 = 1
  • Wind: 0.04 x 50 = 2
  • Solar: 0.02 x 50 = 1
  • Kernkraft: 0.07 x 50 = 3.5

Eine Studie der NASA hat sogar festgestellt, dass Kernenergie von 1971 bis 2009 rund zwei Millionen Menschen gerettet hat, aufgrund der Ersetzung von fossilen Energiequellen wie Kohle.

Quote: “  Using historical production data, we calculate that global nuclear power has prevented an average of 1.84 million air pollution-related deaths and 64 gigatonnes of CO2-equivalent (GtCO2-eq) greenhouse gas (GHG) emissions that would have resulted from fossil fuel burning.

Pubs.GISS: Kharecha and Hansen 2013: Prevented mortality and greenhouse gas emissions from historical... (nasa.gov)

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Bachelor of Science in Earth and Climate Sciences
 - (Deutschland, Strom, Klimawandel)
oklein  11.04.2023, 14:10

Sehr gut.

Allerdings darf man bei Dammbrüchen samt Überschwemmungen auch gerne mal die nackten Zahlen veröffentlichen oder nur als Beispiel: Am 8. August 1975 brachen nach einem Taifun 62 Staudämme in Henan in China. Wie viele Menschen unmittelbar durch die Flutwellen starben, ist nicht eindeutig geklärt. Manche Quellen sprechen von 26.000, andere von 85.000. Hunger und Epidemien forderten in der Folge weitere rund 145.000 Leben.

Die Annahme von 4.000 Toten bei Tschernobyl ist zwar weit verbreitet aber m.W.n. nach wie vor nicht gesichert.

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Toqiou275  11.04.2023, 14:52
@oklein
Am 8. August 1975 brachen nach einem Taifun 62 Staudämme in Henan in China.

Ja das ist mir bewusst. Wollte meine Antwort möglichst auf den Vergleich zu fossilen Energiequellen wie Kohle fokussieren. Habe aber über solche Ereignisse auch schon hier geschrieben:

Wieso setzt Frankreich auf AKWS? (Politik, Deutschland, Strom) (gutefrage.net)

Die Annahme von 4.000 Toten bei Tschernobyl ist zwar weit verbreitet aber m.W.n. nach wie vor nicht gesichert.

Natürlich. Das sind auch nur Schätzungen und diese Unterscheiden sich ziemlich:

  • Most pessimistic estimate: 60,000 deaths from European Green Party
  • Moderate estimate: 14,000 deaths from Cardis et al.
  • Lower estimate: 4,000 deaths from WHO

Wobei das "UN Scientific Committee on the Effects of Atomic Radiation" zum Schluss kam, dass selbst die Angabe von 4000 Toten eine Überschätzung darstellt, da diese auf dem LNT Model basiert, welches veraltet und ungenau ist.

Quote: The Committee has decided not to use models to project absolute numbers of effects in populations exposed to low radiation doses from the Chernobyl accident, because of unacceptable uncertainties in the predictions. It should be stressed that the approach outline in no way contradicts the application of the LNT model for the purposes of radiation protection, where a cautious approach is conventionally and consciously applied. The hypersensitivity model suggests a greater risk at lower doses. The LNT model is the straight line that is extrapolated to zero, meaning that cancer risk will rise with increasing dose. The threshold model implies that below a certain dose, there is no risk. The hormesis model suggests that low radiation doses may even be protective and beneficial.

Sources and effects of ionizing radiation—UNSCEAR 2008 Report. Volume II: EFFECTS. Scientific Annexes C, D and E

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Bin dagegen

Ich bin der Meinung, dass wir möglichst aus der Atomenergie aussteigen sollten - weltweit. Das entscheidende Wort ist "möglichst". Im Jahr 2023 ist das weder für die ganze Welt realistisch, auch nicht für Deutschland sinnvoll. Der Strombedarf steigt und steigt, zuletzt auch wegen der Ziele bzgl. Klimaschutz (E-Autos, Wärmepumpen, ..). Sonnen- und Windenergie können derzeit im keinster Weise ausreichendem Maß gespeichert werden.

Sie sind aber nicht immer verfügbar, der Strom wird aber immer durchgehend(!) benötigt Das Speichern wird eventuell in 10 oder 20 Jahren möglich sein. Das entscheidende Wort ist "eventuell". Es ist also eine Wette. Ohne AKW muss dieser "Grundstrom" - also der immer verfügbare Strom - jederzeit im vollen Umfang zur Verfügung stehen. Also v.a. durch AKW, Gas und Kohle. Ohne AKW also nur noch durch Gas und Kohle. Ich möchte hier Herrn Prof. Sinn zitieren, der in diesem Zusammenhang erwähnte: Wenn einem auf einer Fahrspur alle anderen entgegen kommen, sollte man durchaus überlegen, wer hier weltweit der "Geisterfahrer" ist.

Bild zum Beitrag

Gruß, JB

 - (Deutschland, Strom, Klimawandel)
Bin dagegen

Ich orientiere mich da ganz an Hr. Habeck: Solange die AKWs mitten im Kriegsgebiet in der Ukraine sicher sind, sind es die unsrigen auch. Ach nein, unsere relativ modernen AKWs sind es ja offenbar doch nicht => gesunder Menschenverstand "ade". Allerdings darf man ihm da auch nicht die Fachkompetenz zusprechen, denn das fällt ja in ein ganz anderes Ressort, nämlich in das des "Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz" und dem steht er bekanntlich gar nicht vor.

Tatsächlich geht es mir auch nicht um die Gesamtleistung in der Stromerzeugung, aber gerade in Süddeutschland ist es mit den Regenerativen noch nicht so gut bestellt (obwohl wir in BW schon länger die Grünen an der Regierung haben). Es fehlt einfach an der Fertigstellung der Überlandgleichstromleitungen (u.a. Südlink) und die AKWs tragen zudem zur Netzstabilität bei.

Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass wir aus allen bisherigen Energieformen gleichzeitig aussteigen. Kohle ist für mich bis 2038 sozialverträglich o.k., aber gerade die paar Castoren mehr bei "mir" im Zwischenlager in Neckarwestheim würden bei der Gesamtmenge nicht ausschlaggebend sein, um auch die AKWs sofort stillzulegen. Das täte es auch noch in z.B. 6-7 Jahren (Transnet rechnet mit einer Fertigstellung von Südlink ca. 2028, SüdOstLink bis ca. 2027).

Leider werden wir momentan von einer stark ideologisch geprägten Minderheit regiert, bei der mich der Umgang mit Fakten stark an einen gewissen Herrn aus Übersee erinnert (falsche Gutachten zum Tempolimit, falsche Hochrechnungen zur Heizungsthematik, ...).

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Bin dagegen

Solange es keinen vernünftigen / stabilen Ersatz dafür gibt, bin ich gegen die Abschaltung. Die Dinger sind ausgereift, gewartet - also betriebssicher und leistungsfähig. Da würde ich mir erst mal Gedanken und die anderen Kraftwerke machen, die mit fossilen Materialien befeuert werden.

Wind / Solar und sonst was - natürlich ist das der Weg in die Zukunft. Aber er sollte bitte auch wirklich zuverlässig und im entsprechend benötigten Leistungsumfang funktionieren.

PS: ich habe gehört, man baut jetzt Verbrennungs-Kraftwerke auf Pellet-Betrieb um - einer der Gründe, warum die Pellet-Preise anziehen. Das kann es doch auch nicht sein. Früher haben wir die Pellets allen im Land produziert, inzwischen scheinen die aus dem Ausland zugekauft zu werden.

Das ist so, als würde ich am Auto die Winterreifen abbauen ohne bereits Sommerreifen verfügbar zu haben - das Ding steht dann.

Bin dagegen

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt schon.