Wie ist dieser Wunsch erklärlich?
Sehnsucht nach Vater Staat: «Ein Teil der Ostdeutschen wünscht sich eine DDR zurück, die es nie gab»
Ilko-Sascha Kowalczuk ist in der DDR aufgewachsen und hat sie als Historiker erforscht. Er erklärt ihre Gründung durch Stalin und ihren Sturz dank einer kleinen Minderheit.
5 Antworten
Das wäre dann wohl diese Art von "DDR 2.0", die in der inszenierten Nachrichten-Sendung des Films "Good Bye Lenin" erschaffen worden ist, eine Art gelockerter bzw. demokratisierter Sozialismus.
Ich sage es mal so: Viele Menschen idealisieren die Vergangenheit und sehen sie als besser an, wie dass sie tatsächlich gewesen ist - sie sehen nur noch das Schöne und Positive, alles andere blenden sie aus und sagen "früher war alles besser", egal ob es sich um die Bonner Republik bzw. BRD handelt oder um die DDR oder um sonst irgendwas. Da geht es mitunter auch ums Prinzip.
Für manche war die DDR vielleicht sogar besser gewesen als der Kapitalismus und gerade im Ländlichen Raum hat sich seit 35 Jahren oft so arg viel nicht getan - ich habe hier schon einiges dergleichen gesehen und kann es verstehen, wenn man sich angesichts nie erfüllter Versprechen "blühender Landschaften" sagt, dass es das auch nicht sein kann - man kann es aus menschlicher Sicht teilweise nachvollziehen; die Leute fühlen sich abgehängt und nicht ernstgenommen.
Mir kommt da die Vorstellung auf, dass die Leute zu DDR Zeiten besser durch Vater Staat versorgt waren. Es gab eben wegen Vater Staat geringeres Lebensrisiko allgemein als im Westen. Dieser "Vater" sorgte dafür dass alle Ausbildungsplätze, Arbeitsplätze, Wohnungen bekamen und als Rentner gut versorgt waren. Im Westen gibt es heute eine breite Unterschicht die schlechter lebt als damals der durchschnittliche DDR Bürger der, obgleich er vieles nicht kaufen konnte, nicht jede Mark umdrehen musste wie der Bürgergeldempfänger oder Grundrente-Empfänger im Westen;
Der westliche Vater Staat ist vergleichsweise eher ein Rabenvater.
Die Kehrseite der Sicherheit war Überwachung und Unfreiheit. Aber ich denke mal in der Unterschicht des Westens ist es dennoch unbequmer vergleichsweise. Diktaturen sind mitunter ganz erträglich wenn man sich im Gefieder des Staates behaglich eingenistet hat.
Was sagst du dann dazu, dass die Schweden noch viel krasser drauf sind in der Liebe zu Vater Staat? Die hatten keine DDR-Vergangenheit! Und trotzdem akzeptieren sie es, wenn der Staat ihnen die Siedlung wegbaggert, um an Eisenerz zu kommen und der Laden am neuen Standort kostet 3x so viel Miete. Die Grundmeinung ist: Der Staat ist immer für uns da und weiß schon, was das Richtige ist.
So einiges war ja tatsächlich einfacher in der DDR. Man wusste ja mit dem Wort "Brutto-Preis" nach der Wende gar nichts anzufangen und fiel prompt auf jedes Lockangebot mit Nettopreisen herein.
Man war daran gewöhnt, dass man das Geld in der Lohntüte auch ausgeben konnte und dass die Dinge, auf die man ewig sparen musste, am Ende noch denselben Preis hatten. Keine steigenden Mieten wegen Grundstücksspekulation!
Das gab die Planungssicherheit, die man nun seit der Ampelregierung mit Heizungsgesetzen "als Test" sehr schmerzlich vermisst. Und das soziale Netz war gespannt und die Schulbildung beim gleichen Jammerzustand der Bausubstanz besser.
Und nur, weil man auf von mir aus "vermeintlich" bessere Sachen hinweist, wage ich zu behaupten, dass die Mehrheit nicht mehr dorthin zurück will - weil es auch gleichzeitig Stillstand und Mangel hieß. Aber wenn jemand 16 Jahre durchregieren kann, kommen logischerweise Erinnerungen auf. Solche und solche.
Bei den Zuständen in Deutschland finde ich das sehr nachvollziehbar. Eine DDR nur ohne Stasi und mit der Möglichkeit das Land für Urlaub zu verlassen wäre doch generell besser gewesen als diese Einheit die für viele, auf beiden Seiten bis heute nicht passt.
In der DDR gab es soziale Sicherheit, es gab keine Altersarmut und keine zweiklassen Medizin. Die positiven Aspekte sich zurück zu wünschen ist normal.
Es ist aber auch komisch, wieso gibt es in den Großstädten Wohnungsnot,
Leute, die auf der Straße schlafen müssen, wenn in Ostdeutschland Hunderttausende Wohnungen leer stehen, oder die Monatsmieten für eine Zweizimmerwohnung der Genossenschaften bei 300 € liegen. Was ist bloß los in Deutschland ?
Die Leute gehen tendenziell dahin wo Arbeit ist. Da wo keine Arbeit ist steht der Wohnraum leer. Dann gehen manche in die Städte und scheitern da mitunter. So bildet sich nach und nach neue Unterschicht bzw. Lumpenproletériat.
Manche Menschen neigen dazu, alles Negative zu vergessen und sich nur an die positiven Sachen zu erinnern. Sowas nennt man auch Nostalgie,
Die DDR hatte viele negative Seiten : miserable Wirtschafts- und Versorgungslage, kaputte Umwelt, marode Straßen, Häuser und Fabriken, keine demokratischen Freiheitsrechte. Das wollen manche Leute heute einfach nicht mehr wahr haben.
Die DDR hatte aber auch einen riesigen Schwarzmarkt, der für viele handwerklich Begabte ein lukratives Geschäft war, die Kleingärten waren sehr preiswert und es gab wegen der fehlenden Einkommensunterschiede kaum Neid und statt dessen generell sehr gute Nachbarschafts- und Arbeitskollegenfreundschaften, viele Feste mit Nachbarn und in Betrieben und viele kleine Gaststätten mit Tanz und preiswerten Speisen und Getränken. Das gibt es alles nicht mehr.
Sorgte der "Vater" DDR nicht auch für gigantische Umweltverschmutzung, für ein menschenunwürdiges Grenzregime, für die Unterdrückung anderer Meinung und die Bespitzelung von Freunden, Nachbarn und Verwandten durch einen aufgeblähten und die Würde des Menschen missachtenden Staatssicherheitsapparat?
Es tut mir leid, aber diese Darstellung von Ost und West hat nichts damit zu tun, wie ich mich an beide deutsche Staaten erinnern kann.