Wenn Gott allwissend ist und die Zukunft kennt – warum erschafft er dann Menschen, von denen er weiß, dass sie sich gegen ihn entscheiden werden?


29.05.2025, 23:25

Ich bin mit einem Gott unterwegs, der größer ist als mein Verstand – und doch ruft er mich zum Vertrauen, nicht zur bloßen Erklärung. Als evangelische Christin glaube ich daran, dass Gottes Liebe im Zentrum steht, dass Jesus den Weg öffnet, auch für die, die suchen, zweifeln oder fallen. Und dennoch bleibe ich manchmal an schwierigen Fragen hängen.

Wenn Gott allwissend ist – also wirklich schon vor unserer Geburt weiß, wie unser Leben verlaufen wird –, warum erschafft er dann Menschen, von denen er weiß, dass sie sich von ihm abwenden werden? Menschen, die ihn ablehnen oder an ihm zerbrechen? Warum ruft er nicht nur die, die Ja sagen werden?

Was sagt das über Freiheit – und über Liebe?

20 Antworten

Diese Frage berührt einen der tiefsten Knotenpunkte menschlichen Denkens, den Zusammenhang zwischen Freiheit, Allwissenheit. Sie ist tiefgründig und berührt sowohl philosophische, theologische als auch existenzielle Themen, die Menschen seit Jahrhunderten bewegen. Ich werde deine Frage aus mehreren Perspektiven betrachten:

Du schreibst: „Ich bin mit einem Gott unterwegs, der größer ist als mein Verstand – und doch ruft er mich zum Vertrauen.“

Das ist ein sehr reformatorischer Gedanke: Die Gnade Gottes übersteigt menschliches Begreifen. Dennoch gibt es theologische christliche Zugänge:

Gott erschafft aus Liebe, und Liebe ist nur dann echt, wenn Freiheit existiert. Der Mensch ist nicht eine Schachfigur, die Gottes Plan ausführt, sondern ein Gegenüber mit der Möglichkeit, Ja oder Nein zu sagen.

Der Mensch ist frei zum Bösen, unfrei zum Guten und kann Gottes Gnade nur empfangen, nicht verdienen. Dass Gott Menschen erschafft, die sich abwenden, zeigt nicht mangelnde Liebe, sondern deren Größe: Sie umfasst auch die Verlorenen. „Denn er lässt regnen über Gute und Böse.“

Christlich gesehen steht im Zentrum nicht ein Gott, der Menschen in „Ja“ und „Nein“ sortiert, sondern ein Gott, der selbst das Leiden auf sich nimmt, um jedem Menschen den Weg zurück zu öffnen. Jesus stirbt auch für die, die ihn ablehnen gerade darin zeigt sich Gottes Liebe.

Aber betrachten wir das mal wissenschaftlich abgesehen von der christlichen Religion,

Aus wissenschaftlicher Sicht existiert keine empirische „Allwissenheit“. Das Konzept ist metaphysisch, nicht messbar.

Doch die Frage berührt Themen wie Determinismus, die besagt, dass alle Ereignisse, einschließlich menschlicher Handlungen, durch vorhergehende Ursachen und Naturgesetze bestimmt sind und somit nicht zufällig oder freiwillig sind.

Die Neurowissenschaft deutet darauf hin, dass viele Entscheidungen unbewusst vorbereitet werden, bevor sie ins Bewusstsein dringen. Könnte unser „freier Wille“ also illusionär sein? Wenn das so ist, wäre ein Gott, der die Zukunft kennt, nicht „schuldig“, sondern ein Spiegel der neurobiologischen Realität.

Unser Gefühl von „freier Entscheidung“ ist umstritten viele Prozesse im Gehirn laufen unbewusst, deterministisch ab. Dennoch erleben wir uns als handelnd und verantwortlich, vielleicht ist „Freiheit“ eine konstruktive Illusion.

Aus evolutionärer Perspektive entsteht Leben nicht durch „perfekte Planung“, sondern durch Mutation, Anpassung und Risiko. Wenn man dies auf eine göttliche Dimension überträgt, könnte man spekulieren, dass auch Gott „Risiken“ zulässt als Teil eines schöpferischen Prozesses, in dem Freiheit und Entwicklung zentral sind.

Vielleicht liegt die Antwort aber auch genau dazwischen oder ganz woanders..

Viele Philosophen (z.B. Kierkegaard, Plantinga) argumentieren, dass Liebe und Vertrauen nur dann bedeutungsvoll sind, wenn sie aus echter Freiheit entspringen. Wenn Gott nur diejenigen erschüfe, die „Ja“ sagen, wäre die Liebe der Menschen zu ihm nicht frei, sondern determiniert. Das würde die Idee einer echten Beziehung zwischen Gott und Mensch untergraben.

Wahre Liebe setzt Freiheit voraus, auch die Freiheit, sich gegen Gott zu entscheiden. Ein Gott, der nur "Ja-Sager" erschafft, wäre ein Diktator über Marionetten, kein Liebender.

Einige moderne Denker wie Clark Pinnock oder Richard Rice vertreten, dass Gott nicht alle zukünftigen freien Entscheidungen kennt, er kennt alle Möglichkeiten, aber nicht alle Festlegungen. Seine Allwissenheit ist dynamisch, nicht starr.

Aber wenn wir ein allwissendes Wesen annehmen, das Menschen erschafft, um „ihn zu lieben oder abzulehnen“, ist das nicht ein Gedankenkonstrukt, das menschliche Verantwortung abwertet und die Freiheit zur Illusion macht?

Eine eindeutige Antwort auf diese Frage wird es wohl nicht geben, es sei denn, Gott selbst erklärt uns irgendwann seinen Plan. Doch für mich ist es eine schöne Vorstellung, dass ich in meinen Handlungen wirklich frei bin, auch wenn soagar die Wissenschaft nahelegt, dass dies wohl nicht immer ganz so ist.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Peritus Sectarum

Freier Wille. ✌🏻 Jeder kann sich Jesus Christus zuwenden. Jesus ist für alle Menschen an das Kreuz gegangen.

Niemand zerbricht an Gott, höchstens an falschen Vorstellungen. Oder anderen Menschen.

Ich gehe nicht davon aus, dass "der "Gott", den es gibt" die Zukunft kennt. Das wiederspricht der Entscheidungsfreiheit, und dann "hätte er selbst ja gar nichts von der Show".

Ich denke diese Atribution - Allwissenheit, schließt die Zukunft mit ein - entstand erst in der Konkurrenz der Religionen. (Deshalb mindestens Fragwürdig).

Was du liebst, lass frei. Kommt es zurück, gehört es dir - für immer.

Selam Aleykum,

Im Islam glaubt man, dass Allah allwissend ist – er kennt die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Doch Sein Wissen verursacht keine Taten. Das heißt:

  • Allah weiß, wie sich ein Mensch entscheiden wird.
  • Aber der Mensch trifft die Entscheidung frei.

Beispiel: Wenn du ein Lehrer bist und deine Schüler sehr gut kennst, kannst du vorhersagen, wer bei einem Test scheitern wird. Aber du hast sie nicht dazu gezwungen, zu versagen – sie handeln aus freien Stücken.

Im Koran wird wiederholt betont, dass jedem Menschen die Wahrheit zugänglich gemacht wird, und dass niemand bestraft wird, ohne dass eine klare Botschaft zu ihm gelangt ist (z. B. Sure 17:15). Das bedeutet:

  • Auch wenn Allah weiß, wie jemand handeln wird, gibt er ihm die Möglichkeit, das Richtige zu tun.
  • Der Mensch trägt die Verantwortung für seine Entscheidung.

Jeder Mensch bekommt die Wahrheit zugetragen und Allah sagt selbst niemand wird bestraft ehe er nicht die volle Botschaft erhalten hat - Gerechtigkeit Gottes