Was würde man in einer libertären/anarchokapitalistischen Gesellschaft mit gewalttätigen Straftätern machen?
Das Nichtaggressionsprinzip wird neben der Freiheit des Einzelnen ja als die wichtigste Maxime in diesen Gesellschaften angesehen. Ich würde einmal behaupten, dass es auch in einer libertären, staatenlosen Gesellschaft noch immer Menschen gäbe, die außerhalb der Gemeinschaft stehen und sich einen Sch... um irgendwelche Prinzipien scheren. Es gibt Menschen, die töten gerne, wollen Leid verursachen - wenn man sie lässt, immer wieder. Steckt man sie in den Knast, machen sie danach munter weiter. Was würde man mit solchen Menschen in einer libertären Gesellschaft machen? Wie würde der Markt das regeln? Ohne Zwang ginge da doch auch nichts?
3 Antworten
Krasse Libertäre in den USA sind der Ansicht dass man keine Steuergelder für so unnötige Dinge wie Polizei oder Gefängnisse ausgeben sollte. Wenn jeder eine Waffe hat um sich und seine Familie zu beschützen halten sie das für Sicherheit genug.
Wenn Dir also jemand Leid verursachen oder Dich töten will knallst Du ihn einfach zuerst ab und der Fall ist erledigt.
So liefe das in dem von Dir skizzierten Gesellschaftsmodell.
Ich Glaube dass ungefähr so aussehen würde. Entweder man ist selbst bewaffnetet oder man stellt einen Sicherheitsdienst an. Und wenn man einen Straftäter fasst kommt der in ein Privatgefägnis für dass Entweder der Ankläger direkt zahlen müsste oder der Täter wird hingerichtet
Jede Gesellschaft, die darauf setzt, dass die Menschen insgesamt irgendwie besser werden und von alleine gewisse Regeln einhalten, ist zum Scheitern verurteilt. Insofern würde so eine von Dir beschriebene Gesellschaftsordnung nie bestehen.
Das Nichtaggressionsprinzip besagt lediglich, dass Aggression böse/ungerechtfertigt ist, verbietet nicht jedoch Gewalt zu Verteidigungs- oder Bestrafungszwecken. Wenn es einen Konflikt um ein spezifisches Eigentum geht, dann ist der Aggressor im Unrecht. Wenn zum Beispiel jemand mich schlagen will, dann habe ich das Recht, als Eigentümer meines eigenen Körpers, meinen Willen (nicht geschlagen zu werden) über den anderen zu stellen, also das geschlagen werde verhindern, wenn auch mit Gewalt. Im Moment der Straftat ist also die Notwehr das Mittel: Der mich schlagen will, dem komme ich schubsen zuvor. Wer mich bestiehlt, dem reiße ich das Meine aus seiner Hand. Wer mich erstechen will, den erschieße ich.
Was ist aber nun mit bereits begangenen Verbrechen? Gibt es dort eine Strafe, oder eine Entschädigung des Opfers auch im Nachhinein? Die Antwort ist natürlich: Ja. Eine Herleitung der libertären Rechtstheorie könnte uns das Estoppel, entwickelt von Stephan Kinsella, geben. Wer immer ein Verbrechen begeht, der stimmt dieser Handlung, so wie er sie vollzieht, implizit zu. Wie die Goldene Regel: Wenn ich etwas tue, kann ich nicht erwarten, dass es mir nicht auch angetan werden darf. Das wäre ein Widerspruch. Folglich ist es gerecht einen Verbrecher mit gleichem zu bestrafen. Gewalttaten werden auf dem Basislevel des Rechts vergolten: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Das schließt auch die Hinrichtung eines Mörders mit ein.
Auf der höheren Ebene aber mag die pure Rache für das Opfer nicht interessant sein... Schließlich muss es auch die Kosten für diesen Prozess dann selber tragen. Die formal gültige Strafe kann, wenn das Opfer und der Täter zustimmen, durch eine andere ersetzt werden. Das Opfer kann also den Täter, der es physisch verletzt hat, mit einer Geldstrafe, statt derselben Tracht Prügel, "verschonen". Diese Verschonung ist der realistischere Ansatz für eine *Gesellschaft*.
Ob es in einer libertären Gesellschaft Gefängnisse geben mag, zweifle ich sehr stark an. Gefängnisse sind teuer. Wer soll sie bezahlen? Heutzutage müssen die Opfer ihre Verbrecher durch Steuergelder noch durchfüttern. Wenn überhaupt würden solche Einrichtungen von Kirchen und Karitativen Einrichtungen angeboten, die dem Täter "helfen" wollen. Dieser darf aber nicht gegen seinen Willen dort eingesperrt werden, da eine "Du-musst-X-Zeiteinheiten-in-einem-Käfig-Verbringen"-Strafe nach libertären Recht unzulässig ist (es sei denn Täter und Opfer handeln das im Gerichtshof aus, oder der Strafbestand war tatsächlich eine Entführung des Opfers und es kann zur direkten Vergeltung an den Täter). Die Frage was passiert, wenn ein Verbrecher seine Geldstrafe nicht zahlen kann, ist relativ einfach zu beantworten. Doch einige Libertäre glauben, dass es dann zu Schuldsklaverei und Gefängnisarbeit kommen würde, um diese Schuld zu begleichen. Aber Sklaverei ist in jeder Hinsicht unzulässig (außnahme: Sklaverei als Strafbestand und direkte Vergeltung). Es würde stattdessen nicht zu einer solchen "Verschonung" kommen, wenn man feststelle, dass der Täter nicht zahlen kann.
Was passiert nach dem Prozess mit dem Täter? Rechtlich? Nichts. Denn dieser wurde ja schon abgefertigt. Non bis in idem. Aber gesellschaftlich/moralisch könnte sich was tun. Zum einen ist da die Ächtung: Das (bestätigte) Gerücht ein Verbrecher zu sein, schadet dem Ansehen, und damit die Interaktionen mit anderen Menschen. Verbrecher werden aus der Gesellschaft ausgeschieden, man will mit Betrügern keinen Handel treiben, man will Vergewaltiger nicht heiraten, man will Mörder nicht als Nachbarn haben. Die Protokollführung, was für Straftaten jener begangen hat, welches dann durch die Unternehmen bei den Bewerbungen mitwandert, ist darin vielleicht enthalten (Strafbilanz, Fallakten, "Criminal Record" etc.). Es könnte sogar dazu führen, das schwere unverzeihliche Verbrecher für immer verbannt werden. Hausbesitzer könnten sie nicht mehr auf ihre Grundstücke lassen. Straßenbesitzer könnten sagen: "Wenn du diese Stadt (damit gemeint: Meine Straße) betrittst, erschieße ich dich, du bist auf meinen Straßen nicht mehr geduldet". Wenn der Verbrecher kein Eigentum in der Ortschaft hat, könnte ihm das Wegerecht komplett entzogen sein (da alles Eigentum stets Privateigentum ist, weswegen er völlig diskriminiert werden könnte). Schwerstverbrecher sind auch wahrscheinlich in anderen Städten und Ortschaften nicht geduldet. Verbrecher müssten dann vielleicht in die Natur fliehen (Australien hehe), doch selbstverständlich dürfen sie sich ein neues Leben, eine neue Gesellschaft aufbauen. Wie immer gilt die libertäre Maxime: Du hast das Recht auf dein Leben, aber nicht auf meins. Du darfst die in der Wildnis dein neues Leben aufbauen, aber du darfst nicht erwarten, dass ich irgendetwas mit dir zutun haben werden.
Ich hoffe das beantwortet deine Frage.