Was sind eure Gedanken zum Kommunismus?

10 Antworten

Die Grundideen teile ich sogar aber die Umsetzung mit diesen Räten und der effektiv "allmächtigen" Partei kann offenbar nicht funktionieren.

Sollte der Fortschritt der Technologie dafür sorgen das in Zukunft daurehaft mehr Leute entlassen werden als neue stellen entstehen wird das aktuelle System was wir nutzen nicht mehr funktionieren.

Dann müssen wir uns überlegen wie es weiter gehen wird und da sollte es dann nicht solche Totschlagargumente geben wie "aber das geht in Richtung Kommunismus".

In der Theorie nicht schlecht, aber in der Praxis nicht umsetzbar.

Die Widersprüche und katastrophalen Folgen des Kapitalismus sind heute so aktuell wie vor hundert Jahren. Kapitalismus bedeutet Armut, Ausbeutung, Diskriminierung, Imperialismus, Krieg und Umweltzerstörung, er führt durch seine eigenen Dynamiken zwangsläufig zu Wirtschaftskrisen und er dringt in jeden Bereich unseres Lebens ein, um ihn zur Ware zu machen - alles für grenzenloses Wachstum zugunsten einer kleinen Minderheit.

Die Alternative ist eine bedürfnisorientierte Wirtschaft, die auf demokratischer Planung und Gemeinbesitz beruht. Nicht anderes ist Kommunismus. Für die absolute Mehrheit der Menschheit, die im Kapitalismus ausgebeutet und unterdrückt wird, wäre der Kommunismus natürlich eine bessere Alternative als das derzeitige kapitalistische System. Eine Bedrohung stellt der Kommunismus nur für die kleine Minderheit dar, die vom Kapitalismus profitiert.

Gerade weil diese Klasse der Kapitalisten aber die wirtschaftliche und gesellschaftliche Macht auf sich konzentriert und der Staat in ihrem Interesse handelt, hat sie auch die Möglichkeiten, unter der breiten Bevölkerung Rechtfertigungen für ihre privilegierte und herrschende Stellung zu streuen, ihre Widersacher zu verteufeln und ihre eigenen Verbrechen zu vertuschen, mit anderen Worten Ideologie und Propaganda zu verbreiten.

Mit kapitalistischer Ideologie ist man z.B. in der Schule oder in den Massenmedien ständig konfrontiert und auch viele der übrigen Antworten hier geben solche Vorstellungen wieder, wie z.B. folgende:

  • dass der Kapitalismus Leistung belohnen würde und jeder reich werden könnte, wenn er sich nur genügend anstrengt. Tatsächlich basiert immenser Reichtum nicht auf der eigenen Arbeit, sondern auf der Ausbeutung der Arbeit anderer Menschen. Die Chance, tatsächlich aus bescheidenen Verhältnissen in den Club der Reichen aufzusteigen, ist verschwindend gering (und viel geringer als z.B. die Gefahr der Obdachlosigkeit), trotzdem bringt diese Aussicht viele Leute dazu, sich selbst mit ihren Ausbeutern zu identifizieren und aus diesem Grund z.B. Vermögenssteuern abzulehnen, obwohl sie selbst davon profitieren würden.
  • dass der Kapitalismus schon immer existiert hätte und der menschlichen Natur entsprechen würde - hat er nicht und tut er nicht. Kapitalismus und mit ihm profitorientiertes Wirtschaften und Lohnarbeit sind in Europa erst seit wenigen Jahrhunderten vorherrschend und wurden in anderen Erdteilen noch später eingeführt. Die menschliche Natur ist eben nicht festgelegt, sondern wird von den gesellschaftlichen Bedingungen geformt. Im Kapitalismus werden Eigenschaften wie Gier und Egoismus stärker an die Oberfläche gekehrt und gefördert als Solidarität und Kooperation, zu denen der Mensch ebenfalls fähig ist. Aber soll man von einem Zirkuslöwen darauf schließen, dass es die Natur des Löwen ist, durch brennende Reifen zu springen?
  • dass Kommunismus mit stalinistischer Diktatur gleichzusetzen ist - ist er nicht. Tatsache ist, dass überall dort, wo ein kommunistisches Programm umgesetzt wurde, dies eine Verringerung der Ungleichheit, eine Hebung des Lebensstandards der breiten Bevölkerung und massive Verbesserungen der Gesundheitsversorgung, des Zugangs zu Bildung und der Stellung der Frauen bewirkt hat. Tatsache ist auch, dass kommunistische Revolutionen bisher nur in armen und unterentwickelten Teilen der Erde erfolgreich waren - dem russischen Zarenreich, dem halbfeudalen China und diversen ehemaligen Kolonien in Asien, Afrika und Lateinamerika, und dass diese Revolutionen stets durch wirtschaftliche Blockaden und militärische Gewalt vonseiten der kapitalistischen Großmächte bedroht und in vielen Fällen durch Interventionen niedergeschlagen wurden. Es ist nicht das kommunistische Programm selbst, sondern es sind diese spezifischen Bedingungen, die in der Sowjetunion und anderswo dafür gesorgt haben, dass revolutionäre Regierungen Mangel verwalten mussten statt Überfluss, dass demokratische Strukturen nicht lebensfähig waren und dass Funktionäre von der Art eines Stalin ihre eigene Stellung über die Entwicklung des Sozialismus gestellt haben.
  • dass der Kapitalismus sich bändigen lassen würde, z.B. in Form einer "sozialen Marktwirtschaft". An den grundlegenden Spielregeln und Widersprüchen ändert auch ein Grundmaß von sozialer Absicherung nichts, dadurch kann die Zunahme der Ungleichheit nur verlangsamt werden, aber nicht aufgehalten oder umgekehrt, und auch Krisen und imperialistische Kriege bleiben unvermeidlich. Zudem sollte man sich vor Augen führen, dass alle sozialen Regelungen durch harte Kämpfe dem Kapitalismus abgerungen wurden und in Momenten der Schwäche der Arbeiterbewegung deshalb auch wieder verloren gehen können, wie es in Deutschland im Zuge des Neoliberalismus seit den 80er Jahren der Fall ist.

Viele sagen "schöner Grundgedanke". Sehe ich nicht so.

Das ganze beruht schon auf einer falschen Annahme: Dass es einen ewigen Kampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie gäbe und dass der Kommunismus den ultimativen Sieg des Proletariats bringe und dann leben alle in Frieden und Freundschaft zusammen nachdem die Reichen und die Elite ausgeschaltet wurde.

Die kommunistischen Diktaturen haben gezeigt, dass das nicht funktioniert. Es bilden sich sofort neue Eliten und eine neue "Bourgeoisie" die jetzt als Heuchler im Namen derer herrschen, die sie tatsächlich schlimmer unterdrücken als es das alte System tat.

Und es ist historisch falsch: Die Weltgeschichte ist kein ewiger Kampf zwischen Habenden und Habenichtsen. Schon die Grundidee ist falsch. Das Fundament des Kommunismus ist falsch.

Und die Grundidee war nicht, dass ein Land (wie das russische Imperium) eine Revolution hat und dann gucken wir mal. Die Grundidee war, dass die gesamte Welt diese Revolution gemeinsam hat und dann die gesamte Menschheit im Kommunismus geeint wir. Klingt das irgendwie realistisch? Klingt das nicht wie die naivste Science Fiction die ihr je gehört habt?

Der Kommunismus verlangt, dass Menschen zufrieden sind, mit wenig. Dass ihnen das genügt, das sie dringend brauchen. Alles darüber hinaus ist schön aber nicht nötig. Die Ideen kommen in einer Zeit in der die meisten Menschen in Armut lebten. Die Vorstellung, eine Wohnung und genug zu Essen zu haben war so verlockend, dass man sich vorstellen könnte den Rest des Lebens so auszukommen. Doch Menschen wollen, dass es ihnen besser geht. Dass es ihren Kindern besser geht.

Kommunismus nach kommunistischem Vorbild funktioniert nicht.

Was funktionieren könnte (und vielleicht wird) ist eine Post-Scarcity-Gesellschaft. In dieser Gesellschaft ist kein Geld mehr nötig weil die Wirtschaft alles in so großer Menge und zu so geringen Kosten produziert, dass es nicht mehr nötig ist, etwas zu bezahlen.

Das klingt wie Kommunismus, es gibt aber einen wichtigen Unterschied: Der Kommunismus ist immer noch eine Scarcity-Gesellschaft, in der begrenzte Ressourcen gleichmäßig unter dem Staatsvolk verteilt werden sollen.

Eine Post-Scarcity-Gesellschaft hat so viel, dass jeder nicht nur alles haben kann das er braucht, sondern alles das er will, ohne dass jemand anderes dafür verzichten muss.


coimhe 
Beitragsersteller
 23.01.2025, 15:24

Danke für deine ausführliche Antwort!

Die Grundidee war, dass die gesamte Welt diese Revolution gemeinsam hat und dann die gesamte Menschheit im Kommunismus geeint wir. Klingt das irgendwie realistisch?

Das ist eine anarchokommunistische Sichtweise. Marxisten-Leninisten sind sich durchaus bewusst, dass nicht die gesamte Welt gleichzeitig eine Revolution haben wird. Jede Nation muss sich selbst befreien, das wird natürlich lange dauern und nicht gleichzeitig sein, aber erst dann kann es Kommunismus geben.

Oppulus  23.01.2025, 15:39
@coimhe
Marxisten-Leninisten sind sich durchaus bewusst, dass nicht die gesamte Welt gleichzeitig eine Revolution haben wird.

Ich glaube das ist nicht wie Marx das sah.

Mir scheint, die Umdeutung auf Nationen und nationale Befreiung erfolge später, nach Marx, als klar wurde, dass die Idee einer Weltrevolution unrealistisch bis lächerlich ist und die Idee der Nation am besten in das gedankliche Framework der Zeit gepasst hat. Wie das meiste im Kommunismus Anpassungen der Ursprungsideen sind, die sich in der Realität als nicht machbar herausgestellt haben.

Ich bin aber nicht tief genug in der Materie um das mit Autorität zu sagen.

Mir scheint hier ist der Kommunismus (und sicher auch andere Ideologien) nah an der Religion. Es wurde ein heiliges Buch geschrieben, das einerseits unveränderbar und sakrosankt ist, andererseits widerspricht die Realität diesem Buch. Statt das Buch zu ändern (oder aufzugeben), interpretiert man die Welt auf eine Weise um, dass es zu dem Buch passt.

Jesus sagte er kommt noch zur Lebzeit seiner Jünger wieder? Er meinte die Lebzeit seiner Kirche (obwohl in dem Kontext klar ist, dass er die anwesenden Personen meinte).
Weltrevolution ist ausgeblieben? Oh wir machen es Nation für Nation (obwohl Marx klar von einer halbwegs simultanen weltweiten Revolution ausging).

Wäre schön natürlich nicht so wie Stalin es gemacht hat sondern richtig aber es ist unmöglich in meiner lebenszeit ich bleibe beim Sozialismus ich möchte ein ausgewogenes Gewicht zwischen Freiheit und Sozialer Politik


coimhe 
Beitragsersteller
 22.01.2025, 15:20

Also demokratischer oder revolutionärer Sozialismus?

Gesellschaft625  22.01.2025, 15:21
@coimhe

Demokratischer Sozialismus er wird am Anfang nicht demokratisch funktionieren aber er ist die einzige Möglichkeit es ist die einzige Möglichkeit eine richtige Demokratie zu erschaffen in der keine reichen Menschen mehr Einfluss haben

coimhe 
Beitragsersteller
 22.01.2025, 15:23
@Gesellschaft625

Aber der Sinn vom dem. Sozialismus ist doch, dass man diesen durch Reformen, also bürgerliche Wahlen erreicht..?

Gesellschaft625  22.01.2025, 15:25
@coimhe

Natürlich das wäre der schönste Weg aber in der heutigen Gesellschaft wird Sozialismus/Kommunismus als Feind für jeden dargestellt der Geld besitzt und diese missinformation sind ein Grund warum das wahrscheinlich nicht so funktionieren wird wie es eigentlich sollte Deutschland wird alles tun um diese staatsform zu verhindern

coimhe 
Beitragsersteller
 23.01.2025, 15:18
@Gesellschaft625

Das ist mir klar, deswegen frage ich mich, wieso du demokratischen Sozialismus und nicht revolutionären Sozialismus vertrittst.

Gesellschaft625  23.01.2025, 15:24
@coimhe

Weil ich von Grund auf Demokratie Freund bin aber gleichzeitig die Einstellung habe für die Verwirklichung ein Stück Demokratie einzubüßen

coimhe 
Beitragsersteller
 23.01.2025, 15:25
@Gesellschaft625

Aber dir ist bewusst, dass die bürgerliche „Demokratie“ abgeschafft werden muss, um eine Diktatur des Proletariats zu etablieren?

Gesellschaft625  23.01.2025, 15:31
@coimhe

Die Enteignung von Produktion würden im Kapitalismus Diktatorisch sein die Demokratie wie sie jetzt besteht ist Schwachsinn die wird von den Kapitalisten bestimmt und das obwohl sie eine kleine Gruppe Menschen sind Mein Verständnis von Demokratie ist das Kapitalismus und Demokratie zusammen keine Demokratie sind

coimhe 
Beitragsersteller
 23.01.2025, 20:02
@Gesellschaft625

Das ist mir klar, der Staat ist ein Instrument der herrschenden Klasse, und im Kapitalismus ist es die Bourgeoisie. Ich denke du hast allerdings eine falsche Vorstellung von dem, was eine Diktatur im Marxismus ist.

Liest du Theorie?