Was ist wichtiger: Wahrheit oder Richtlinie?

5 Antworten

In der Wissenschaft (zumindest in der Naturwissenschaft) sehe ich keinen Unterschied zwischen Wahrheit und "allgemeinen Richtlinien". Ob ich nun z.B. das Gravitationsgesetz so oder so bezeichne, ist eigentlich egal. Entscheidend ist nur die Gültigkeit, wichtig ist auch die Falsifizierbarkeit, physikalische "Gesetze" beanspruchen keine ewige dogmatische Wahrheit, sondern müssen revidiert werden, wenn eine Widerlegung vorliegt.

Wenn du mit "Richtlinien" aber juristische Gesetze oder soziale Regeln meinst, sieht das anders aus. Diese werden von einer Gesellschaft bestimmt, nicht von einer Naturwissenschaft.

Und auch im sozialen Bereich ist die Wahrheit wichtig, denn die Lüge vergiftet das soziale Klima. Und auch die Meinungsfreiheit muss auf diesen Punkt Rücksicht nehmen. Die Wahrheit macht frei, aber die Lüge macht unfrei.

Eine vollkommen ("ohne Rücksicht auf Verluste") unbeschränkte Meinungsfreiheit ist ebenso gefährlich wie eine unbeschränkte Fahrtgeschwindigkeit auf schwieriger Strecke (wenn man verunglückt, kommt man nicht schneller an, sondern u.U. gar nicht mehr). Daher muss man hier Sorgfalt und Differenzierung walten lassen, ebenso wie man beim Autofahren etwas Fingerspitzengefühl und Vorausschauen braucht.

Auch Geschwindigkeitsbeschränkungen sollen ja nicht die Freiheit einschränken, sie sollen nur dafür sorgen, dass jeder heil am Ziel ankommt. Und nach einem Unfall ist man doch ziemlich unfrei, wenn man im Krankenhaus landet und dort geflickt werden muss. Und natürlich ist die Meinungsfreiheit wichtig.

Wahrheit wird ja gerne beliebig ausgelegt, sich zurecht gebogen oder nur zur Hälfte ausgesprochen; gerade so, dass man damit die eigene Weltanschauung bestätigt sehen kann.

Beispiel: "Homosexualität ist unnatürlich." Dass Homosexualität in der Natur verbreitet ist, und das nicht zu knapp, wird dabei - sehr wahrscheinlich trotz besseren Wissens - weggelassen.

In jeder anständigen Gesellschaft zählen Fakten. Nein, keine "alternative Fakten", denn die gibt es nicht! Dies würde erst eine politische Ordnung und sozialen Frieden sichern.

Wahrheit ist wichtig, weil sie eben nun mal Tatsache ist! Wahrheit und Tatsachen sind unabdingbar, um angemessen in der Welt leben zu können.*

Im Grunde bestehen die Regeln und Richtlinien daraus, Tatsachen anzuerkennen UND sie zu achten! Wenn man Regeln gegen die Tatsachen aufstellt, akzeptiert man die Wahrheit ja nicht!*

Ein sozialer Friede ist also einer, der auf Tatsachen aufgebaut sein sollte. Lügen entstehen immer, wenn eine Wahrheit unangenehm, sprich nicht zu den eigenen Erwartungen, Wünschen und Egozentren passt. Dann muss diese Wahrheit modifiziert werden in die Richtung, die wieder auf das zentrierte subjektive Weltbild passt!*

Der Mensch ist mit seiner mental-geistigen Kompetenz in der Lage, Wahrheit bewusst zu verdrehen; heißt, er kann die Wahrheit nur mit einer Lüge negieren, wenn er sie kennt!

Das andere ist die Unwissenheit oder die Verblendung. In diesen beiden Fällen kennt er die Wahrheit nicht, hält aber seine eingeschränkte Meinung dafür! Dann lügt er eigentlich nicht im Sinn des bewussten "Austausches" der Wahrheit mit der Lüge!

Wenn man meint, dass eine Lüge notwendig ist, um z.B. soziale Ordnung zu bewahren, widerspricht es ja dem oben genannten Grundsatz. (siehe*).

Es ist leider so, dass man in vielen Fällen dies als unumgänglich betrachtet. Warum, siehe unten.** Deshalb sind viele gesellschaftlichen "Vereinbarungen" mit einer Lüge gekittet!

Die Wahrheit ist nicht immer geeignet, den Menschen in seinen Vorstellungen von Frieden und sozialer Ordnung zu bestätigen. Das heißt jedoch nur, dass der Mensch die Wahrheit nicht wahr haben möchte. Daraus entstehen "alternative" Fakten, die nur als egozentrische Inhalte Bestand haben. Doch auch diese alternativen Fakten sind nun mal unwahr.

Ist dem Mensch also die Wahrheit in seiner Gänze gar nicht zumutbar, bzw. ist er eher in der Lage, Unwahrheiten zu adaptieren, als Tatsachen?

Wenn es so ist, dann lebt er quasi auch hinsichtlich seiner Sichtweise in einer Verblendung, also seine gesamte Weltanschauung ist dann eine Lüge! Aus dieser Lüge zu "erwachen" ist eine Schock, denn dann erkennt man ja, dass man Verblendung für wahr gehalten hat; in Wirklichkeit hat man die Wahrheit aber nie wirklich wahr genommen.

Was noch wichtig ist: Manche Populisten behaupten (zu Teilen zu recht, so wie auch Nicht-Populisten) dass wir Unwahrheiten glauben. Jetzt sollte man sich aber durch eigenständiges Eruieren bewusst machen, dass sie etablierte Unwahrheiten nur austauschen gegen neue Lügen! Diese neuen Lügen sind selbstverständlich ebenfalls nicht die Wahrheit. Werden aber von einfältigen Geistern - weil sie alternativ zu den etablierten Lügen sind - als gegensätzlich verstanden und müssen dann in dieser eingeschränkten Intelligenz für wahr gehalten werden. Wie mein ich das?

Man kann durchaus konstatieren, dass dem Nationalsozialismus einiges an sozial-kommunistischen Inhalten anhaftet. Hitler deshalb als Kommunist zu bezeichnen ist jedoch eine alternative Unwahrheit (keine alternative Wahrheit, bitte differenzieren.) Warum sagt das aber Weidel? Ich denke, bewusst kalkulierend. Sie hat aber in keinster Weise damit vor, Wahrheit aufzudecken. Sondern?

Eine "alternative" Lüge zu verbreiten. Alternativ deshalb, um Hitler als einen dem Menschen wohlgesonnenen Typen zu beschreiben, und jene in ihrem Glauben zu unterstützen, das eigene faschistische Gesinnungsweltbild sei eigentlich ebenso eine Gute Tat an der Menschheit! Ist das so schwer zu durchschauen? Ja, wenn man diese Darlegung hier von mir nicht wahr haben möchte!

**Soziale Richtlinien, die auf Wahrheit begründen, sind sehr, sehr unangenehm für den Egoismus. Man passt dann die Wahrheit, bzw. das, was sein soll (nicht ist) an den Egoismus an und nicht umgedreht.

Und das ist das ganze Drama in der Welt!


adianthum  11.01.2025, 13:09
Soziale Richtlinien, die auf Wahrheit begründen, sind sehr, sehr unangenehm für den Egoismus.

So sieht das aus!

👍👍👍

Vorab: Welche Wahrheit? Deine, meine, ...? Selbst die Fakten (!) der Wissenschaft sind mitunter strittig, werden anders ausgelegt oder nach einiger Zeit durch neue Erkenntnisse revidiert.

Die Frage selbst finde ich themenbedingt und/oder situativ anders zu entscheiden / zu beantworten. Nehmen wir als Beispiel die Coronakrise, dann ist zum Zeitpunkt dieser Krise auf jeden Fall die Lösung der Krise und der soziale Friede vorrangig. Ist diese vorbei/gelöst, sollte durchaus nach der "Wahrheit" gesucht werden, allein schon aus dem Grund der Vorbeugung in der Zukunft.

Klar ist aber, dass Wahrheit im Sinne von Fakten im Alltagsleben (!) Vorrang haben muss. Wo das nicht der Fall ist, ist der soziale Friede und auch die politische Ordnung tatsächlich in Gefahr, wie wir beim Sturm auf das Capitol eindrucksvoll miterleben durften.

Woher ich das weiß:Hobby – Kommunalpolitik und Themen bis auf Landtagsebene

"Ehrlich währt am längsten!"