Nicht allmächtige Götter menschlicher als allmächtige?

PWolff  01.05.2025, 19:49

Meinst du "menschlich" im Sinne von "human" oder im Sinne von "menschenähnlich"?

SstyxXx 
Beitragsersteller
 01.05.2025, 20:15

Beides. Aber in erster Linie human.

11 Antworten

Typischerweise werden Götter immer mehr vermenschlicht, je länger eine Religion existiert. Es sei denn, es existiert eine ausgearbeitete Theologie - aber von so etwas habe ich nur in monotheistischen Religionen gehört, und auch hier driftet der Glaube des "einfachen Volkes" in der Regel ab.

Insofern sind Götter polytheistischer Religionen "menschlicher" (im Sinne von "menschenähnlicher") als ein allmächtiger und allwissender Gott. Wobei es durchaus sein kann, dass der eine allmächtige Gott in sehr vielen Hinsichten überraschend menschenähnlich ist.

Aber nichts hindert Götter daran, völlig anders zu ticken als Menschen und von daher ebenso menschenunähnlich zu sein wie Naturgewalten - womit sich der Kreis wieder schließt (Naturgewalten werden personifiziert, zunächst völlig anders als Menschen).

Also: pauschal würde ich das so keinesfalls sagen. Den Unterschied sehe ich einzig in einer ausformulierten Theologie - es sei denn, man hat eigene Erfahrungen.

Kommen euch diese Götter menschlicher vor, als allwissende und allmächtige Götter? Warum?

Ja, absolut. Diese Götter sind eben so, wie es extrem mächtige Menschen wahrscheinlich wären: mächtig, aber auch menschlich und damit nicht perfekt. Sie nutzen ihre Kräfte eben auch für egoistische und bisweilen böse Zwecke - so, wie das wohl auch die meisten Menschen tun würden.

Ich kenne den Hinduismus etwas besser als die altgriechische Religion, und da ist es sehr ähnlich. Die Hindu-Götter stellen sich mitunter ziemlich doof an und kämpfen gelegentlich sogar gegeneinander. Sie können (in physischer Form) sogar getötet werden, auch von sterblichen Menschen.

Über die griechischen Götter weiß ich wenig, außer, dass auch sie teilweise Kriege gegeneinander führten. So standen im Trojanischen Krieg z.B. einige auf Seiten der Griechen, andere unterstützten die Trojaner, wie etwa Apollon. Der hat in diesem Krieg angeblich eine Menge Schaden angerichtet und war sogar für den Tod des Helden Achilles verantwortlich.

Ja, ich finde solche Götter nahbarer und glaubwürdiger als das obskure Gottesbild der abrahamitischen Religionen.

Hi, da es im Hellenismos kein Dogma gibt spiegelt sich in der Gottes Vorstellung halt der Mensch wider. Das macht diesen Glauben auch so lebensfreundlich. Trotzdem sind diese Götter natürlich mehr als die menschlichen Attribute. Ich finde da auch konkret die Philosophischen Einflüsse und die(noch bekannten) Vorstellungen des Mysterienglaubens sehr wichtig und interessant

Mache dir bewusst, dass Persönlichkeitsstrukturen nur in sozialen Gefügen und unter gegenseitiger Abhängigkeit gebildet werden.

Da allen Göttern eine Persönlichkeitsstruktur unterstellt wird, ganz gleich ob diese "perfekt" oder "makelhaft" ist, ist deren Glaubwürdigkeit gleichermaßen gering, da ihnen gleichermaßen eine menschliche Persönlichkeitsstruktur unterstellt wird...

Ich bin Muslima und sehe das natürlich aus der islamischen Perspektive.

Im Islam ist Gott der Einzige, der vollkommen und allmächtig, allwissend und frei von menschlichen Schwächen.

Die Vorstellung, dass Gott „menschlicher“ sein sollte, basiert auf dem Bedürfnis des Menschen, sich mit etwas Vertrautem zu identifizieren.

Aber Gott sagt im Koran:

„Nichts ist Ihm gleich, und Er ist der Allhörende, der Allsehende.“

(42:11)

Gottes Vollkommenheit hebt Ihn über jede menschliche Begrenzung hinaus. Seine Eigenschaften sind für den Menschen unvergleichlich und stehen weit über unseren Schwächen wie Fehlern, Emotionen oder Gewissen.

Im Koran wird der Glaube an mehrere Götter zurückgewiesen, da solche Götter, wie sie im griechischen Pantheon dargestellt werden, oft mit menschlichen Eigenschaften behaftet sind. Gott erklärt:

„Wenn es in ihnen (Himmel und Erde) andere Götter außer Allah gäbe, dann wären sie sicherlich ins Chaos gestürzt.“

(21:22)

Dies bedeutet, dass ein Pantheon aus fehlbaren Göttern zur Instabilität und Widersprüchen führt – was in den griechischen Mythen oft deutlich wird.

Die Propheten wurden gesandt, um den Menschen zu zeigen, dass Gott transzendent, aber auch zugänglich ist.

Gott ist barmherzig und nah bei Seinen Dienern, ohne menschliche Fehler zu haben.

Der Prophet Muhammad erklärte, dass Gott nicht wie die falschen Götter ist, die nach menschlichem Bild geschaffen wurden.

Im Islam zeigt sich die Verbindung zu Gott durch Anbetung, Gebete und Dankbarkeit. Die Idee, dass Gott „menschlicher“ sein sollte, verkennt die Natur der Anbetung: Der Mensch neigt sich vor einem vollkommenen Wesen, nicht vor einem, das dieselben Fehler teilt.

Die Shahada, das islamische Glaubensbekenntnis, bekräftigt, dass es keinen Gott gibt außer Allah. Diese Einzigkeit und Unvergleichlichkeit stehen im Gegensatz zu polytheistischen Konzepten, in denen Götter durch ihre Schwächen begrenzt sind.

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Warum werden aber polytheistische Götter „menschlicher“ empfunden?

Menschen neigen dazu, Gottheiten zu erschaffen, die ihnen selbst ähneln, um sie greifbarer zu machen. Dies erklärt, warum griechische Götter Liebe, Eifersucht, Zorn und Intrigen zeigen – Emotionen, die wir verstehen.

Ein allmächtiger Gott, der nicht von menschlichen Schwächen geprägt ist, mag distanzierter wirken, ist aber in seiner Vollkommenheit überlegen und repräsentiert die höchste Form göttlicher Gerechtigkeit und Barmherzigkeit.

Polytheistische Götter mögen auf den ersten Blick „menschlicher“ erscheinen, da sie Fehler machen und Emotionen zeigen. Doch aus islamischer Sicht verfehlt diese menschliche Projektion die wahre Essenz von Göttlichkeit: Allmacht, Allwissenheit und Vollkommenheit. Gott wird von Liebe, Gerechtigkeit und Weisheit geleitet, nicht von Fehlern oder Launen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Autodidakt Islam seit 2010 und Online-Studiengang Tauhid