Warum haben griechische und römische Götter menschliche Eigenschaften?

5 Antworten

Bei Römern und Griechen bin ich keine Expertin, aber in Ägypten ist es ähnlich, und da kann ich dir auch Quellen angeben.

Ja, die Form einer Gottheit ist letztendlich eine menschliche Projektion. Das ist nun einmal die einzige Möglichkeit, wie wir uns das mit unserem begrenzten menschlichen Hirn vorstellen können. In Ägypten können Gottheiten als Menschen, Tiere, Naturphänomene oder sogar als Gegenstände dargestellt werden. Das heißt nicht, dass sie Menschen sind... Das heißt nur, dass sie sich ein Menschenkostüm oder Tierkostüm anziehen um eine bestimmte Rolle zu spielen.

Mehr zum Konzept von Gottheit findest du in Erik Hornung "Der Eine und die Vielen", dem Standardwerk zur ägyptischen Gottesvorstellung.

Warum haben Gottheiten "schlechte" Eigenschaften? .... Nun, um ehrlich zu sein, das ist ganz normal. Der allmächtige und allgute Gott des Christentums ist die Ausnahme, nicht die Regel. Götter repräsentieren oft Archetypen oder Naturkräfte. Seth, Gott der Wüste, der Unfruchtbarkeit und des Chaos... warum sollte der besonders nett zu den Menschen sein? Die Wüste ist auch nicht lieb und nett. (Standardwerk hier ist übrigens te Velde "Seth, God of Confusion")

Oder sehen wir uns das Buch von der Himmelskuh an. Es ist das ägyptische Äquivalent zur Sintflutgeschichte der Juden und Christen.

Kurze Inhaltsangabe: einige Menschen planen eine Rebellion gegen die Götter, der Sonnengott schickt die Göttin Hathor als Kriegerin um sie aufzuhalten. Hathor gerät aber in einen Blutrausch und will alle Menschen ausrotten. Der Sonnengott lässt Bier rot färben, damit es aussieht wie Blut - die Göttin trinkt es, wird betrunken, schläft ein, und kann so besänftigt werden. Danach lässt sich der Sonnengott von der Himmelsgöttin hochheben und wohnt von da an am Himmel.

Den Originaltext mit Quellenangabe und Übersetzung gibt es hier

Der Sonnengott wird hier mit menschlichen Eigenschaften dargestellt, da er in der Rolle eines Königs auftritt. Er wird alt, er hat Angst vor einem Umsturz, er fragt seine Ratgeber, er muss auf eine List zurückgreifen... Warum ist das so? - Nun, weil das Narrativ es erfordert.

Es geht in diesem Mythos um die Frage, warum Götter und Menschen getrennt sind und nicht gemeinsam auf der Erde wohnen. Und der Mythos erklärt die Frage so: "Früher wohnten wir gemeinsam mit den Göttern. Aber unser König, der Sonnengott, wurde alt und schwach... Und dann gab es Unruhen und eine Rebellion, und die Menschheit wurde beinahe ausgelöscht. Danach entschied der Sonnengott, sich besser an den Himmel zu erheben. Dort kann er jeden Tag verjüngt wiedergeboren werden."

Natürlich ist das alles metaphorisch gemeint. Mythen diskutieren grundlegende Sinnfragen. Es geht um Alter, Tod und Erneuerung, es geht darum, warum es Böses auf der Welt gibt, warum Krankheiten unschuldige Menschen töten, und natürlich warum wir die Götter nicht in Menschengestalt sehen können.

Und im Kontext dieser Mythen übernehmen Gottheiten bestimmte Rollen, und im Rahmen dieser Rolle werden ihnen menschliche Eigenschaften zugeschrieben. Es werden ihnen aber auch die Eigenschaften von Naturkräften und Tieren zugeschrieben... Je nach Situation.

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Hilft das weiter?

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Grundstudium Ägyptologie und Geschichtswissenschaft

Weil man in diesen weit zurückliegenden Zeiten mit dem Konzept von abstrakten, unsichtbaren Götter noch nicht viel anfangen konnte. Die griechisch-römische Götterwelt wurde nicht dort erfunden, sondern sind selber Ableger weit älterer Götter aus dem indogermanischen Raum, die über Migrationsbewegungen vor Jahrtausenden nach Mitteleuropa gelangt sind. Manche der Götter sind so "menschlich" daß es Spekulationen gibt, daß manche davon sehr reale Einwanderer, Kulturbringer, Stammesführer, Eroberer waren, die im Lauf der späteren Zeit vergöttlicht wurden. Heute forscht man da unter anderem über Sprachen und auch über Erbgut in alten Gräbern, wie solche Entwicklungen und Wanderbewegungen von welchen uralten Völkern da gelaufen sind: DNA-Analysen könnten Ursprung indogermanischer Sprache verortet haben - Mensch - derStandard.de › Wissen und Gesellschaft Und überall wo Menschen wanderten, nahmen sie ihre Göttervorstellungen mit sich. Die "menschlichen Eigenschaften" der Götter sollen ihre Zwecke darstellen - Götter des Feuers die auch z. B. fürs Metallschmieden zuständig waren, Fruchtbarkeitsgötter, Sonnen- Mond- und Sternengötter (Osiris/Orion), Kriegsgötter, Sturmgötter und vieles mehr.


bountyeis  04.01.2024, 16:48

"Weil man in diesen weit zurückliegenden Zeiten mit dem Konzept von abstrakten, unsichtbaren Götter noch nicht viel anfangen konnte" Das denkt man so, das stimmt aber nicht. Bei den Römern waren die Götter zuerst Numina, unpersönlich gedachte Mächte, die man besänftigen musste. Erst unter griechischem Einfluss bekamen sie menschenähnliche Gestalten.

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Daoga  04.01.2024, 17:43
@bountyeis

Die Numina sollen ursprünglich mit heiligen Orten und den dort angeblich wirkenden übernatürlichen Kräften assoziiert gewesen sein. Quellen, Höhlen, heilige Haine, Schluchten, Berge, ungewöhnliche Bäume, also Naturheiligtümer, wie sie so ziemlich alle Kulturen kennen.

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Schemset  04.01.2024, 16:50

Ich sehe das etwas anders.

Weil man in diesen weit zurückliegenden Zeiten mit dem Konzept von abstrakten, unsichtbaren Götter noch nicht viel anfangen konnte.

"Wollte", nicht "konnte".

Achanjati versuchte schon vor über 3000 Jahren, einen einzelnen und abstrakten Gott einzuführen, aber sein Volk war anderer Ansicht.

Polytheismus ist keine primitivere Art der Religion, die unsere Vorfahren nur aufgrund ihres geringen Abstraktionsvermögens betrieben. Solche Leute wie Aristoteles, Galen, Julius Cäsar, Hypatia, Iamblichus, Cicero, Pythagoras und Archimedes waren alles Polytheisten - glaubst du ernsthaft, dass sie alle geistig minderbemittelt waren und mit abstrakten Konzepten nichts anfangen konnten?

Meiner Meinung nach ist es einfach eine andere Art der Gottesvorstellung und des spirituellen Erlebens.

Und meiner persönlichen Meinung nach ist sie der monotheistischen Theologie sogar überlegen, aber das kann natürlich jeder anders sehen.

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Daoga  04.01.2024, 18:17
@Schemset

Wenn man es genau betrachtet, ist auch der Katholizismus eine Art Polytheismus - mit den Massen an Heiligen die verehrt werden, als Ersatz für die Vielzahl der früheren heidnischen Götter. Jeder von den Heiligen oder Götter hat nämlich seine besonderen Attribute und ist für ganz bestimmte Dinge zuständig, für menschliche oder tierische Gesundheit oder Fruchtbarkeit oder Glück oder Kraft oder bestimmte Berufe, der St. Florian (Brandschutz) und St. Christophorus (Wasser und Reisen) z. B. sind auch Nichtgläubigen ein Begriff.

Die Vielfalt des Polytheismus trifft die Vielfalt der menschlichen Wünsche und Neigungen weitaus besser als ein strikter Monotheismus, wo ein einziger Gott zahllose und ggf. sogar miteinander unvereinbare Bedürfnisse erfüllen müßte.

Überall wo Vielfalt (der Natur) im Lebensbild der Menschen vorkommt, existiert normalerweise der Polytheismus - nur in Wüsten nicht, wo ein einziger starker Stammesführer in allen Zeiten der Garant fürs Überleben des Volkes war, daher ist der Monotheismus - ein einziger Gott als ultimativer Stammesführer - auch in der Wüste entstanden und hat sich von dort aus mit nackter Gewalt verbreitet. Und verliert wieder an Boden, sobald er sich nicht mehr mit Gewalt an die Macht klammern kann, weil er der Mentalität der Menschen in Nicht-Wüstenländern nicht entspricht.

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Schemset  04.01.2024, 18:40
@Daoga

In vielen Punkten stimme ich dir voll zu - die Vielfalt der Lebenswelten spiegelt sich in der Vielfalt religiösen Erlebens.

Nur, dass Monotheismus notwendig mit den Lebensbedingungen der Wüste zusammenhängt... Das sehe ich nicht so. Auch an anderen Orten ist das Leben ziemlich hart. Aber weder die Inuit noch die Aborigenes noch die San sind Monotheisten. Und warum sollte ein einziger starker Stammesführer das Überleben garantieren?

Ich glaube es war keine Notwendigkeit aus den Umweltbedingungen, sondern schlicht ein Zufall in der historischen Entwicklung, der den abrahamitischen Monotheismus groß werden ließ.

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Daoga  04.01.2024, 19:03
@Schemset

Kein Zufall, sondern Absicht. Moses! Der gezielt die Macht übernahm, in dem kleinen Völkchen das ihm blieb, nachdem er als adoptierter? Prinz? keine Chance hatte jemals Pharao zu werden, und sich sagte, lieber im Armenhaus König sein als im reichen Ägypten ein lebenslänglicher Bittsteller. Und was hilft besser, ein straffes Regiment zu führen, als alle Mitglieder gleichzuschalten, per Religion. Die Idee dazu stammte zweifellos vom geschaßten Pharao Echnaton. Alle Israeliten die noch dem alten Vielgötterkult anhingen (der Tanz ums goldene Kalb) wurden von seiner eingeschworenen Killertruppe plattgemacht. Wer übrig blieb, traute sich nicht mehr aufzumucken. Übrigens lief die 40jährige Wanderzeit nicht im Sinai, der wäre ein viel zu kleines Gebiet gewesen für die Wandernomaden und war obendrein unter Kontrolle der Ägypter, sondern höchstwahrscheinlich die ganze Westküste Arabiens runter und rauf, dort lag das genannte Reich der Midianiter.

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Daoga  04.01.2024, 19:09
@Daoga

Die ganzen genannten Völker, San, Inuit, Aborigines, hatten niemals zentrale Führer, die waren und sind bis heute locker organisiert in kleinen Familiengrüppchen, denn mehr kann ihre Umwelt gar nicht ernähren. Nur im Nahen Osten hat man die starken Stammesführer, siehe Mohammed, der berühmteste. Auch die Infrastruktur spielt dabei eine Rolle, denn die Naturvölker hatten weder Pferde noch Kamele als schnelle Transportmittel, die ihnen halfen, z.B. seßhafte andere Völker zu überfallen und zu unterwerfen.

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Weil Götter menschliche Projektionen sind. Wie der Philosoph Feuerbach sagte: Nicht Gott hat den Menschen nach seinem Bilde geschaffen, sondern umgekehrt: der Mensch hat sich Götter nach seinem Bilde geschaffen.


Jenny1441 
Fragesteller
 04.01.2024, 14:27

Aber warum haben sie den Göttern auch schlechte Eigenschaften gegeben (zb die Fähigkeit zu Lügen oder Hassen)? Als Lehre?

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Nofear20  04.01.2024, 14:30
@Jenny1441

In die Götter wurden auch die menschlichen Eigenschaften hineinprojiziert, die guten wie die schlechten. Damit konnten auch Götter Fehler machen und scheitern, genau wie der Mensch. Es ist ein anderes Konzept als z. b. der christliche Gott.

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thommy771  04.01.2024, 14:31
@Jenny1441

Weil die.Menschen schlechte Eigenschaften haben und die Götter realistischerweise nicht übertrieben abgehoben von den irdischen Menschen sein sollen .

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Jenny1441 
Fragesteller
 04.01.2024, 14:37
@thommy771

Aber sie sind doch abgehoben, sie sind unsterblich und ewig schön und jung...

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thommy771  04.01.2024, 14:44
@Jenny1441

Viele Menschen sterben , bevor sie zur Weisheit gelangen . Die Götter haben es da besser , und deshalb schauen wir Menschen den Göttern so gerne bei ihrem Problem - Management zu !

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Daoga  04.01.2024, 14:51
@Jenny1441

Sogar der Gott des Alten Testaments ist noch als eifersüchtig, kleinlich, extrem rachsüchtig (Strafen bis ins soundsovielte Glied der Nachkommen) und völlig achtlos gegenüber allen die nicht seine "auserwählten Lieblinge" waren beschrieben. Da gilt der Spruch, wie der Herr so sein Gescherr, denn das erlaubte seinen Anhängern ähnlich rigoros zu handeln. Da sie in Zeiten lebten, wo sie mit "andere Wange hinhalten" ganz schnell untergebuttert und vernichtet worden wären (den Spruch kannte man damals eh noch nicht, den hat erst Jesus populär gemacht), mußten sie zwangsweise einen ziemlich gewalttätigen Gott präsentieren können, um sich Feinde vom Leib zu halten. Der Zustand ist ja bis heute in Nahost gegenwärtig, siehe Israel/Palästina.

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Da Menschen im Bilde des wahren Gottes JHWH gemacht wurden, haben sie es nach dem Rauswurf aus Eden genauso gemacht. Ihre erfundenen Götter sind wie sie selbst.


Daoga  04.01.2024, 15:10

Hat dieser Gott JHWH dann einen Blinddarm, Weisheitszähne, Haare auf dem Kopf mit Tendenz zur Glatze und so weiter? Übrigens soll "Eden" der Beschreibung zufolge (Ursprungsort von 4 Flüssen die man identifizieren kann) im Gebiet der heutigen Türkei, Gegend Van-See, gelegen haben. Wer immer da angeblich an Adam + Eva gebastelt hat, vielleicht Dänikens Alien-Astronauten, war allerdings ziemlich spät dran, weil das der Generationenliste im AT zufolge ungefähr 6000 v. Chr. passiert sein soll, da war sogar Australien schon von Menschenvölkern besiedelt und begann im Nahen Osten gerade die Obed-Zeit - Wikiwand

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ALLE Götter haben menschliche eigenschaften!!

...wenn Du Dir "Allah anschaust" sogar ganz ausgesprochen unsympathische und unangenehme!