Jugendliches Leseverhalten
Es wird längst nicht nur mir allein aufgefallen sein, wie ich vermuten darf, dass hier im Forum auffällig oft nach / um Zusammenfassungen schulischer Lektüre gefragt / gebeten wird. Dabei handelt es sich meiner Beobachtung nach eindeutig nicht nur um Einzelfälle, sondern ein Breitenphänomen.
Natürlich gibt es nach wie vor, auch unter den Jugendlichen, ohne jeden Zweifel die Büchernarren, die Lesesüchtigen, die Seitenfresser, gar keine Frage. Aber die andere Gruppe, die, die sich am Gegenpol befindet, ist diejenige, deren Entwicklung ‒ und gefühlte Zunahme ‒ ich bisweilen mit Skepsis und Sorge betrachte, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil sie stetig zu wachsen scheint. Die nötige Ausdauer, die nötige Lust ‒ manchmal halt auch die nötige Disziplin ‒, oft reinweg auch die nötige Zeit können in vielen Fällen nur noch immer seltener aufgebracht werden.
Das Lesen ‒ nicht nur, aber eben auch für die Schule ‒ hat allem Anschein jene Attraktivität und seine nicht hinterfragte Selbstverständlichkeit verloren, mit der ich selbst noch großwerden durfte. Und dieser gewissermaßen galoppierende jugendliche Abschied vom Lesen in der Fläche, das ja ganz so ganz wichtige kognitive und emotionale Fähigkeiten entwickelt und fördert, wird unsere Gesellschaft langfristig nicht nur insgesamt verarmen lassen, sondern sogar zu spalten imstande sein, nämlich in diejenigen, die es können, beherrschen einerseits, und diejenigen, denen der aktive Umgang mit allem Geschriebenen letztlich fremd ist und bleibt und die sich ganz leicht und ganz schnell überfordert fühlen im Umgang mit allem Geschrieben, mit eigentlicher Literatur allzumal.
Überspitzt, ja, womöglich. Aber dann dürfte ja klar geworden sein, was ich meine. Sehe ich das realistisch? Oder sehe ich zu pessimistisch?
Und Ihr Jugendlichen selbst ‒ wie nehmt Ihr Euer eigenes Verhältnis zum Lesen wahr? Ist Lesen etwas Schönes oder etwas Lästiges? Wovon hängt das vielleicht ab? Jedenfalls, allgemein: Welche Beobachtungen macht Ihr bei Euch selbst ‒ und vielleicht auch bei den anderen in Eurer Klasse ‒, wenn es um das Thema Lesen geht?
Dann bin ich jetzt mal gespannt auf alle Antworten...
Achim
8 Antworten
Ich bin 15.
Ich lese schon seit ich 5 bin und es gibt kaum eine bessere Beschäftigung als lesen. Allerdings finde ich nicht so oft die Zeit dafür.
Jedoch stimme ich dir zu, dass viele das Interesse am lesen verloren haben. Bzw. es nie beigebracht bekommen haben, wie toll Bücher sein können.
Wenn man nur die Schulbücher vorgesetzt bekommt, dann hat man erst recht keine Lust zu lesen, weil die meist echt schlecht sind.
Und viele verbringen ihre Zeit am Handy und beschäftigen sich nicht mehr mit sonstigen Dingen.
Also in der Schule hab ich ehrlich gesagt auch nicht alle Lektüren gelesen, so was wie Effie Brist hab ich nie zu ende gelesen, einige waren aber auch Lektüren die ich sogar gemocht hab (Faust, die Physiker, gute Mensch von Sezuan) und andere die ich gehasst habe und echt schwer fand das zu ende zu lesen (die Räuber, Iphigenie auf Tauris).
Als Kind hab ich super gern gelesen, so von 9-12 Klasse so gar nicht mehr aber dann im Studium hab ich wieder angefangen einfach aus Lust zu lesen, da bin ich dann auch stabil bei 1 Buch die Woche seit so 3 Jahren.
Ich find vorallem bei Schulllektüren find ich ist das auch voll vom Lehrer abhängig und wie man das dann durchnimmt. Klar sind bestimmte Klassiker die aus gutem Grund in der Schule durchgenommen aber manchmal sind das auch nicht die richtigen Bücher für die bestimmte Person und macht einem das Lesen da grad nicht unbedingt attraktiver. Ich hab ne Weile gebraucht bis ich gefunden hab was ich in welchem Genre überhaupt mag und mein Geschmack ist. Ich hab seit dem noch Klassiker gelesen und im allgemeinen Bücher die mir super viel fürs Leben gegeben haben.
Ich hätte dir vielleicht mehr zugestimmt wenn es nicht in den letzten paar Jahren nicht so viel Ziet auf booktube, bookstagram usw. verbracht hätte. Das sind ja so viele Leute die wirklich auch dazu beitragen, dass ältere Bücher wieder sehr beliebt werden und ganze publishing Trends beeinflussen.
Ich denk das hat aber auch viel mit den Eltern und Freunden zu tun, das Umfeld allgemein und wie viel da gelesen wird. Weil es ist schon so ein Witz in meiner Gruppe zumindest "ja frag doch mal x, die hat da bestimmt ein Buch damit/darüber" wenn es um mich geht, dann verschenk ich auch noch voll oft Bücher auch an nicht Leser in meinem Leben wenn ich denke es passt zu der Person. Aber selber Leser sein ist schon mal echt leicht und angenehm, hab ich mir sagen lassen, zu beschenken, im Zweifel einfach mal ein Büchergutschein
Ich bin kein Jugendlicher mehr, antworte aber trotzdem mal.
Ich habe schon immer gerne gelesen. Aber schon "damals" hat die Schar der Leser quasi mit jeder Jahrgangsstufe abgenommen. Und die Schullektüre war für die meisten einfach nur eines: doof. (ja teils für mich,eigenlich ein begeisterter Leser auch) Ja manches steht im Lehrplan. Und man wird NIE ein Buch finden das allen gefällt. Jedoch wäre es besser die "Lehrplanbücher" einfach wegzulassen, den Stoff kann man den Schülern auch anderweitig näher bringen und dafür das zu lesen was eben doch die Mehrheit interessiert. So kann man die Lust am lesen noch am ehesten erhalten oder wieder wecken. Es sind oft auch Jungs die wenig lesen. Nun, kann ich teils verstehen. Ich war neulich auf auf der Suche nach Büchern für lesegegeisterte Kinder. Dabei ist mir aufgefallen: Es gibt mehr cover die eher Mädchen ansprechen. Auch noch ein Grund mit dem Lesen aufzuhören.(Jungs).
Lesen ist freilich "anstrengender" als sich berieseln zu lassen. Das schaffen viele nicht mehr. Wozu auch? "Früher" blieb bei schlechtem Wetter oft nur lesen. Aber heute? Filme jederzeit abrufbereit und das rund um die Uhr. Auch hörbücher gibts von vielen Büchern. WArum also noch lesen?
Als nicht-Jugendliche antworte ich Dir: Das war schon immer so. Nur gab es damals kein Internet. Ich borgte mir von meinem Cousin sein Literaturkompendium aus, wenn ich Zusammenfassungen brauchte.
Ich las und lese sehr viel. Doch nicht, was mir der Lehrer vorgibt. Das bedeutet nicht, dass ich Groschenromane lese. Doch Dinge, die in keiner Schule der Welt gelesen werden: Über japanische Philosophie hinter der Teezeremonie, über die Bautätigkeit in New Orleans zur Gründerzeit, über die Vorgängernetze des Internets, über die Geschichte der Münzprägung..... wenn das ein Lehrer vorschlagen würde, fliegt er raus.
Also ich bin jetzt kein Jugendlicher mehr, habe aber letztes Jahr mein Abi gemacht. Ich liebe es zu lesen, keine Frage, ich lese im Jahr mind. 100-150 Bücher. Aber Schullektüren? Die wenigsten habe ich wirklich gelesen. Das einzige, für das ich keine Zusammenfassung gebraucht habe, weil ich es gelesen habe, war E.T.A Hoffmanns Der Sandmann & das auch nur, weil der Spaß nur 40 Seiten hat. Faust? Nie gelesen, Zusammenfassung. Woyzeck? Nie gelesen, Zusammenfassung. Ruhm? Nie gelesen, Zusammenfassung. Bahnwärter Thiel? Nie gelesen, Zusammenfassung. Der Tod in Venedig? Nie gelesen, Zusammenfassung. Kabale und Liebe? Nie gelesen, Zusammenfassung. Maria Stuart? Nie gelesen, Zusammenfassung.
Ich hab nicht mal das Buch für meine Seminararbeit gelesen. Hab mir ne extrem ausführliche Zusammenfassung rausgesucht & basically alles nur anders formuliert von da abgeschrieben. Trotzdem hatt ich ein gutes Abitur (2,4 - bester Schnitt in meiner gesamten Schullaufbahn).
Man muss also nicht zwangsweise nicht lesen, um Schullektüren bestmöglichst zu vermeiden. Meiner Meinung nach sollte man sowieso keine Bücher lesen müssen, die von alten, weißen, heterosexuellen Männern als Pflichtlektüre deklariert werden. Wir leben in 2025 und sollen uns trotzdem darüber den Kopf zerbrechen, welche Bedeutung es hat, dass Faust ne 14 jährige geb*mst hat oder warum ein Bahnwärter nach dem Tod seines Kindes Frau und Baby ermordet.
Stattdessen sollten wir Bücher lesen mit denen man sich auch heute noch identifizieren kann und die andere Schüler*innen, die nicht gerne lesen, zum Lesen animieren könnte.
Wir haben im Englischunterricht The Hate U Give von Angie Thomas gelesen. Solche Bücher sollten Pflichtlektüren werden, denn die sind aktuell (wer das Buch nicht kennt: es thematisiert Rassismus und Polizeigewalt gegen Schwarze - ein Problem, dass es mittlerweile nicht einmal mehr ausschließlich in den USA gibt). Oder mal was über psychische Erkrankungen, aber nicht so, dass irgendein weirder Dude meint ne Holzpuppe für ne echte Frau zu halten & sich dann von nem Turm zu stürzen oder ein anderer, der seine Freundin absticht.
Ich judge niemanden dafür, der sich hier Zusammenfassungen für Lektüren sucht, weil einfach nur same here. Und ich bin definitiv eine Leseratte. Aber sowas lesen zu müssen & dann noch WOCHENLANG im Unterricht besprechen zu müssen, wünsch ich nicht einmal meinen Erzfeinden. Ich hab alle Schullektüren (außer Oscar Wilde im Englischunterricht) verabscheut & hätte die niemals freiwillig gelesen.