Eine Gruppe (religiös, politisch, etc.) kann erst als Sekte bezeichnet werden, wenn sie aktiv / künstlich Umstände erzeugt, die ihre Sicht notwendig macht?
Was haltet ihr von dieser steilen These?
Hintergrund:
Der Begriff "Sekte" wird ja in letzter Zeit relativ inflationär gebraucht. Das nicht nur in Bezug auf religiöse Gruppen, sondern auch politisch, was ich vor allem bei den Ökos gesehen habe.
Nun ist mir in der Nacht zwischen gestern und heute aufgefallen, dass wohl in Polen bereits Demonstrationen im Gange sind, die sich gegen den muslimischen Glauben richten, weil sie fürchten, Muslime würden uns ihre Regeln aufstülpen. Dabei kann ich aus Erfahrung sagen, Religionen sind in der Regel nicht ansteckend. Und ich hatte bereits mit einigen unterschiedlichen Religionen, politischen Strömungen etc. Kontakt. Manche mögen auf Dauer vielleicht nerven, aber färben in der Regel nicht ab.
Dabei ist die Frage, was eine Sekte ausmacht bzw. was eine Gruppe dazu qualifiziert. Guckt man sich mal christliche Strömungen an,... da gibt es mitunter Auffassungen, dass eine falsche Auslegung der Bibel zum Beispiel zur Bezeichnung Sekte qualifiziert, insbesondere, wenn die Auslegung und damit einhergehenden Regeln sehr strikt sind. Hier könnte man alternativ auch von radikal oder extrem sprechen.
Daneben besteht mitunter Angst, man bekäme die Regeln übergestülpt. Wenn der muslimische Nachbar neben mir wohnt, ist das an sich jedoch nicht so, so zumindest meine Sichtweise. Kann es sein, dass der Kulturschock zu der Annahme verleitet, es handele sich um eine Sekte?
Auch im Bereich der Psychologie gibt es ja Gruppen, die sich in ihrer Freizeit mit Psychologie etc. beschäftigen. Ist das schon Sekte? An sich auch nicht. Was aber, wenn der Wahn einem quasi angehangen wird, indem man einen Blueprint entwirft, der als Optimum und gesellschaftsfähig bezeichnet wird und an dem ein Ausschluss bzw. Akzeptanz verknüpft ist. Das qualifiziert erst zur Sekte, wenn es gesellschaftsweit, also über alle Milieus hinweg umgesetzt ist, und zwar so, dass es den einzelnen einschränkt in der Persönlichkeitsentfaltung, ohne dass ein dringender Grund (Terror) mit Blick auf einen einzelnen "Außenseiter" vorliegt.
Ich finde aber, eine Sekte ist erst dann gegeben, wenn die Gruppe (Sekte) Umstände künstlich erzeugt, die auf Mängel aufmerksam machen, die per se eher als Luxus gelten oder Nice-to-have, aber nicht zwingend notwendig sind. Ähnlich wie Werbung, die ein Bedürfnis künstlich erschafft, was eigentlich nicht notwendig ist, aber dann von anderen gebraucht wird. Oder ein Bewusstsein über etwas erschafft, was vorher nicht vorhanden war, aber eben das Bewusstsein selbst die Lebensqualität beeinträchtigt, ggfs. aufgrund Bedürfnisse, die es vorher nicht gab. Notwendig ist aber, dass einem das aufgezwungen wird, d. h. eine Sekte kreiert künstlich Umstände oder ein Umfeld, die eben genau dazu führen und bietet die "Lösung" dafür an, was unweigerlich zu einer Änderung zu dem Blueprint hin führt.
Wie denkt ihr darüber?
Würde auch Themen wie Pauschalisierung (z. B. hinsichtlich der Demos gegen Muslime in Polen) ansprechen, also dass man eine extremistische Ausprägung auf die alle abbildet.
2 Antworten
Ich habe mal ChatGPT gefragt, was er so davon hält,
Sekte: Eine DefinitionsfrageWenn man sich klassische Definitionen anschaut, gibt es mehrere Kriterien, die Sekten zugeschrieben werden, u. a.:
- Exklusivitätsanspruch – „Wir haben die Wahrheit, alle anderen irren.“
- Isolation – Mitglieder werden von ihrer bisherigen Umgebung entfremdet.
- Kontrolle – Gedanken, Verhalten und Emotionen werden durch Gruppendruck oder Regeln gesteuert.
- Missionierung – Der Drang, andere zu überzeugen und in die Gruppe zu holen.
- Abhängigkeit – Mitglieder fühlen sich emotional oder existenziell an die Gruppe gebunden.
Deine These passt am ehesten zu Punkt 5: Wenn eine Gruppe aktiv Probleme erschafft oder verstärkt, um ihre Lösung als alternativlos darzustellen, könnte das als ein sektenähnlicher Mechanismus interpretiert werden. Das ist z. B. bei apokalyptischen Gruppen oder Heilsversprechen in esoterischen Bewegungen zu sehen.
Bezug auf Demonstrationen und politische BewegungenHier sehe ich zwei interessante Punkte:
Pauschalisierung & Feindbilder
- Du sagst, manche Proteste entstehen aus einer übersteigerten Angst, die möglicherweise auf einem Kulturschock basiert. Das kann gut sein, denn kulturelle Unterschiede wirken manchmal bedrohlich, Sektenartige Dynamiken können auftreten, wenn eine Bewegung ein Bedrohungsszenario konstruiert und nur ihre eigene Lösung als sinnvoll propagiert. Zum Beispiel: „Ohne unseren Kampf geht die Gesellschaft unter.“
Gilt das auch für "Demos gegen Rechts"?
- Wenn allerdings in der Rhetorik übertrieben wird („Jeder Konservative ist gleich ein Nazi“), dann könnte es in Richtung eines überzogenen Bedrohungsszenarios gehen, das sektenähnliche Elemente entwickelt.
kommt darauf an... das die eine Parteilinie haben, ist klar... Sozialisten sind sozialistisch, Nationalisten nationalistisch... je nachdem, wo man für sich den Schwerpunkt setzt. Frage ist aber dann nach der Offenheit gegenüber Andersdenkenden und inwiefern bzw. ob diese eingeschränkt werden in ihrem Denken, insofern andere Perspektiven Lebenweisen etc. durch die jeweilige der Partei ersetzt werden. Geht etwas in Richtung interkultureller, demokratischer Kompetenzen / Soft Skills
ich kann eigentlich keine Partei leiden, und ich sehe nicht welche der Parteien da besser sein sollte als die andere.
Die vermutlich demokratiefeindlichsten Parteien in der Bundesrepublik sind vermutlich derzeitig die Grünen, die Linken und dann die AFD. Interkulturelle Kompetenzen sehe ich auch bei keiner dieser Parteien, insbesondere nicht bei den Grünen und an Demokratieverständnis mangelt es auf jeden fall auch.
" Linken und dann die AFD. Interkulturelle Kompetenzen sehe ich auch bei keiner dieser Parteien, insbesondere nicht bei den Grünen"
die angesprochenen Punkte sind vielleicht auch die Gründe dafür, natürlich mehr oder weniger ausgeprägt ... je Partei. Manche wirken regulierend, d. h. schaffen z. B. wie die AfD einen Ordnungsrahmen, indem sie die christliche Religion als Leitkultur definieren wollen, definieren Familie mit Mann-Frau-Kind, um vielleicht Unannehmlichkeiten in anderen Fällen oder durch Konflikte zuvorzukommen (Vorurteile, die sich lokal ausbreiten könnten usw.). Bei den Grünen, aber auch untergemischt bei anderen, hat man extremistische Bestrebungen, die teils Einfluss auf persönliche Belange nehmen (lokal), um eigene Bestrebungen durchzusetzen (Kinder/Familie, vegane Ernährung, Drogen, ...), ... Daneben gab es mitunter Kommentare, die Machtmissbrauch rechtfertigen, was nix anderes ist als gerechtfertigte Korruption, ... Kommt vielleicht auch darauf an inwieweit man bereit ist sich den Problemen anderer konstruktiv anzunehmen... wobei es von den Linken mit Wagenknecht auch andere Töne anschlagen, die nicht mehr ausschließlich linksradikal sind ohne Rücksicht auf Verluste, aber eben an anderer Stelle, was zB Sicherheitspolitik im Kontext Russland angeht, bissl zu viel zumuten... usw.
die ersten Punkte würden sich ja quasi auf die Schaffung eines Umfelds (mittels Isolation etc.) beziehen, die dann die Lösung der eigenen Gruppe als alternativlos erscheinen lassen. Vielleicht zielt das auch ein bisschen auf eine Art Informationoverflow ab, bzw. auf Erlebnisse gerichtet, wo man so viel Issues hat, dass man innerlich wie gebrochen ist und nachgibt und eben der Religion folgt... das trifft aber an sich auf wenige zu... meist extremistische / radikale Gruppen, würde ich sagen, die mittels Psychospielchen, Gewalt etc. ihr Gedöns umsetzen
Ich sehe da keine Form von Gebrochenheit.
erstens: Die einzige Wahrheit. Das ist nicht so schwer, heutzutage ist diese einzige Wahrheit die Moral die uns vorgeschrieben wird, nur auf ein höheres Podest gestellt.
zweitens: Isolation. Das schafft man, indem man jeden andersdenkenden ausschließt, und nicht mit ihnen redet (das sind Faschisten, mit denen reden wir nicht - und auch nicht mit denen die nichts gegen sie haben)
Die Kontrolle hast du bereits mit deinen Psychospielchen angesprochen.
Die Abhängigkeit kommt daher, dass man seinen Selbstwert durch die Gruppe definiert, und nirgends anders so gelobt wird, wie in dieser Gruppe.
An sich ist ganz klar definiert, was eine Sekte ausmacht. Also mir wurde es in meiner Kind-/Teeniezeit so beigebracht:
Sektenmitglieder manipulieren. Labile Menschen, die einer solchen Manipulation ausgesetzt sind, verfallen der Sekte hoffnungslos - und sind alsbald ihre Wertsachen los. - Das wurde mir beigebracht.
In einer Sekte erfährt der nach Liebe hungernde Mensch Emotionen, die er vorher nie gekannt hatte. Die Sektenmitglieder ködern ihr Opfer, indem sie Liebe und Aufmerksamkeit vorgaukeln. Aus diesen Fängen kommen kaum Opfer wieder raus - und sind dann ihrerseits Anwerber für neue Opfer.
Religionen an sich sind nicht ansteckend - nein. Das gilt aber nur für diejenigen, die - wie Du und ich - stark genug sind, dem zu widerstehen. Es gar als Schwachsinn abstempeln können. Du und ich sind ja auch keine Opfer, die leicht manipulierbar sind.
also wie eine Art Lovebombing... allerdings hab ich den Eindruck, dass manche Gruppen tatsächlich erst zu einer Labilität führen können, die sie künstlich erzeugen, z. B. durch Psychologie, weil letztlich... können auch normale Betrüger da ansetzen, was du aufzählst
Was ich mich frage ist, ob Sekten dann Aussteigern hinterherlaufen. Wenn sie Exklusivität betreiben, also Ausschluss von Externen, dann dürfte das an sich nicht der Fall sein. Ein wesentliches Problem müsste eher eine Art Orientierungslosigkeit in der Gesellschaft darstellen, wenn sie aussteigen, weil sie die Gesellschaft nicht kennenlernen durften, und ggfs. die Erkenntnis über "neue" Rechte bzw die Vielfältigkeit von Rechten, die ihnen vorher verwehrt waren...zum Beispiel hatten Homosexuelle nicht das Recht zu heiraten, sich offen zu zeigen in einer Gruppe, was aber außerhalb der Gruppe plötzlich möglich ist und im Nachhinein die Einschränkung einem dann erst richtig bewusst wird
Oha. Soo dermaßen ins Detail sind wir nicht gegangen.
Ja - ein Ausschluss der Familie war natürlich empfohlen. Es gab eben nur das Leben in der Sekte. So meine Kenntnis. Ich hab ja nie selbst in einer gelebt.
Ob Aussteigern hinterhergerannt wurde, weiß ich auch nicht. Aber wer war denn wirklich ausgestiegen? Die waren doch alle gehirngewaschen. Da steigt keiner aus. Und bedenke: Das waren die 70er und 80er. Da wurde noch nicht viel hinterfragt!
So von dem, was ich aus dem letzten Jahrhundert gehört hab... da gab es auch relativ wenig Selbstbestimmtheit bzw. war wohl hörig sein, auch innerhalb der Familie, ein Thema grundsätzlich in der Gesellschaft. Vater als Boss der Familie, der insbesondere weiblichen Nachkommen Vorschriften zu Beruf etc. machen konnte. Das mit der Freiheit, Selbstbestimmung kam ja damals erst auf, möchte ich meinen. DAs mit dem Empfehlen des Kontaktabbruch kenne ich regional unterschiedlich. Manche tun es, andere nicht. Vielleicht hängt das mitunter auch vom Gläubigen oder dem Umfeld ab wie sozialverträglich jemand ist. Ob er bereit ist, andere Sichtweisen zu tolerieren, ob vielleicht Neid und Missgunst entstehen kann und es schwieriger wird, eigene Wünsche runterzufahren, um gewissen Idealen zu entsprechen etc. Um vielleicht auch Konflikte zu vermeiden. Zum Bsp im Kloster ne Nonne, die keine Kinder hat, nicht heiratet, weil Jesus der "Mann" ist... würde vielleicht sich anders entscheiden, wenn sie mit Familien konfrontiert wird. eine Isolation nimmt damit auch gewissermaßen Raum der Selbstbestimmung weg... bzw. Sichtweisen, die zu einer Meinungsänderung führen können
eben... dieses künstliche Erschaffen und wie beim Populismus, wiederholte Betonung und Suggestion von angstverursachenden Fakten
ich sehe das auch teils bei denen, die z. B. die Scharia ausriefen... die kommen ja aus einer eher strikten Umgebung... übertrieben ausgedrückt rennen da alle wie ne Mumie eingewickelt rum, kommen hierher, sehen leicht bekleidete etc... Kulturschock. Die Scharia dient denen eher als Gerüst wie ne Schockreaktion, und manche extremistische Gruppen werden wohl genau da ansetzen. Hat aber auch ursächlich etwas mit interkultureller Haltung, auch seitlich westlicher Leute zu tun, und wie man mit interkulturellen Situation umgeht. viele ziehen ja eher die Rambo-Nummer durch... siehe nackte Feministen in der Kirche