Das Urteil

3 Antworten

Ich urteile auf der Basis die ich kenne.

Ich habe keine Angst.

Zu urteilen ist Überlebens wichtig.

Schubladendenken hilft, wenn man schnell eine Entscheidung fällen muss, ohne die Möglichkeit zu haben darüber zu senieren.

Zu deinem ersten Satz: Denke, dass wir viel weniger "urteilen" als dass wir "einordnen". Jeder macht in seinem Leben ungezählte Erfahrungen, lernt wie Menschen sich in bestimmten Situationen verhalten, und kann dann eine Einordnung oder Zuordnung vornehmen, wenn er das jeweilige Verhalten seines Mitmenschen wahrnimmt.

Beispiel: Meiner Partnerin mißlingt etwas, und nun sehe ich, dass sie viele Sätze bemüht, um mir klar zu machen, wer alles daran Schuld war, dass ihr dieses kleine Malheur passieren konnte. Da werden die falschen Vorbilder aus der Kindheit bemüht, da wird die Unausgeschlafenheit zitiert, die daher rührt, dass ich am vergangenen Abend noch eine Frage gestellt habe, usw, usw. Ich selbst ordne nun das ganze Entschuldigungsverhalten ein als ihre große immerwährende Sorge nicht ausreichend akzeptiert und geliebt zu werden, was sicher auf defizitäre Erfahrungen ihrer Kindheit zurückzuführen ist.

Dass wir die absolute Wahrheit (dein zweites Thema) nicht kennen, ist doch naturgegeben, da sie immer nur ein Ideal darstellt, welches Menschen nie erreichen können. Das liegt einfach daran, dass die meisten Phänomene, die wir als wahr oder falsch bewerten, sehr von der Perspektive abhängen, aus der heraus unterschiedliche Menschen ein und denselben Sachverhalt beurteilen. So wird ein Arbeitgeber den Lohn seines Angestellten fast immer als hoch oder zumindest angemessen einstufen, während der Angestellte selbst diese Vergütung als mickrig oder zumindest als viel zu gering bewertet.

Schließlich, um noch einen dritten Punkt zu diskutieren: Dass wir Angst vor der Wahrheit haben, kann ich kaum nachvollziehen. Wir haben in der Regel viel häufiger ein gewisses Unbehagen oder eine Sorge vor den Entwicklungen, die uns in der Zukunft begegnen werden. Wie werden sich die militanten Konflikte entwickeln? Wird sich user Land daraus heraus halten können? Könnten die Finanzsysteme kollabieren in Anbetracht der exorbitanten Staatsverschuldungen? Könnte ich einen Krebs oder eine andere Krankheit bekommen, die mich zutiefst beeinträchtigt?

Und schließlich denke ich, dass wir kein sog. "Schubladendenken" vollziehen. So einen Ausdruck verwenden meist nur Leute, die sich Sorge machen, dass ihre eigenen Überlegungen von den Mitmenschen nicht genug gewürdigt werden, oder die befürchten, dass ihre eigennützigen Motive des Handelns viel zu schnell als kleine Egoismen entlarvt werden, wobei sie selbst doch so gern als die "Guten" und die "Fürsorgenden" erscheinen würden.

Ich würde das bejahen, kann aber nicht in allen Fragen immer mit Erfahrung glänzen.