Wird man irgendwann den Holocaust fast vergessen?
Hey, darüber mache ich mir irgendwie manchmal Gedanken. Was, wenn wir den Holocaust und die schlimmen Ereignisse im 2. Weltkrieg vergessen, wenn irgendwann keine Zeitzeugen mehr leben? Was sind eure Gedanken dazu? Könnte das passieren und könnte das eventuell das Risiko erhöhen, dass sowas in Zukunft ähnlich nochmal passiert?
Also bspw. in ein paar 100 Jahren
18 Antworten
Nun, das Risiko ist sicher da und passiert auch weltweit immer mal wieder, auch wenn das dann in kleinerem Umfang geschieht (macht es aber nicht besser). Die Gesellschaft hat sich aber durchaus verändert und das bleibt wohl nachhaltig erhalten, auch wenn nach wie vor einige, wie es ja hier auch geschieht, die Täter und Opferrolle umzudrehen.
Natürlich wird man es vergessen.
Der Grund dazu liegt auf der Hand.
Es wird immer wieder Ereignisse geben, die Katastrophen und Greultaten übertreffen. Der Mensch redet immer nur über aktuelle Probleme. Dadurch werden die Probleme der Vergangenheit immer kleiner und bedeutungsloser.
Vergessen nicht, es wird aber zunehmend in den Hintergrund rücken. So wie es mit allen Kriegen und Gräueltaten in der Geschichte der Menschheit passiert ist.
Es gibt noch Berichte über einzelne Schlachten von vor über 2000 Jahren. Mach dir da mal über den Holocaust keinen Stress, so schnell wird der nicht vergessen werden
Es war nach dem 2 Weltkrieg ein langer Lernprozess, der einige Jahre benötigte um die deutsche Bevölkerung aus ihrer festen Verankerung mit dem NS-Regime zu holen und ihnen das Bewusstsein für die Aufarbeitung mit diesem Teil der Geschichte zu geben. Aufgrund dieser langen Wege ist es gelungen der heutigen Bevölkerung die grausamen Taten eines verbrecherischen Systems näher vor Augen zu führen, als es in den direkten Jahren nach Kriegsende und weit darüber hinaus möglich war. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung hat in den 90er Jahren ergeben, das 81 % der deutschen Bevölkerung die Geschichte der Judenverfolgung und die Verbrechen des Nazi-Regimes hinter sich lassen möchten ("am besten vergessen"). Allein die Aussage "am besten vergessen" zeigte hierbei, das es diesen Personen dabei nicht um die Reduzierung der Medienberichte und ähnlichem ging, sondern pauschal um einen kompletten Schlussstrich unter diesen Teil der deutschen Geschichte. Die Akzeptanz der Bevölkerung sich mit dieser Geschichte, auch unser Großeltern und Ur-Großeltern weiterhin auseinanderzusetzen und den Zusammenhang mit der Gegenwart zu erkennen, hat sich seit der immer präsenten Erinnerungskultur in Deutschland fast verdoppelt. Das hat nichts mit Gehirnwäsche gemein, sondern mit der Erkenntnis, das unsere direkten Vorfahren in gewaltiger Anzahl, Täter und Mitwisser waren. Nur der deutliche Blick in die Vergangenheit erklärt die Gegenwart, das vergessen viele!
Die Verantwortung in Deutschland ist eine besondere, denn es war schließlich hier, wo Juden aus ihren Wohnungen gezerrt wurden, um in Ghettos oder Konzentrationslager deportiert zu werden, wo sie erschöpft und systematisch ausgehungert starben oder in Gaskammern ermordet wurden. Wer in Deutschland lebt und Teil dieser Gesellschaft ist, wer das Land verstehen will, muss den Nationalsozialismus und den Holocaust kennen. Nicht im Sinne von Schuld, sondern von Verantwortung. Dabei spielt es keine Rolle, woher die eigenen Vorfahren stammen. In diesem Punkt gibt es eine Gemeinsamkeit, die Deutsche und Zugewanderte bzw. ihre Nachfahren teilen können und müssen. Nein, der Holocaust wird sicherlich nie vergessen sein!