Wird das neue Wahlrecht gelten?

2 Antworten

CSU und Linke haben gegen die Änderung des Wahlrechts geklagt. Die Klage liegt aktuell beim Bundesverfassungsgericht.

Es bleibt zu hoffen, dass eine Entscheidung vor der nächsten Bundestagswahl fällt.

Grundsätzlich halte ich den Wegfall der Grundmandatsklausel für sehr problematisch. Dass jemand der seinen Wahlkreis per Erststimme direkt gewonnen hat, nicht in den Bundestag einzieht, ist nicht wirklich mit demokratischen Grundsätzen vereinbar.

Kleidchen2 
Fragesteller
 28.02.2024, 09:31

Der zöge ja nur dann nicht ein, wenn es die Parteiliste nicht hergäbe.

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Interesierter  28.02.2024, 09:44
@Kleidchen2

Was ich als problematisch und mit dem Grundsatz der Demokratie nicht vereinbar ansehe.

Im Grunde würde es darauf hinauslaufen, dass ein mit Erststimme direkt gewählter Kandidat sein Mandat an einen nicht direkt gewählten Kandidaten mit mäßigem Listenplatz verliert.

Zudem wäre der Wahlkreis in diesem Fall nicht mehr direkt im Bundestag vertreten.

Gerade bei der CSU könnte dies zu der kuriosen Situation führen, dass die meisten Wahlkreise in Bayern keinen direkten Vertreter mehr im Bundestag hätten.

Ob das nun grundgesetzkonform wäre, vermag ich nicht zu beurteilen.

Dem Grundgedanken der Demokratie jedoch entspricht das eindeutig nicht.

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Kleidchen2 
Fragesteller
 28.02.2024, 10:11
@Interesierter
Im Grunde würde es darauf hinauslaufen, dass ein mit Erststimme direkt gewählter Kandidat sein Mandat an einen nicht direkt gewählten Kandidaten mit mäßigem Listenplatz verliert.

Nein, der Listenplatzinhaber würde abgeben müssen. Erst wenn die Liste kürzer wäre als die Zahl der Direktgewinner*innen würde es das Problem geben.

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Interesierter  28.02.2024, 10:36
@Kleidchen2

Das stimmt so nicht, denn nach dem neuen Wahlgesetz sollen eben nicht Überhang- und Ausgleichsmandate, sondern im Konfliktfall Direktmandate wegfallen.

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Kleidchen2 
Fragesteller
 28.02.2024, 11:04
@Interesierter

Genau das entspricht meinem Argument.

Zitat aus deinem Link:

Stellt eine Partei in einem Bundesland mehr Wahlkreissieger als ihrem Zweitstimmenergebnis entspricht, sollen – in der Reihenfolge ihrer Ergebnisse bei den Wahlkreisstimmen – entsprechend weniger von ihnen bei der Mandatszuteilung berücksichtigt werden. Ursprünglich hatte der Koalitionsentwurf noch eine Begrenzung der Abgeordnetenzahl auf 598 vorgesehen, doch erhöhte die Ampel diese Sollgröße während der parlamentarischen Beratungen auf 630, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, „dass Wahlkreisbewerber, auf die die meisten Erststimmen entfallen, einen Sitz erhalten“.
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Interesierter  28.02.2024, 11:19
@Kleidchen2

Sichergestellt ist es dadurch aber keineswegs.

So könnte es im Extremfall dazu führen, dass in Bayern von 46 Wahlkreisen nicht ein einziger Direktkandidat in den Bundestag einzieht

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Kleidchen2 
Fragesteller
 28.02.2024, 11:25
@Interesierter

Nur dann, wenn die CSU in keinem dieser Wahlkreise genug Zweitstimmen hat.

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Interesierter  28.02.2024, 11:33
@Kleidchen2

Maßgeblich ist die Zahl der Zweitstimmen bundesweit.

Angenommen die CSU erreicht bundesweit 5,5% der Zweitstimmen, dann bekommt sie maximal 35 Sitze, auch wenn sie mehr Wahlkreise direkt gewinnt.

Angenommen die CSU erreicht bundesweit 4,9% der Zweitstimmen, dann bekommt sie keinen einzigen Sitz, selbst wenn sie alle 46 Wahlkreise in Bayern mit den Erststimmen gewinnt.

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Kleidchen2 
Fragesteller
 28.02.2024, 11:46
@Interesierter

Richtig, dein letztes Argument stimmt. Deswegen hat die CSU auch Sorge. Nicht wegen der Erststimmrnregelung sondern wegen des Grundmandats. Und der Chance,nicht in dem BT vertreten zu sein.

Was daran aber undemokratisch sein soll, erschließt Ich mir nicht.

Die 5% Hürde kann man natürlich in Frage stellen, aber das ist ein anderes Thema.

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Interesierter  28.02.2024, 12:03
@Kleidchen2

Auch das erste stimmt. Bundesweit kam die CSU 2021 auf rund 5,5%. Sie erreichte 45 Direktmandate.

Mit dem neuen Wahlrecht würden bei gleichem Wahlergebnis 10 direkt gewählte Kandidaten nicht in den Bundestag einziehen.

Direkt gewählte Kandidaten kommen nicht ins Parlament, Kandidaten auf mittleren Listenplätzen aber schon. Das entspricht nicht wirklich dem Sinn der Demokratie.

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Kleidchen2 
Fragesteller
 28.02.2024, 12:11
@Interesierter

Dein letzter Absatz stimmt nicht mit dem neuen Wahlgesetz überein.

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Kleidchen2 
Fragesteller
 28.02.2024, 15:33
@Interesierter

Weil die Direktmandatler*innen die auf den Listeplätzen verdrängen.

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Interesierter  28.02.2024, 15:52
@Kleidchen2

Nein, das hast du offenbar nicht verstanden.

Wenn eine Partei über die Erststimmen mehr Direktmandate erringt, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis insgesamt Mandate zustehen, dann ziehen nur so viele Kandidaten in den Bundestag ein, wie es der Zweitstimmenanteil hergibt.

Somit kommen einige Kandidaten, die in ihrem Wahlkreis über die Erststimmen direkt gewählt wurden, nicht ins Parlament.

Beispiel: Bei der letzten Bundestagswahl bekam die CSU bundesweit etwa 5,5%. Das wären nach dem neuen Wahlrecht 35 Sitze. Die CSU hat aber in Bayern insgesamt 45 Wahlkreise direkt gewonnen.

Von diesen 45 kämen nach dem neuen Wahlrecht aber nur 35 in den Bundestag.

Die restlichen 10 Kandidaten, die ihren Wahlkreis ebenfalls gewonnen haben, gingen damit leer aus.

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Kleidchen2 
Fragesteller
 28.02.2024, 20:14
@Interesierter

Du widerspricht dir selbst.

Direkt gewählte Kandidaten kommen nicht ins Parlament, Kandidaten auf mittleren Listenplätzen aber schon

Nein die kommen dann nicht rein.

Wieso smist es demokratischer, wenn eine Partei ihren proportionalen Anteil über Direktmandate vergrößert? Bei Abstimmungen werden die dann ja nicht rausgefiltert.

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Interesierter  28.02.2024, 22:41
@Kleidchen2

Gut die Hälfte der Abgeordneten kommen über die Landeslisten in den Bundestag.

Nur mal so zum drüber nachdenken. Im Wahlkreis von Ricarda Lang Backnang – Schwäbisch Gmünd holte 2021 die CDU das Direktmandat. Frau Lang kam nur auf Platz 4, hinter dem Kandidaten der FDP.

Nun stell dir vor, am Ende kommt Frau Lang in den Bundestag und der direkt gewählte Kandidat nicht.

Nach dem neuen Wahlrecht wären solche Konstellationen durchaus möglich und in Bayern sogar sehr wahrscheinlich.

Ich persönlich halte es für keinen Ausweis der Demokratie, wenn nicht gewählte Kandidaten ein Mandat bekommen aber direkt gewählte Kandidaten nicht.

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Kleidchen2 
Fragesteller
 28.02.2024, 23:03
@Interesierter

Nein, du stellst die Erststimmen über die Parteistimmen. Was ist daran demokratischer als der umgekehrte Weg?

Ausserdem verdrängen die Direkt-Kandidaten nur die Listnekandidaten der eigenen Partei.

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Interesierter  29.02.2024, 00:29
@Kleidchen2

In Bezug auf die demokratische Legitimation ist die Erststimme das stärkere Votum hier wird der Volksvertreter direkt gewählt.

Bei der Zweitstimme hingegen wird nur die Partei gewählt. Nicht die Person. Der Wähler hat bei der Zweitstimme keinen Einfluss darauf, wer am Ende in den Bundestag einzieht.

Beim neuen Wahlrecht hingegen wird die indirekte Zweitstimme für die Partei höher gewichtet als die personalisierte Erststimme.

Nochmals. Dass ein direkt im Wahlkreis gewählter Kandidat am Ende des Tages leer ausgeht, während ein Kandidat, der in seinem Wahlkreis nur auf dem vierten Platz landet, ein Mandat erhält, das kann man nicht ernsthaft als demokratisch bezeichnen.

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Kleidchen2 
Fragesteller
 29.02.2024, 01:18
@Interesierter

Doch kann man. Denn die Mehrheitsverhältnisse der Parteien und nicht die Abgeordneten bestimmen die Politik.

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Interesierter  29.02.2024, 06:40
@Kleidchen2

Damit stellst du die Landeslisten der Parteien über die tatsächliche Wahlentscheidung der Bürger.

Du degradierst die Abgeordneten zum bloßen Stimmvieh, das nur noch per Fraktionszwang der Mehrheitsbeschaffung für die Beschlüsse der Parteispitze dient.

Wenn es nur noch darum geht, auf der Landesliste möglichst weit oben zu stehen, um das Mandat sicher zu haben, wird's schwierig mit dem Abgeordneten, der nur seinem Gewissen unterworfen ist, denn auf diesem Weg kommen nur linientreue Parteisoldaten nach oben.

Du kappst die Verbindung der Bürger, die über den Abgeordneten ihres Wahlkreises direkt im Bundestag vertreten sind.

Genau diese Sichtweise lässt das Vertrauen der Menschen in die Demokratie schwinden.

Und am Ende wundern sich alle über Politikverdrossenheit und mit der Politik unzufriedene Bürger. Über Wutbürger und Querdenker.

Nutznießer dieser Entwicklung sind dann Extremisten im Sinne der AfD. Du spielst denen in die Karten. Willst du das wirklich?

Nimm's mir bitte nicht übel aber das sehe ich nicht als erstrebenswerte Form der Demokratie an.

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Kleidchen2 
Fragesteller
 29.02.2024, 08:58
@Interesierter

Das sehe ich in der Tat völlig anders. Denn die Direktmandarieten verhalten sich bei Abstimmungen zu 99,9% innerhalb der Parteilinien und werden mit der Erststimme gewählt wegen der Partei. Die meisten Wähler*innen wählen mit der Erststimme den Parteibamen.

Diese ganze Überhangsmandatsarithmetik dient ja dazu, die Parteienproportionen wieder herzustellen

Es ist überhaupt nicht undemokrarischer,daß jetzt gewählte Verfahren anzuwenden.

Und was die afd betrifft: was ist demokratisch an der Wahl von Höcke oder Weidel als Direktgewählte?

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Interesierter  29.02.2024, 09:10
@Kleidchen2

Nun, ein Direktkandidat muss sich um die Zustimmung in seinem Wahlkreis kümmern. Sonst wird er nicht wiedergewählt.

Ein Listenkandidat muss auf Parteilinie sein, sonst verliert er seinen sicheren Listenplatz.

Ersterer wird direkt als Person vom Volk gewählt. Letzterer nicht.

Der Kernpunkt jedoch ist und bleibt, dass ein im Wahlkreis direkt gewählter Kandidat auch immer ein Mandat für seinen Wahlkreis bekommen sollte. Genau das jedoch gibt das neue Wahlrecht auf.

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Kleidchen2 
Fragesteller
 29.02.2024, 09:16
@Interesierter

Hast du mal gezählt, wie illegal Direktkandidat*innen sich über die Parteiliste absichern?

Ein Direktkandidat wird nur sehr selten gegen die Partei, der er angehört, antreten.

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Interesierter  29.02.2024, 09:22
@Kleidchen2

Wir können das Thema eigentlich auf den Kern verkürzen.

Wenn ein Kandidat seinen Wahlkreis direkt gewinnt und trotzdem nicht in den Bundestag kommt, haben wir aus demokratischer Sicht ein massives Glaubwürdigkeitsproblem. In dem Fall ist nämlich die Erststimme nichts mehr wert.

Genau das ist der Kern, den das BVerfG beurteilen muss.

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es ist schwer vorstellbar, dass diese Regelung so bestehen bleibt. Es ist anzunehmen, dass eine Korrektur juristisch erzwungen wird, die mindestens die gewonnen Direktmandate von Listen unter 5% absichert.