Wieso gibt es nicht mehr Psychiater und Psychotherapeuten?
Soweit ich weiß, ist es vorgegeben, wieviele Psychiater und Psychotherapeuten sich in einer Region niederlassen dürfen, oder?
Das reicht aber hinten und vorne nicht. Ich arbeite in der Psychiatrie und kenne so viele Patienten, die seit Jahren erfolglos einen Platz suchen. Die Wartelisten (wenn es überhaupt welche gibt) gehen bis zu zwei Jahren. Patienten, die bei uns entlassen werden mit Empfehlung auf ambulante Weiterbehandlung, finden einfach niemanden und landen dann wieder stationär bei uns.
Was muss passieren, damit sich diese prekäre Situation verbessert?
4 Antworten
Es ist denke ich immer eine Gratwanderung zwischen Qualifikation und Länge des Studiums. Eine Psychotherapeutenausbildung inkl. Studium geht soweit ich weiß grob gesagt 10 Jahre (manche sind früher fertig, manche später). Dass nicht jeder das nötige Kleingeld hat, noch die zeitlichen Ressourcen, ist denke ich klar. Nach dem Studium folgt gesetzlich vorgeschrieben eine Zeit als "PIA", die gebraucht wird um die Therapeutenzulassung zu bekommen. In dieser Zeit verdienen die Meisten vielleicht 300€ im Monat, sind aber Vollzeit in einer Klinik. Hinzu kommen die großen Hürden, die man nehmen muss wenn man eine eigene Praxis betreiben will oder betreibt, angefangen bei den Diskussionen mit der Krankenkasse bis hin zur Rechtfertigung wann was wie und warum bei einem Patienten gemacht wurde.
Eine Vereinfachung des Systems wäre sicherlich hilfreich...
Kann man nicht einige Inhalte der Ausbildung streichen und die Praxiserfahrung angemessen bezahlen?
Es gibt auch Pychotherapeuten als Ausbildungsberuf. Ich sehe aber auch potential gewisse Dinge auf kleinere Berufe umzulagern, dazu müsste man dann neue Ausbildungen schaffen.
Bespielsweise würde es, denke ich, schon viel helfen, wenn man vor dem Arztbesuch mehr Stellen hätte, die überhaupt erst evaluieren, ib ein Arztbesuch sinnvoll ist und wenn ja zu welchem Arzt man muss und die gegebenenfall bereits Vorarbeit leisten bezüglich des Sammelns von Informationen.
Allerdings herrscht an bereits vorhandenen Stellen für solche Dienste auch Personalmangel, die Gründe dafür müsste man evaluieren. Womöglich bräuchten Beshcäftigte höhere Qualifikationsmöglichkeiten und Befugnisse oder einfach bessere Arbeitsbedingungen oder ein höheres Gehalt.
Aber auch das Arztstudium ist sicherlich suboptimal. Das sieht man daran, dass leider nicht wenige Ärzte auch nach der Ausbildung und mit Erfahrung später im Beruf Unfug machen (gelinde ausgedrückt).
Wenn man nachbessert könnte man evtl. auch die Studienplatzzahlen erhöhen.
Aber wo genau man nachbessern kann, da bin ich leider überfragt, da fehlt mir die Fachkenntnis.
Auch könnte man gegebenenfalls durch elektronische Tools die Diagnostik verbessern, was wohl auch viel helfen dürfte, da, soweit ich das sehe, oft genug Diagnostik erst spät erfolgt oder Krankheitsbilder übersehen werden.
Ein Arzt kann nicht alle Krankheiten kennen, ein elektronisches Tool könnte das schon und gegebenenfalls Hinweise liefern, welche Behandlungen man durchführen könnte um einen besseren Mittelweg zwischen schneller Diagnosefindung, Kostenersparnis und geringhaltung der Belastung des Patienten durch die Diagnostik zu finden.
Mir scheint aber als würde sich neimand wirklich um die Entwicklung solcher Tools bemühen. Zumindest nicht so, dass es brauchbar wäre.
ein traumazentrierter Fachberater bereitet Patienten beispielsweise auf die folgende Psychotherapie vor und stellt auch fest, ob eine Psychotherapie überhaupt Sinn machen wird. Innerhalb der Wartezeiten bis zum Therapeutentermin lässt sich oft viel erreichen, da ich auch Fälle kenne die über 1 Jahr auf ihren ersten Termin beim Therapeuten warten mussten. Die Wartezeit lässt sich somit sehr sinnvoll nutzen und im idealen Fall kennt der Patient schon viele Verfahren und weiß was ihn erwartet, wenn er dann seinen ersten Termin hat. Das macht die Therapie somit einfacher für beide Seiten und effektiver, da der Patient schon vorbereitet wurde und potenzielle Übungen besser umsetzen kann als jemand, der noch nie davon gehört hat. Außerdem kennt der Patient dann auch die Zusammenhänge bei sich und ist bzgl. PTBS gut informiert.
Leider wird meine Leistung nicht von den Krankenkassen übernommen, das heißt, es wäre eher ein zusätzliches Angebot von Seiten einer Klinik. Deswegen sieht die Versorgung leider oft nur so aus, dass die Patienten bis zum Therapeutentermin niemanden haben, außer vielleicht mal alle 2 Wochen einen Arzt sehen, um sich ein neues Rezept abzuholen, das wars...
das Problem ist die lange Ausbildung der Psychologischen Psychotherapeuten, die ein Masterstudium beinhaltet sowie danach eine ca 5-jährige Ausbildung. Dabei muss 1 Jahr Praktikum absolviert werden, bei dem man nahezu nichts verdient. Auch die Neugestaltung der Ausbildung hat eher verschlimmbessert. Zum einen muss man sich in der Zukunft schon im Master entscheiden, ob man Psychotherapeut wird - (ältere Psychologen müssten dann nochmal ein Masterstudium machen). Doch so jung schon in diesen Beruf einzusteigen ist fragwürdig. Wenn man dann eine sehr umfangreiche und teure Approbationsausbildung gemacht hat, muss man noch einen Kassensitz kaufen, wenn man sich niederlassen möchte, diese sind fast immer sehr teuer und sehr begrenzt, die Vergabe ist ein Witz. Da hier der Staat mit einer Vollauslastung der Sitze rechnet (was niemand schafft, der sich in diesem Beruf nicht schnellstmöglich kaputtmachen will), behauptet er, es gebe genug Sitze. Zum anderen gibt es nach der neuen Ausbildung, die wie eine Facharztausbildung angeglichen werden soll, derzeit noch nahezu keine Stellen und Finanzierungen, es könnte also erstmal noch enger werden. - Eine grundlegende Änderung wäre nur politisch möglich, aber da Spahn es ja gerade in die andere Richtung gedreht hat, und das ganze Gesundheitssystem nur noch immer mehr auf Profit und Digitalisierung getrimmt wird, sehe ich da derzeit kein Licht am Horizont. Das derzeitige System stellt nicht unser Wohl in den Mittelpunkt, sondern rein kommerzielle Interessen.
Ganz einfach: Beide Ausbildungen sind hart und langwierig, und am Ende verdienst du auch noch relativ wenig.
Ein Psychiater muss ein komplettes Medizinstudium absolvieren und dann noch Psychiatrie obendrauf satteln.
Ein Psychotherapeut sollt bestenfalls Psychologie studieren und dann noch etwa 10 Jahre Zusatzausbildungen machen.
Numerus clausus an Unis. Bedürfnis der etablierten Praktiker den Markt abzuschotten. Wenn man Konkurrenz ausschaltet verdient man mehr!
Nein wie undankbar, ca. 10 Jare Studieren und dann ein Vollzeit Praktikum für 300€ machen. Klar, jemand hat sich diesen ewig langen Bildungsweg damals wohl mal als ,,clever" erdacht. Die ganze Erfahrung ist sicherlich wichtig, drüber kann ich nichts sagen. Aber ich stelle mir vor wie schön es wäre, mehr Therapeuten in unserem Land zu haben... Kann man nicht einige Inhalte der Ausbildung streichen und die Praxiserfahrung angemessen bezahlen? Aber so sehe ich eine Entwicklung wo wir wieder beim Demographischen Wandel des (Alt geht, Jung kommt aber nicht nach) landen werden. Rosig ist das ja nicht. Ich halte meine pessimistische Sicht darauf noch erstmal in den Zügeln des Realismus. Grüße und danke für die tolle,spannende Fragerunde.