Kann es passieren, dass sich ein Psychotherapeut in seinen Patienten verliebt? kommt es häufiger vor, dass sich der Patient in ihn verliebt oder umgekehrt?

6 Antworten

Natürlich kann es passieren, dass ein Psychotherapeut sich in einen Klienten(Klientin verliebt. Sollte das der Fall sein, muss er das in den Supervision besprechen und wahrscheinlich auch den Fall abgeben. Wenn er das nicht tut und eine Beziehung/Affäre zu dem/der Patientin eingeht, verliert er seine Approbation. Mit Recht. Das Verhalten des Therapeuten ist mit sex. Missbrauch gleichzusetzen.

Dass eine Patientin/ein Patient sich in den/die Therapeeutin verliebt, ist völlig normal und das passiert sehr oft. Das nennt man Übertragungsliebe und das Phänomen kennt jeder Therapeut. Der/die Patientin darf das auch so fühlen und muss sich nicht schämen, mit dem/der Therapeuten darüber zu reden. Es ist auch kein Grund, die Therapie zu beenden.

Es ist aber Aufgabe des Therapeuten, damit fachlich gut umzugehen. Er oder sie darf das Gefühl des Patienten als völlig normal zulassen, aber er/sie muss sich sauber abgrenzen, weil das Gefühl nie in die Tat umgesetzt werden darf.

Lässt der Therapeut zu, dass das Gefühl ausagiert wird - in die Tat umgesetzt wird - begeht er ein Verbrechen und ist mindestens seine/ihre Approbation los.

Ich hatte vor Jahren einen Chef gehabt, der mit einer Klientin eine Affäre eingegangen war. Für ihn war es nur eine Affäre, für sie mehr. Als sie merkte, wie sie ausgenutzt wurde, hat sie sich an die obersten Vorgesetzten gewandt und mein Chef ist fristlos entlassen worden. Zu Recht. Er hatte Glück gehabt, dass er nicht auch noch angezeigt wurde. So ein Typ hat seinen Beruf verfehlt.

Bekim579  22.01.2022, 08:50

Aber privat können sie tun was sie wollen. Oder? Liebe als Mittel zur Heilung darf doch sein, aber halt nicht in der Arbeitszeit.

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Dahika  25.02.2022, 13:22
@Bekim579

nein. Solange die Patientin Patientin ist, darf ein Therapeut mit ihr keine private Beziehung eingehen, Da ist es egal, ob das während der Arbeitszeit ist oder außerhalb. Es ist und bleibt eine Straftat.

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Bekim579  25.02.2022, 14:57
@Dahika

Wichtig ist aber auch der Kontext im Rahmen des Abstinenzkonzeptes (das im Rahmen der Berufsordnung auch für Verhaltenstherapeuten gilt): eine Therapie darf nicht mit dem Ziel der Aufnahme einer Liebes- oder rein sexuellen Beziehung beendet werden. Es ist auch nicht gemeint, eine Behandlung zu beenden, um dann nach einem Jahr mit privaten Kontakten zu beginnen. Hierzu wurde schon einiges gesagt, nicht zuletzt, dass der Therapeut, auch bei selektiver Selbstäußerung, letztlich privat unbekannt bleibt usw. Hier wäre (zumindest analytisch) an der entsprechenden Übertragung zu arbeiten!

Die Klausel bezieht sich eher auf reale Lebensumstände, dass Therapeut und Patient sich nach der Therapie und entsprechend verstrichener Zeit zufällig in einem privaten Kontext wieder begegnen (z.B. bei einer Reise, im Sportverein usw.) und sich dort privat kennen lernen.

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Der intellektuelle Ziehsohn C.G. Jung von S. Freud hatte mehrere Affären mit Patientinnen, die er noch nicht mal verheimlichte. Die Dunkelziffer dürfte auch heutzutage hoch sein.

Dahika  05.10.2021, 13:11

Leider ja. Sexueller Missbrauch ist es trotzdem.

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Littlethought  17.04.2022, 21:32
@Dahika

Ich weiß nicht, ob die damaligen Strafgesetze solche Fälle vorgesehen hatten. Möglicherweise war es damals zwar anrüchig aber kein Delikt. Es wäre wohl sinnvoll, wenn Psychotherapeuten eine feste Beziehung hätten, sonst laufen sie ständig in entsprechende Gefahren.

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Wenn das vorkäme müsste der Psychotherapeut seinen Patienten abgeben, dürfte sich eine Zeit lang (ka wie lange) nicht mit der Person treffen oder schreiben oder sonstwie kontakt haben und könnte erst danach versuchen eine Beziehung zu beginnen.

Aber in fast allen Fällen ist das Gefühl einseitig vom Patienten zum Therapeuten und wird nicht erwiedert.

Andersrum kommt das recht häufig vor aufgrund der Nähe und da die Person die in Behandlung ist wohl mit hoher Wahrscheinlichkeit auch einen eher ungünstigen Bindungsstil pflegt.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Sozialpädagogischer Zug / Berufserfahrung

Es ist bedeutend häufiger der Fall, dass sich Patienten verlieben (als umgekehrt).
Das liegt in erster Linie an der Besonderheit der (Gesprächs-)Situation: hier trifft ein leidender Mensch endlich auf ein Gegenüber, das sich ihm mit Aufmerksamkeit und Freundlichkeit zuwendet und um Verständnis für den anderen bemüht ist und auch darum, ihm bei der Bewältigung seiner Schwierigkeiten zu helfen. Wo trifft man das sonst in dieser intensiven Form??
Darüber hinaus können auch 'alte Sehnsüchte' geweckt werden, die aus der Zeit der Kindheit herrühren - ein ganz starker 'Motor' für Verliebtsein.

Ich kenne persönlich auch zwei Fälle von Kolleginnen, die sich als Therapeutin verliebt haben in ihren Patienten. In einem Fall ist das erfolgreich weitergegangen als Familie mit zwei Kindern ... - In der Regel wird dann aber die therapeutische Beziehung beendet und im Bedarfsfall durch einen Kollegen fortgeführt.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung