Wenn eine invasive Tierart eine ökologische Nische besetzt, in der sie einheimischen Arten nicht schadet, würdet Ihr sie dann als Bereicherung sehen?

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Eine invasive Art, die keiner einheimischen Art schadet, kann es nicht geben. Denn genau das, die negative Auswirkung auf das Ökosystem oder/und auf den Menschen, macht eine invasive Art per definitionem erst zu einer invasiven Spezies.

Nicht jeder Neobiot ist allerdings automatisch eine invasive Art. Ein Neobiot kann für das Ökosystem tatsächlich auch eine Bereicherung sein. In Europa sind sogar erstaunlich viele Neozoen und Neophyten nicht invasiv. Das hängt mit der Besiedlungsgeschichte Mitteleuropas nach der Eiszeit zusammen. Während der Eiszeit starb eine Vielzahl an Tier- und Pflanzenarten aus. Einige haben nur in einigen weiter südlich gelegenen Refugialräumen überlebt, auf der iberischen Halbinsel, auf der Apennin-Halbinsel und auf dem Balkan. Als das Klima günstiger wurde, stand ihrer Ausbreitung nach Norden aber die in Europa überwiegende Ost-West-Ausrichtung der Hochgebirge im Weg. Beispielsweise in Nordamerika sind die Gebirge vorwiegend in Nord-Süd-Ausrichtung orientiert. Die Wiederbesiedler taten sich deutlich leichter. Daher gibt es in Nordamerika ein Vielfaches an Baumarten verglichen mit Europa, z. B. Tannenarten. Viele ökologische Nischen blieben in Europa deshalb unbesetzt und können nun von den Neobioten übernommen werden.

Die Gefahr, die von Neobioten ausgeht, wird (in Europa) oft stark überschätzt. Vom Halsbandsittich glaubte man z. B., er könne in Konkurrenz mit einheimischen Höhlenbrütern treten. Wie sich zeigte, kann vorsichtige Entwarnung gegeben werden. Die Sittiche brüten nämlich früher als die einheimischen Arten. Weitaus dramatischer für die Bestände der Höhlenbrüter ist die generelle "Wohnungsnot", weil es kaum noch alte Bäume und Totholz gibt, in dem sie Bruthöhlen finden.

Und auch das Drüsige Springkraut ist nicht so invasiv, wie lange geglaubt. Es kann sich nur auf bestimmten Standorten halten und dringt nicht tief in Wälder ein, wie lange befürchtet. Die Blüten sind sehr pollen- und nektarreich und davon profitieren zahlreiche Insektenarten.

Man muss nicht jeden Neobioten deshalb sofort bekämpfen. Aber es ist wichtig, die Situation immer kritisch und genau im Auge zu haben, um gegebrnenfalls regulierend tätig werden zu können. Viele Neobioten werden wir ohnehin nicht wieder los. Der Waschbär z. B. ist so zahlreich, dass die jährliche Jagdstrecke bei weitem nicht reicht, um den Bestand nennenswert zu dezimieren. Wir und das Ökosystem werden deshalb lernen müssen, damit umzugehen.

In vielen anderen Weltregionen sieht die Sache aber ganz anders aus. Gerade auf Inseln wie Neuseeland, dem Galápagos-Archipel oder Madagaskar haben invasive Arten verheerende Schäden in den Ökosystemen angerichtet.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig

talfulano 
Beitragsersteller
 31.01.2025, 19:37

Ich hatte mal gehört dass das Springkraut nicht viel Nektar bringt

Hallo,

ich bezweifle, dass wir in der Lage sind, vorab zu erkennen, ob

eine invasive Tierart eine ökologische Nische besetzt, in der sie einheimischen Arten nicht schadet.

Normalerweise sehe wir immer erst hinterher, dass es da doch irgendeine Auswirkung auf irgendeinen Faktor gab, den vorher niemand auf dem Schirm hatte. Und deswegen ist jetzt diese oder jene einheimische Art, an die man zunächst gar nicht dachte, bedroht oder gar schon verschwunden.

Am Beispiel der Schwertmuschel: kann man zB ausschließen, dass sie an ihrem Platz dicht unter der Oberfläche Nahrungsressourcen verbraucht, die ohne sie dort übrig blieben und daher woanders hin verfrachtet würden, wo eine einheimische Art darauf angewiesen ist?

Ich bin da immer skeptisch...


talfulano 
Beitragsersteller
 31.01.2025, 00:59

Skepsis ist natürlich immer angebracht. Aber die Nährstoffreserven der Nordsee sind so enorm, dass der verfügbare Meeresboden der limitierende Faktur ist, und da kommen sich die einheimische mit der amerikanischen Schwertmuschel nicht in die Quere.

Wenn man es ganz genau nimmt, müßte man so gesehen verschiedene Spinnenarten wie z.B. die Wespenspinne aus Deutschland verbannen, eine eher mediterrane Art die im Zuge der Klimaerwärmung in Deutschland Fuß fasst. Auch sie könnte ja heimischen Arten Insekten weg nehmen.

Ich finde das ist eine echt interessante Frage! Meistens sind invasive Arten ein Problem, weil sie einheimische Tiere und Pflanzen verdrängen oder das Gleichgewicht der Natur stören. Aber wenn eine fremde Art eine Lücke füllt, die vorher nicht genutzt wurde, und keinen Schaden anrichtet, kann sie sogar nützlich sein.

Bei der Amerikanischen Schwertmuschel ist das wohl so:

  • Sie nimmt niemandem den Platz weg, weil sie in einem anderen Bereich des Sandes lebt als heimische Muscheln.
  •  Sie ist eine neue Futterquelle für Vögel wie den Austernfischer.
  •  Bisher gibt es keine negativen Folgen für die Natur.

Solche Fälle zeigen, dass nicht jede eingeschleppte Art schlecht ist. Manche können neue Rollen im Ökosystem übernehmen oder sogar die Natur bereichern. Trotzdem bleibt immer ein kleines Risiko, dass sich später doch Probleme ergeben.

Naja weiß ich jetzt nicht ganz. Ich weiß es könnte vielleicht nutzlos sein, dass ich schreibe aber ich finde das Thema interessant und gut das du das ansprichst.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung