Was sind Gleichnisse und warum spricht Jesus in Gleichnissen? Brauche schnell eine Antwort (Religion katholisch)

13 Antworten

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Jesus hat bekanntermaßen oft und gerne in Gleichnissen gesprochen, sich also bevorzugt der metaphorischen Rede bedient. Den Jüngern kam das irgendwann einmal etwas merkwürdig vor und so fragten sie ihn eines Tages geradeheraus, warum er denn immerzu in Gleichnissen rede. Was Jesus auf diese Frage geantwortet hat, wird uns von drei der Evangelisten zwar sehr ähnlich berichtet, aber es ist durchaus nicht klar, was er eigentlich gemeint haben könnte. Nun, sehen wir uns das einmal genauer an:

Der Sinn der Gleichnisse nach Markus (4,10-12)

Als er mit seinen Begleitern und den Zwölf allein war, fragten sie ihn nach dem Sinn seiner Gleichnisse. Da sagte er zu ihnen: Euch ist das Geheimnis des Reiches Gottes anvertraut; denen aber, die draußen sind, wird alles in Gleichnissen gesagt, denn sehen sollen sie, sehen, aber nicht erkennen; hören sollen sie, hören, aber nicht verstehen, damit sie sich nicht bekehren und ihnen nicht vergeben wird.

Das ist nun einigermaßen unerwartet und verwirrend. Markus scheint zu glauben, dass die Gleichnisse die Wahrheit irgendwie verschleiern und vernebeln sollen. Mehr noch, sie sollen die Menschen absichtlich verwirren, damit sie sich nicht bekehren und damit ihnen nicht vergeben werden muss. Wie ist das möglich? Kann das Jesus tatsächlich so gesagt haben?

Die Stelle ab „denn sehen sollen sie“ ist allerdings, wie man dank des Kommentars in der Einheitsübersetzung sofort erkennen kann, von Markus aus Jesaja 6,9 in den Text hineinmontiert worden. Man sieht wieder einmal, Textmontagen und versteckte Zitate sind keine Errungenschaft der Postmoderne. Unentscheidbar ist, ob Jesus tatsächlich Jesaja zitiert hat oder ob Markus hier aus eigenem Antrieb eine Referenz auf Jesaja gesetzt hat.

Die ganze Verwirrung entsteht jedenfalls erst mit diesem Zitat. Zuerst wird nur gesagt, dass es den Aposteln vergönnt ist, die Wahrheit unmittelbar zu versehen, dass zu den anderen aber in Gleichnissen gesprochen wird. Man möchte sofort ergänzen: Damit sie die Wahrheit auch begreifen können, weil sie sie anders nicht verstehen können. Interessanterweise sagt das Markus aber nicht, sondern webt hier die Jesaja Stelle in seinen Text, die einen komplett konträren Sinn erzeugt und auch aus einem komplett anderen Kontext stammt. Im Kapitel 6 des Jesaja Buches geht es um die Berufung des Propheten; er wird zu einem Werkzeug und Sprachrohr der Drohungen Gottes gegen sein Volk. „Sehen sollen sie, aber nicht erkennen, hören sollen sie, aber nicht verstehen…“, das ist ein Teil dieser großen Drohrede.

Auf den ersten Blick scheint die Montage widersinnig und willkürlich. Sie scheint so gar nicht zu Jesu Leben und Wirken zu passen. Am liebsten würden wir sie weglassen. Aber so einfach wollen wir es uns nicht machen. Der Text stellt durch und mit dem Zitat eine Nähe zwischen Jesaja und Jesus her, anders gesagt, er stellt dadurch Jesus in eine Reihe mit den Propheten des alten Testaments. Hier zeichnet sich nun ein anderer Sinn der Metaphern ab, ein fernes Echo jener Bestrafungsaktion Gottes, die mit der „babylonischen Sprachverwirrung“ verbunden ist.

Der Sinn der Gleichnisse nach Matthäus (13,10-17):

Da kamen die Jünger zu ihm und sagten. Warum redest zu ihnen in Gleichnissen? Er antwortete: Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Himmelreichs zu erkennen; ihnen aber ist es nicht gegeben. Denn wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat. Deshalb rede ich zu ihnen in Gleichnissen, weil sie sehen und doch nicht sehen, weil sie hören und doch nicht hören und nichts verstehen. 

Hier fällt als erstes auf, dass ein neues Zitat (Sprüche 11,24) in den Text gewoben wurde. „Denn wer hat, dem wird gegeben, wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen“. Das Zitat gibt es auch bei Markus und Lukas, aber an jeweils anderen Stellen. Mit der Platzierung des Zitats werden natürlich starke Bedeutungsakzente gesetzt. An dieser Stelle scheint mir das Zitat zu bekräftigen, dass das (unmittelbare) Verstehen nur jenen möglich ist, die (ohnehin) schon verstanden haben. Das klingt zugleich ein wenig nach der Paradoxie des „Preaching to the converted“.

Zum anderen fällt auf, dass das Jesaja Zitat nicht mehr final, sondern kausal mit dem Text verbunden ist. Mit der Konjunktion verändert sich aber auch der Sinn. Bei Markus und Lukas spricht Jesus in Gleichnissen, damit die Menschen hören, ohne zu verstehen, also damit sie verwirrt werden. Bei Matthäus aber, weil sie hören, ohne zu verstehen. Der Zweck der Gleichnisse wird an dieser Stelle nicht angegeben, aber es entsteht eine offene Stelle, ein Freiraum für einen anderen Zweck als den der Bestrafung und Bedrohung.

http://www.kornelius-jc.net/egw/Bilder%20vom%20Reiche%20Gottes.pdf

Rohe1111 
Fragesteller
 31.08.2015, 20:36

Danke für die Antwort und Bitte 😂☺️😌😏🙈🙆🏼

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Hallo Rohe1111

Vorab dieser Hinweis:  Jesus Christus war nicht katholisch und selbst  zu den etablierten Religionsführern seiner Tage ging er auf Distanz,  beispielsweise hielt er ihnen vor,  dass sie Gottes Wort vermarkteten statt es kostenfrei zu verkündigen (Micha 3:11;  Matthäus 10:8).

Deshalb also kann es auf Deine Frage nach dem Grund für die Verwendung von Gleichnissen auch keine „katholische“  sondern „nur“ eine biblische Antwort geben.  Ist das ok? 

Und die könnte sich etwa so anhören:

Als Jesus sich vor gut  neunzehnhundert Jahren am Galiläischen Meer aufhielt, kamen große Volksmengen zu ihm, um seineWorte der Weisheit zu hören. Er predigte auf eine Art und Weise,  wie sonst noch niemand zu ihnen geredet hatte!  Unter anderem eben durch seine Gleichnisse.

Nach dem Bericht in Matthäus 13:10-15 ergab sich daraus folgendes Gespräch:

„Da traten die Jünger herzu und sagten zu ihm: „Warum redest du in Gleichnissen zu ihnen?“  Er gab zur Antwort: „Euch ist es gewährt, die heiligen Geheimnisse des Königreiches der Himmel zu verstehen,  jenen Leuten aber ist es nicht gewährt.  Denn wer immer hat, dem wird mehr gegeben werden, und er wird Überfluss bekommen;  wer immer aber nicht hat, dem wird auch noch das, was er hat, weggenommen werden.

Deshalb rede ich in Gleichnissen zu ihnen, weil sie, obgleich sie schauen, vergeblich schauen und  obgleich sie hören, vergeblich hören und auch den Sinn davon nicht erfassen; und an ihnen erfüllt sich die Prophezeiung Jesajas, welche sagt: ‚Hörend werdet ihr hören,  doch keineswegs den Sinn davon erfassen; und schauend werdet ihr schauen, doch keineswegs sehen. Denn das Herz dieses Volkes ist unempfänglich geworden, und mit ihren Ohren haben sie gehört, ohne zu reagieren, und ihre Augen haben sie geschlossen, damit sie mit ihren Augen nicht etwa sehen und mit ihren Ohren hören und mit ihrem Herzen den Sinn davon erfassen und umkehren und ich sie heile.“  (Zitat Ende)

Das war Klartext,  wie man ihn Jesus eigentlich gar nicht zugetraut hätte  -  aber wenn es um die Wahrheit ging,  war er mutig  und rüttelte auch die verschlafensten  Zuhörer wach  - und zwar in deren ureigenstem Interesse!

Ganz eindeutig war es nämlich  die Verstocktheit vieler seiner Zuhörer,  die ihn zu seiner überdeutlichen Kritik veranlasste!

Woran war das erkennbar? Und wie wirkte sich das aus?

Auf der einen Seite waren da  seine zwölf treuen Apostel.  Sie hatten bereits viel gelernt und wollten noch mehr lernen. Sie gebrauchten ihr Denkvermögen, um „die heiligen Geheimnisse des Königreiches der Himmel zu verstehen“. Dadurch hatten sie an Erkenntnis und Verständnis zugenommen und als Anerkennung dafür sollte ihnen noch ‘mehr gegeben werden, damit sie davon im Überfluss hätten’. In ihrem späteren Leben erwiesen sie sich deshalb auch als loyale Christen.

Auf der anderen Seite gab es die große Mehrheit der übrigen Juden. Sie reagierten gleichgültig und undankbar  -  und deshalb wies Jesus  warnend daraufhin,  dass ihnen u. U. selbst das genommen werden würde, was sie über ihren Schöpfer wussten und sogar das,  was sie ihrem Gott als  dessen „auserwähltes Volk“ verdankten.

Und nun betrachte bitte  die interessante aber tragische Auswirkung dieser Worte Jesu:   Fast 40 Jahre später, im Jahre 70  u. Z. verlor das jüdische Volk in seiner Gesamtheit seine Eigenständigkeit,  es verlor sogar Jerusalem,  seine heilige Stadt,  es verlor  seinen Tempel und es verlor die Gunst, die sie bei Jehova,  ihrem Gott noch zu haben glaubten.  Die Römer waren die neuen Herren.  Und so bewahrheiteten sich Jesu Worte: „Wer aber nicht hat, dem wird auch noch das genommen werden, was er hat.“

Gleichnisse waren es also,  die wichtige christliche Zusammenhänge auf eine Art und Weise vermitteln sollten, die es den Zuhörer erleichtern sollte, deren Sinn zu erfassen.  Die allermeisten Hörer allerdings beließen es trotzdem beim bloßen Zuhören  -  ohne darauf zu regieren.  Sie dachten nicht über das Gehörte nach und fühlten sich auch nicht veranlasst danach zu handeln.

Und das hat sich bis heute nicht geändert  -  und deshalb haben Jesu Gleichnisse  -  über die damalige Zeit hinaus  -  weiterhin ganz grundsätzliche Bedeutung. Nicht nur für alle Christen  -  sondern für die ganze Menschheit.

Auch heute wollen viele Menschen nicht auf Gottes Wort hören. Sie wollen schon gar nicht  „mit ihrem Herzen“ den Sinn davon erfassen -besonders dann nicht,  wenn es notwendig wird  gründlich darüber nachzudenken und entsprechend zu handeln  -  nicht einmal, wenn sie Gottes Botschaft in Form  eines  Gleichnisses hören,  das eigentlich ihr Herz erreichen sollte.

Das Herz steht übrigens in der Bibel häufig als eine Synonym für  . . .

Abundumzu  02.06.2015, 12:51

Das Herz steht übrigens in der Bibel häufig als Synonym für den inneren Menschen  - für das, was wir wirklich sind.

Und daher sind es die ernsthaften und wirklichen Nachfolger Jesu, die   - damals wie heute - ihre Bereitschaft die „tiefen Dinge Gottes“ oder die „Geheimnisse des Königreiches“ zu erfassen  dadurch zeigen dass sie „mit dem Herzen zuhören“  und die Fragen nach dem WARUM und dem WIESO  zu ergründen suchen -  und dann auch danach handeln.

An jeden, der darauf überzeugend positiv reagiert wenden sich Jesu Worte aus Matthäus 13:16-18:

„Glücklich aber sind eure Augen, weil sie sehen, und eure Ohren, weil sie hören. Denn wahrlich ich sage euch: Viele Propheten und Gerechte haben das zu sehen begehrt, was ihr erblickt, und haben es nicht gesehen, und das zu hören, was ihr hört, und haben es nicht gehört.  

Ihr nun, hört das Gleichnis von dem Manne, der säte.“

Und über diese Gleichnis vom Sämann könntest Du - wenn Du möchtest - hier weiterlesen:

https://www.gutefrage.net/frage/klausur-in-religion-ein-gleichnis-jesu-interpretieren#answer-12804125


Vielleicht findest Du in dieser Antwort einige brauchbare Denkanstöße

Viel Erfolg und alles Gute.



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Abundumzu  02.06.2015, 21:43
@Abundumzu

Noch eine kurze Ergänzung, Rohe1111weil ich mir vorstellen kann,  dass Du bei den recht unterschiedlichen Antworten auf dieser Seite noch immer nicht so recht weißt,   WARUM Jesus in Gleichnissen sprach.

Deshalb meine Antwort noch einmal in Kurzfassung und aus einem anderen Blickwinkel:

Gleichnisse oder Vergleiche konnte man sich zwar leichter merken,  aber wenn man ihren Sinn verstehen wollte,  musste man schon gründlich darüber nachdenken.

Und genau das war der Knackpunkt!  Wer dachte schon mühsam über etwas nach,  was ihn -  wenn er ehrlich war  - eigentlich gar nicht wo wirklich interessierte. Und schon ließ er es  sein.

Ganz anders reagierten Personen,  die mit dem Herzen und  deshalb ganz  aufmerksam zugehört hatten.  Sie nahmen sich die Zeit darüber nachzudenken und infolgedessen erfassten sie den Sinn.  Und nicht zuletzt konnten sie sich das Ganze auch noch relativ leicht merken,  weil  das  „Vergleichnis“  leicht zu behalten war.

Im Ergebnis wurde durch diese Art des Lehrens  ganz schnell die "Spreu vom Weizen"  getrennt.

War das von Bedeutung?

Auf jeden Fall,  denn Jesus suchte  -  wie er das einmal erläuterte  -  nach folgsamen "Schafen" und nicht nach widerspenstigen "Ziegenböcken".  (Matthäus 25 ab Vers 31)

Vielleicht ist es so etwas einfacher zu verstehen.



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Die einzige Wahl, die der Mystiker hat, wenn er uns etwas von seiner einzigartigen Erfahrung mitteilen will (ohne gerade im Schweigen oder in den verneinenden Bestimmungen des Vedanta oder eines Johannes vom Kreuz zu enden), ist, daß er notgedrungen zu Bildern und Gleichnissen Zuflucht nimmt. – In seinem Masnavi erklärt Maulana Rumi:

Es ist nicht richtig, dir mehr zu sagen, denn das Flußbett kann das Meer nie fassen.

Und Jesus spricht über dieses Thema ganz offen zu seinen engsten Jüngern (denen er eine direkte innere Ersthand-Erfahrung geben konnte):

Euch ist’s gegeben, das Geheimnis des Reichs Gottes zu wissen; denen aber draußen widerfährt es alles durch Gleichnisse.

Markus 4, 11

  1. Jesus spricht nicht, er ist seit kanpp 2000 Jahren tot, falls es ihn gegeben hat.
  2. Wie er gesprochen hat, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Nimm die Unterschiede zwischen den Evangelien und ziehe sie von den Gemeinsamheiten ab. Dann hast du einen kleinen Anhaltspunkt, was die Glaubwürdigkeit betrifft.
  3. Reden wir alle ständig in Gleichnissen, mehr oder weniger bewusst oder deutlich. Wir nennes es eher Beispiele. Wichtig ist stets die Art, einen Schluss oder Schlussfolgerung zu ziehen.

Wenn ich dich also zum Mut ermuntern will, erzähle ich dir eine Geschichte, wo Feigheit schlecht endet und Mut gut. Weil diese Denkweise besser in deinen Geist vordringt als ein direktes Rezept, mit dem du ja gerade Probleme hast.

Mit Gleichnissen kann man übrigens nicht nur Wahrheiten vermitteln, sondern auch Unwahrheiten. Siehst du an den heutigen Verschwörungstheorien, und auch an vergangenen Theoriegebilden.

Jesus spricht in Gleichnissen, weil die Menschen damals solche Geschichten sofort verstanden haben, einen logisch aufgegliederten Beipackzettel, hätten sie nicht verstanden, wahrscheinlich noch nicht mal entziffern können.

Das ist das Gleiche wie bei Märchen, da versteht auch jeder gleich die Grundbotschaft, z.B. dass man aus einem Frosch keinen prinzen machen kann, wenn man einen schlechten Charakter hat.

Meine Freundin hat einen guten Charakter, da funktionierts leider auch nicht.