Was halten an deutscher Innenpolitik Interessierte von folgender Meinung?
Herr Professor Patzelt, in Ostdeutschland stehen im kommenden Jahr drei Landtagswahlen an. Was sagt es über den Zustand der Demokratie aus, wenn die AfD zweimal stärkste Kraft werden könnte?
Werner Patzelt: Es sagt vor allem darüber etwas aus, ob die Menschen den etablierten Parteien zutrauen, die Probleme unserer Gesellschaft zu lösen. Und die sind groß. Sie reichen von ungesteuerter Zuwanderung samt mangelhafter Integration bis hin zu einer Energiepolitik, die den Wirtschaftsstandort Deutschland gefährdet.
Zugespitzt formuliert: Was unsere Demokratie bedroht, ist weniger das Erstarken der AfD. Es ist jene politische Pfuscherei, durch die unsere staatstragenden Parteien die AfD erst haben entstehen und groß werden lassen. Bei vielen Wählern herrscht der Eindruck: Die etablierten Parteien verweigern die Arbeit.
Und das tun sie aus Ihrer Sicht?
Tatsache ist, dass viele es so sehen, gerade im Osten. Hier gibt es eine nicht kleine Minderheit, die meint, dass sich unser Land in einer ähnlichen Lage befindet wie die späte DDR, der Zusammenbruch also bevorsteht. Sie glauben, das Land geht vor die Hunde, aber keiner traut sich, die Gründe zu benennen und die Probleme zu lösen. Ob es tatsächlich so schlimm ist, steht auf einem anderen Blatt. Wichtig ist aber, dass es diese Wahrnehmung gibt. Und dass sie viele dazu veranlasst, die AfD zu wählen.
5 Antworten
"Menschen trauen den Regierungsparteien nicht zu die Probleme des Landes zu lösen?"
Ja, das stimmt und liegt viel daran, dass innerhalb der Koalition immer wieder Vereinbarungen gebrochen wurden.
"Sie reichen von ungesteuerter Zuwanderung ..."
Das stimmt nicht, die Zuwanderung ist nicht ungesteuert und die gesamte Debatte um die Migrationspolitik ist nur eine Nebelkerze, um die Aufmerksamkeit von wichtigeren Themen abzulenken.
"Energiepolitik, die den Wirtschaftsstandort Deutschland gefährdet."
Stimmt nicht, denn die Regierenden haben durchaus im Blick, was die Industrie braucht, um auch in Deutschland weiter zu produzieren. Viel gefährlicher ist hier die verfehlte Debatte um Migrationspolitik, die zu einem Klima der Ablehnung und Ausgrenzung führt und damit Ausländische Fachkräfte, die wir sehr dringend brauchen, verschreckt.
"der Zusammenbruch also bevorsteht."
Es stehen gleich mehrere Veränderungen bevor. Die gesamte Industrie wird klimaneutral werden, die Frage ist nur, ob sie bei uns bleibt, oder ob unsere Industrie eingeht, weil sie klimaschädlich und unfähig für die Zukunft ist, dafür an anderen Orten die Industrie wächst, oder ob unsere Industrie es schafft sich umzustellen.
Das ist eine Interpretation der gegenwärtigen Politik. So einer Meinung darf man sein und sie äußern.
Ich möchte eine Vergleich darlegen, der das selbe ausdrückt:
Dass sich Intoleranz ausbreitet liegt nicht so sehr an der Zustimmung, intolerant zu sein, sondern an der Schwäche der Toleranten, die so eine Freie Meinung zulassen.
Nachdenken. ;-)
Was Patzelt meint: Eigentlich möchte niemand die AfD an der Regierung. AfD Wähler möchten nur, dass die Regierung mehr das tut, was die AfD Wähler wollen. Es sind also AfD Wähler! Nach Lesart von Patzelt sind sie es nicht.
Die Intention meines Satzes: Eigentlich will niemand intolerant sein, sie breitet sich aber trotzdem aus, weil (auch) die Meinung der von sich selbst als tolerante Titulierte dahin geht, dass man zu tolerant ist. Das ist Widerspruch und Unfug!
Erkennst du es?
Ich halte die Meinung für richtig.
Hauptgrund für das Erstarken der AfD ist die Schwäche der alten Parteien und ihr Unvermögen, bestimmte politische Themen zu behandeln.
Ist es nicht eher so, dass manche Themen nicht konform zu den Forderungen anderer behandelt werden?
Es kommt nun mal nicht gut an, wenn die Einwanderungspolitik aus den Nähten platzt.
Ja. Scheinbar käme es besser an, wenn man Schutzbedürftige nicht unterstützt.
Wenn die Regierung in dieser Hinsicht aber gesetzeswidrig handelt, müsste sie ja Obiges für legal bezeichnen.
Es käme besser an, wenn der Staat das ohnehin schon stark belastete deutsche Sozialsystem und den Wohnungsmarkt sowie die Kommunen nicht mit tausenden Einwanderern pro Jahr mehr belastet; sowie sich stärker für Rückführungen einsetzt.
Ja, käme bei vielen besser an, nicht bei allen. Überhaupt kommen selbstbezogene Themen immer besser an.
Das Thema ist quasi kurz folgendermaßen zu analysieren. Es gibt mehr Hilfsbedürftige als Hilfsbereite, bzw. das Ausmaß der Hilfsnotwendigkeit ist größer, als die Bereitschaft von Hilfszuwendung. Wenn man das anwendet, was du präferierst, bleiben wiederum mehr Hilfsbedürftige zurück. Es verbessert die Gesamthilfsbedürftigkeit nicht, es verschärft sie!
Es gibt bessere Wege, diesen Menschen zu helfen, als sie alle hier aufzunehmen.
Das belastet im Endeffekt nur Deutschland.
Du bist also auch für Hilfe, damit sie nicht verhungern oder abgeschossen werden möchten? OK.
Deine Moralisierung zieht bei mir nicht.
Deutschland ist weder in der Pflicht noch in der Lage, das Leid auf der Welt (allein) zu lösen. Und die Aufnahme aller Leidenden hier ist die denkbar schlechteste Lösung, weil nächstes Jahr die selbe Anzahl wieder bereitsteht, während Deutschland unter der finanziellen Last leidet.
Ja. Deutschland ist weder verpflichtet noch in der Lage allein das Leid auf der Welt zu lösen. Ebensowenig wie einer allein in Deutschland in der Lage ist, allen Hilfsbedürftigen zu helfen.
Weil das so ist, argumentiert jeder so wie du, weil ich (allein oder als Staat) nicht alles Leid mindern kann, ist es besser, dass ich (Staat) es auch nicht tue!?
Ja. Deutschland und jeder Bürger leidet unter der Last einer Hilfstat. Andere leiden, weil es keine Hilfe gibt. Du siehst es als unmoralisch an, wenn lieber andere mehr leiden. OK.
Ich denke eher, die im Osten lebenden Menschen haben ihre eigene Geschichte nie richtig und selbstkritisch aufgearbeitet. Nach dem Krieg waren alle Nazis im Westen, nach dem Zusammenbruch der DDR war die Treuhand verantwortlich. Dadurch fehlt im Osten das demokratische Bewusstsein in großen Teilen der Bevölkerung. Die AfD ist deshalb dort stark, weil eine kritische Zivilgesellschaft fehlt. Wenn ehemalige SED-Blockflöten wie der sächsische Ministerpräsident unhinterfragt regieren, dann stimmt für mich die ganze Richtung nicht.
Als Lehrer Hakenkreuzschmierereien und andere Fehlverhalten ankreideten, wurden sie von Schulleitung, Eltern und den Bürgern ausgegrenzt. Selbst die Kultusbürokratie hat sehr lange gebraucht, bis Konsequenzen kamen.
Stimmt, er war seit ´89 in der Jungen Union, damals bereits keine Gruppierung der DDR CDU. Da habe ich mich geirrt.
Es sagt mal eher aus, dass es in Neufünfland vor Nazis nur so wimmelt, weil es in der DDR keine Friedens- und Demokratie-Erziehung und keine Vergangenheitsbewältigung gegeben hat.
Was soll das in der Konsequenz bedeuten?