Was denkt ihr über diese Aussage?
Meine Ansicht dazu:
Das Zitat von Klaus von Dohnanyi spricht eine wesentliche Schwäche westlicher Außen- und Medienpolitik an: die Unfähigkeit (oder der Unwille), sich in andere kulturelle, historische und geopolitische Perspektiven hineinzuversetzen. Er plädiert nicht für ein Gutheißen, sondern für ein Verstehen – ein Unterschied, der im öffentlichen Diskurs oft absichtlich verwischt wird.
Die pauschale Diffamierung von sogenannten „Putin-Verstehern“ oder anderen, die alternative Sichtweisen zulassen, zeigt genau diesen westlich geprägten Absolutheitsanspruch: Nur die eigene Weltsicht wird als legitim erachtet – alles andere gilt als Feinddenken.
Dohnanyi macht deutlich: Wer wirklich Frieden, Stabilität oder Verständigung will, muss verstehen wollen – und zwar über den eigenen Tellerrand hinaus.
12 Antworten
Es geht nicht um die westliche Perspektive. Es geht um bestimmte Werte im Miteinander der Völker, Nationen und Menschen. Der Verzicht, seine politischen Ansprüche durch einen Krieg durchzusetzen, ist so ein Wert. Auch die Ermordung von Zivilisten, Vergewaltigungen, Plünderungen sehe ich nicht als allein westliche Werte. Krankenhäuser und Kindergärten anzugreifen, ist nicht mit humanistischen Werten vereinbar. Auch nicht die Entführung von Kindern.
Man kann alles und jeden versuchen zu verstehen. Vergewaltiger, Kinderschänder, Massenmörder. Wir hatten bei letzterem ja auch unsere Tradition. Aber dennoch sollte man es ablehnen.
Bei den Russen halte ich die Argumentation auch für unglaubwürdig. Den Überfall auf die Ukraine verstehe ich eher als Reaktion auf eine Demütigung durch den Rückzug der Satellitenstaaten aus deren Einflussbereich.
Nun, der Vergleich mit westlichen Kriegsverbrechen der Vergangenheit könnte auch ein Whataboutismus in stalinistischer Tradition bezeichnen. Aber ich sehe den Irakkrieg beispielsweise auch kritisch. Das ändert jedenfalls nichts an russischen Verbrechen.
Verstehen ist wertneutral. Ich sehe den Begriff in der Tradition Max Webers. Aber Verstehen bedeutet nicht, die russischen Aussagen und Rechtfertigungen zu akzeptieren. Deshalb verstehe ich die russische Reaktion, nicht nur des Kremls, als eine Folge der Demütigung durch die Niederlage im Kalten Krieg.
Hallo Patrick3319de!
Ich halte weder etwas von Geschwurbel noch von Putinisten.
Ferner sind mir irgendwelche MEMES oder vermeintliche Aussagen egal.
Wer "vermeintlich" irgendetwas behauptet, juckt mich nicht.
Bei Diktatur, altbackenen Sichtweisen, Rechtsverletzungen und Co.
gibt es nichts zu verstehen oder hineinzuversetzen.
Nein, man muss "nicht" verstehen wollen und bei Rechtsbrüchen und falschen Gedankengütern über den Tellerrand hinausblicken.
Auch das Totschlagargument, dass Russland die Ukraine von Nazis befreien muss, ist reine Propaganda. Auch der Schwachsinn, dass die NATO so dramatisch gefährlich ist und nicht in der Nähe Russlands sein darf, ist reine Propaganda. Da muss man weder verstehen noch sich hineinversetzen. Terrorstaaten wollen doch die eigene Diktatur nicht abschaffen und Menschen Demokratie erlauben. Da muss man nichts verstehen und sich hineinversetzen.
Wenn Putin gehirngewaschen ist, noch in der Steinzeit lebt und menschenunfreundliche Systeme zu seinen Gunsten am Laufen hält, muss man sich nicht hineinversetzen.
In der Psychologie ist es immer schlau, wenn man sich "hineinversetzt", um nachvollziehen/verstehen zu können, aber es ändert an der Faktenlage nichts;
man möchte es auch nicht!
Wenn man sich "jetzt" in Putin hineinversetzt, dann ändert dies gar nichts oder macht Menschenrechtsverletzungen legitim(er).
Wer verstehen ablehnt, hat sich aus dem Diskurs verabschiedet – nicht aus moralischer Überlegenheit, sondern aus intellektueller Bequemlichkeit. Es geht nicht darum, Putins Handlungen zu rechtfertigen, sondern darum, zu begreifen, warum sie geschehen. Wer sich weigert, in die Denkweise des Gegenübers einzutauchen, der kann auch keine strategisch kluge Antwort formulieren – sondern nur reagieren, reflexhaft und ideologisch aufgeladen.
„In der Psychologie ist es schlau, sich hineinzuversetzen“ – sagst du selbst. Genau darum geht es in der Geopolitik auch. Wer nicht erkennt, welche Motive Russland bewegt, warum die NATO-Osterweiterung aus russischer Sicht nicht als Garant für Frieden, sondern als Bedrohung empfunden wird, wird auch nicht verstehen, warum Russland seit Jahrzehnten auf Konfrontation ausgerichtet ist. Dass du das Wort „vermeintlich“ ablehnst, zeigt nur: Du willst keine Grautöne – du willst Gut gegen Böse, damit dein Weltbild stabil bleibt.
Doch genau das ist gefährlich. Wer sich der Mühe des Verstehens verweigert, wird stets nur Feindbilder produzieren. Wer jedes Verstehen mit Zustimmung gleichsetzt, hat nicht verstanden, was Analyse bedeutet. Und wer das Denken durch moralische Empörung ersetzt, wird am Ende von den Entwicklungen überrollt – weil er sie nicht kommen sieht.
Frieden entsteht nicht durch moralische Empörung, sondern durch Realpolitik, nüchterne Betrachtung und das Erkennen des Spiels hinter der Bühne
Du die sogenannten Nazis in der Ukraine
Ich kann Putin sogar sehr gut verstehen. Das hat aber nichts damit zu tun, dass ich verachte was er tut.
Im Alter von 96 Jahren darf am alle sagen. Es ist nur nicht mehr bedeutsam.
Hier ist ein grundlegendes Missverständnis: putin wird verstanden. putin wird von vielen im Westen sehr gut verstanden. Diejenigen die ihn noch nicht verstehen sind viele Regierungen, die russland immer noch nicht mit aller Härte bekämpfen weil sie glauben, putin könnte irgendwie noch zur Besinnung kommen.
Andersherum ist das Problem: Die russland-Freunde haben ein falsches und romantisiertes Bild von putin und russland.
putin verstehen heißt zu verstehen, dass er Frieden, Stabilität und Verständigung nicht möchte. Er sieht Frieden nicht als etwas erstrebenswertes an. Er will Stabilität für russland und Instabilität für Europa. Er interessiert sich nicht für Verständigung!
Hier ist die große Ironie: putin verstehen heißt, ihn bekämpfen zu wollen!
"putin-Versteher" ist ein ironisch gemeintes Schimpfwort. Ich verstehe putin besser als ihr! Ich verstehe putins Interessen und Argumente. Ihr versteht sie nicht!
Wenn er sagt, er möchte eine russische Welt von Lissabon bis Wladiwostok, dann verstehe ich was putin meint: Eurasische Hegemonie. Ihr schwurbelt irgend einen Unsinn davon, dass "russische Welt" ja eine Freihandels- und Kulturzone meint... Ihr habt putin nicht verstanden!
Es ist als ob man sagt: "Ihr versteht Hitler nicht! Wer wirklich Frieden, Stabilität oder Verständigung will, muss verstehen wollen – und zwar über den eigenen Tellerrand hinaus." Als ob Hitler nur missverstanden worden wäre.
Hitler wollte Hegemonie über Europa. Er wollte die Juden töten. Wer darüber schwurbelt, dass es Hitler ja eigentlich um etwas ganz anderes ginge, und dann irgendetwas zusammenfaselt von imaginären Zielen die Hitler gehabt hätte... so muss man das vergleichen!
putin verachtet die Weltordnung die wir haben. putin sieht nichts positives in Frieden. Er sieht es als Katastrophe an, dass russland keine Weltmacht mehr ist. Er verabscheut es, dass er nicht mehr erobern darf. russland sieht sich als Weltmacht, nur auf Augenhöhe mit den USA. Es widert sie an, dass Europa sie als zweitklassige Regionalmacht betrachtet. Wie der dumme, starke Junge schlägt russland um sich um zu beweisen, dass es noch relevant ist.
russland ist ein Imperium, ein Völkergefängnis das die Insassen wieder einfangen möchte, die ihm 1990/91 entkommen sind.
Die sogenannten "putin-Versteher" verstehen putin ja eben nicht. Das ist der Witz daran: Sie verstehen putin nicht oder geben putins Motive falsch wieder. Beides unterstützt russland.
Wer behauptet putin zu verstehen, und dann nicht vehement gegen ihn kämpft versteht putin eben nicht oder möchte Krieg.

Wer meint, Putin sei ein klassischer Nationalist, hat nicht verstanden, wessen Geist wirklich durch den Kreml weht. Putins Ideologie ist nicht ethnisch-national, sondern imperial – und eng verwandt mit den Theorien Alexander Dugins, einem bekennenden Stalin-Verehrer und Architekt der sogenannten Eurasischen Idee. Diese verfolgt keine Rückbesinnung auf ein ethnisch reines Russland, sondern träumt von einem Vielvölkerreich unter russischer Vorherrschaft – von Lissabon bis Wladiwostok.
Dugin lehnt westliche Werte, Nationalstaatlichkeit und Liberalismus kategorisch ab und will sie durch eine autoritär-zentralistische Weltordnung ersetzen. Ironischerweise werden russische Nationalisten, die für ethnische Homogenität und nationale Souveränität eintreten, im heutigen Russland verfolgt, eingesperrt oder zum Schweigen gebracht – weil sie nicht ins imperiale Konzept passen. Das allein zeigt schon, wie wenig mit „völkischem Nationalismus“ à la Europa das gegenwärtige Russland zu tun hat.
Putins Außenpolitik ist keine Fortsetzung von konservativer Selbstbehauptung, sondern ein post-sowjetischer Wiederbelebungsversuch imperialer Hegemonie, gespeist aus einer Mischung aus Stalin-Nostalgie, orthodoxem Überbau und geopolitischem Machbarkeitsdenken. Dass viele westliche Kritiker das nicht unterscheiden können – oder wollen – ist Teil des Problems.
Wer also glaubt, Russland sei das letzte Bollwerk der „Rechten“ oder gar ein Verbündeter in einem konservativen Weltbild, irrt doppelt.
Ausgezeichnet ausgedrückt.
Wirklich sehr gut. So gut, dass ich in Zukunft vielleicht Formulierungen verwenden werde wenn du nichts dagegen hast.
Wenn ich dir vorgeworfen habe, putin nicht zu verstehen, nehme ich das zurück.
Was daraus folgt sollte doch sein, dass wir putin mit aller Macht bekämpfen müssen. Dass ein dauerhafter Frieden mit russland nur möglich ist, wenn russland sich grundlegend und aus sich selbst heraus ändert, oder indem wir militärisch so mächtig sind, dass es sich vor uns fürchtet.
Was du da geschrieben hast, ist doch ein klarer Beweis dafür, dass es nicht möglich ist russland zu besänftigen oder in Kooperation mit ihnen zu leben. Dass die Verständigung die du forderst nicht möglich- nicht wünschenswert- ist.
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Was die meisten putin-Versteher wollen und fordern sind in der Regel irgendwelche nach Westen gerichteten Propaganda-Sprüche über die Friedfertigkeit russlands, die Verschwörungen der CIA und die bösen Ukronazis die man unbedingt besiegen müsste für den Frieden. Das ist mit "putin-Versteher" gemeint.
Deine Schlussfolgerung ist verständlich, aber sie folgt einer rein konfrontativen Logik: Abschreckung statt Verständigung, Stärke statt Kooperation. Ich halte das für gefährlich einseitig. Ja, Putin ist kein liberaler Demokrat. Ja, Russland verfolgt seine eigenen geopolitischen Interessen – genau wie jede andere Großmacht auch. Aber daraus abzuleiten, dass jeder Dialog sinnlos sei, führt nicht zur Sicherheit, sondern zur Eskalation.
Kooperation heißt nicht Kapitulation. Es heißt, gemeinsame Interessen zu identifizieren, um Konfrontation zu vermeiden, bevor sie sich militärisch entlädt. Das war die Logik der Entspannungspolitik im Kalten Krieg – und sie hat funktioniert, obwohl auch damals auf beiden Seiten ideologische Gegensätze und machtpolitische Ambitionen existierten.
Sicher: Stärke zu zeigen ist notwendig – aber nur als Mittel zur Stabilität, nicht als Dauerzustand der Feindseligkeit. Wer glaubt, man könne Russland „ändern“ oder militärisch „in Schach halten“, ohne dass das Folgen für den gesamten Kontinent hat, irrt. Russland ist nicht verschwunden, und es wird auch nicht verschwinden.
Die Frage ist daher nicht, ob man mit Russland umgehen muss – sondern wie. Und hier scheint mir die Balance zwischen realistischer Machtpolitik und strategischer Verständigung der einzige Weg, der auf Dauer tragfähig ist. Denn die Alternative ist ein Europa in dauerhafter Konfrontation – und das kann niemand ernsthaft wollen.
Dem kann ich nicht zustimmen.
russland möchte Weltmacht sein. Dabei haben sie die wirtschaftliche Stärke Spaniens. Was wenn es Spanien wäre? Was wenn Spanien sich nicht hätte abfinden können mit dem Verlust ihres weltumstpannenden Imperiums und jetzt immer und immer wieder weltweit genozidale Kriege lostreten würde?
Würdest du auch sagen: "Man muss sich mit ihnen verständigen"?
Im Moment benimmt sich russland wie ein tollwütiger Bär. Es ist nicht die Zeit für Verständigung. Jetzt ist die Zeit russland zu besiegen. Wenn möglich zu demütigen. Wenn nötig zu zerschlagen.
Niemand hat dafür eingestanden Nazi-Deutschland zu verstehen und gemeinsame interessen zu identifizieren- wobei das stimmt nicht. Es gab Leute die dafür einstanden und man hat nicht auf sie gehört.
Aus Deutschland ist ein friedlicher, reicher und demokratischer Staat geworden. Das muss unser Ziel für russland sein.
In diesem Moment führt russland einen genozidalen Eroberungskrieg gegen ein Land das sich eindeutig und klar gegen russland entschieden hat. Die Interessen dieses Landes wiegen schwerer als die russlands. Unsere Interessen wiegen schwer als die russlands.
Was russland da macht ist nicht nachhaltig- für russland. Was die hier machen ist vor allem selbstzerstörerisch. Das ist einer der Gründe warum der Westen die Ukraine nicht mit aller Macht unterstützt hat: Die Angst was ein russland tun wird, das zerschlagen oder empfindlich besiegt wird.
Es kann nicht sein, dass wir uns nur mit russland vertragen, aus Angst vor seinen Atombomben.
Wir können russland besiegen und wir können russland isolieren! russland braucht uns viel mehr als wir es brauchen und wir sind viel stärker als russland je war und je sein wird. russlands Demographie ist unterirdisch: Zehn Jahre später und sie wären gar nicht mehr in der Lage gewesen einen Krieg vom Zaun zu brechen.
Solche Aussagen sind genau das, was uns vom Frieden entfernt: die Vorstellung, man könne ein Land wie Russland „zerschlagen“ und „demütigen“ wie einen besiegten Kleinstaat – als wäre Geopolitik ein Fußballspiel mit klaren Siegern und Verlierern. Russland ist nicht Nazi-Deutschland. Es ist eine atomar bewaffnete Großmacht mit einer tief verwurzelten Identität, Geschichte und geopolitischen Ambitionen. Wer glaubt, man könne es militärisch „besiegen“ und danach wie ein Umerziehungsprojekt behandeln, ignoriert die Realität.
Die Nachkriegsordnung in Deutschland war nur deshalb möglich, weil das Land vollständig besetzt war, die Ideologie völlig diskreditiert und eine breite Transformation unter externer Kontrolle stattfand. Russland ist nicht besetzt, nicht diskreditiert, und es gibt keine Macht auf der Welt, die ein solches Programm dort durchsetzen könnte, ohne einen globalen Krieg zu riskieren.
Wenn man Russland „demütigt“, züchtet man nicht Demokratie – sondern Rachegeist und Dauerfeindschaft. Wer wirklich an eine stabile Welt glaubt, muss sich von dieser Siegermentalität lösen. Sicherheit entsteht nicht durch Triumph, sondern durch Gleichgewicht – und durch den Mut, politische Feinde als dauerhafte Größen zu akzeptieren, mit denen man umgehen muss, statt sie vernichten zu wollen. Alles andere ist gefährlicher Größenwahn.
Die Überzeugung, Russland könne man "besiegen", "isolieren" oder gar "zerschlagen", klingt weniger nach strategischem Denken, sondern eher nach einem gefährlichen Rückfall in ideologisches Wunschdenken – so, als ließe sich ein geopolitischer Akteur dieser Größenordnung wie ein störrisches Provinzregime behandeln. Russland mag wirtschaftlich schwächer erscheinen, doch es agiert nicht nach den Spielregeln liberaler Demokratien, sondern nach einer Logik imperialer Selbstbehauptung – mit Ressourcen, Atomwaffen und globalen Verbindungen, die sich längst jenseits des Westens bewegen. Wer glaubt, man könne ein solches Land „demütigen“ oder durch „Isolation“ gefügig machen, zeigt eher einen Glauben an die Omnipotenz westlicher Deutungshoheit als ein realistisches Verständnis globaler Machtverhältnisse.
Es wirkt fast ironisch, wenn ausgerechnet diejenigen, die sonst „Diplomatie“ und „Weltoffenheit“ predigen, plötzlich mit Vernichtungsfantasien über ein Land wie Russland daherkommen – als hätte man aus dem 20. Jahrhundert rein gar nichts gelernt. Wer solche Siege plant, sollte zumindest wissen, auf welchem Schlachtfeld er am Ende selbst liegen könnte.
Die Behauptung, Russland führe einen "genozidalen Eroberungskrieg", ist ein schweres Wort – und eines, das entweder mit Präzision belegt oder nicht leichtfertig in die Debatte geworfen werden sollte. Kriegsverbrechen gibt es auf vielen Seiten – aber das Wort „Genozid“ derart zu instrumentalisieren, entwertet die tatsächlichen Schrecken, die es beschreiben soll.
Noch spannender wird es beim moralischen Vergleich der Interessen: Die Interessen der Ukraine „wiegen schwerer“ als die Russlands – warum? Weil sie westlich orientiert ist? Weil sie sich als "demokratisch" deklariert? Oder weil sie Teil eines westlichen Projekts geworden ist, das selbst maßgeblich zur Eskalation beigetragen hat? Interessen sind nicht nach moralischer Wertigkeit zu gewichten, sondern nach geopolitischer Realität. Und diese Realität ist nun mal: Russland hat Sicherheitsinteressen – ob man sie nun sympathisch findet oder nicht. Wer sie ignoriert, spielt mit dem Krieg – wie man sieht.
Und zuletzt: Der Westen unterstützt die Ukraine eben nicht mit „aller Macht“, nicht aus Angst vor einem besiegten Russland – sondern weil es schlicht keine einfache Lösung gibt. Weil man sehr wohl weiß, dass ein zerschlagenes Russland nicht die deutsche Nachkriegsordnung bringt, sondern womöglich den atomaren Abgrund. Wer das nicht begreift, verwechselt reale Machtverhältnisse mit Netflix-Narrativen über "gute Demokratien gegen böse Imperien".
Russland handelt nicht nachhaltig – ja. Aber der Westen auch nicht, wenn er glaubt, man könne dauerhaft gegen einen atomar bewaffneten Nachbarn Weltpolitik spielen wie ein Kind mit Bauklötzen. Wer Russland wirklich versteht, plant keine Demütigung – sondern sucht eine Ordnung, die stabil ist trotz aller Gegensätze.
Ich kenne derartige Threads von mir, und das ganze eskaliert sehr schnell. Wenn ich darum Details auslasse oder Aussagen von dir verkürze dann nicht, weil ich sie nicht verstanden oder zu schätzen wüsste, sondern um das ganze halbwegs kurz zu halten:
Ich habe nicht gesagt, dass man russland besetzen müsse. Ich verstehe sehr gut, dass das aus unterschiedlichsten Gründen unrealistisch ist. Niemand fordert das. Du hast da mit sehr viel Mühe einen Strohmann angegriffen. Und es juckt mir in den Fingern das weiter auszuführen, doch dann eskaliert der Thread hier darum belasse ich es dabei.
russland muss besiegt und gedemütigt werden. Und das wird passieren wenn die kleine Ukraine das starke russland aus seinem Land vertreibt. Das ist absolut realistisch und möglich und wäre schon längst erledigt wenn der Westen entschieden gehandelt hätte.
Tatsächlich möchte der Westen russland nicht zerschlagen: Sie fürchten sich davor. Das ist das größte Hindernis für starke westliche Hilfe: Die Angst vor einem zerfallenden russland.
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Genozidaler Eroberungskrieg
Welcher Teil davon ist strittig? Ich hoffe nicht, dass es Eroberungskrieg ist. Erneut, obwohl es mir in den Fingern juckt führe ich nicht aus, warum dies ein Eroberungskrieg ist und warum wir gegen Eroberungskriege sein sollte. Wir sind uns doch einig, dass dies ein Eroberungskrieg ist?
Genozidal?
Aus der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes.
In Artikel II wird der Begriff des Völkermordes definiert. Völkermord ist hiernach
eine der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören:
a) Tötung von Mitgliedern der Gruppe;
b) Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe;
c) vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen;
d) Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind;
e) gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.
Hervorhebung von mir. Das passiert gerade. russland hat zehntausende ukrainische Kinder entführt und an russische Eltern gegeben. Sie ändern ihre Namen und ihre Geburtsdaten damit man sie nie wieder findet.
Was sagt russland zu diesen Vorwürfen? Sie geben es zu. Sie prahlen damit. Laut ihnen sind es nicht zehntausende, laut russland sind es hunderttausende.
Dafür ist putin vor dem internationalen Gerichtshof angeklagt. Nicht für die unzähligen Kriegsverbrechen seiner Soldaten. Nicht für die Durchführung eines Angriffkriegs, der selbst nach russischem Recht verboten ist. Für die Entführung der Kinder. Weil das eine Tat ist, die russland nicht Mal leugnet.
Und diese Tat erfüllt ohne Zweifel die Bedingungen eines Völkermords gemäß der Konvention. Ich argumentiere sofort, dass russland auch die Punkte a, b und c erfüllt, doch bei Punkt e gibt es gar keine Diskussion: Weil russland es nicht nur zugibt, sondern damit prahlt.
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Der Witz hier ist, du argumentierst aus der Sicht einer Welt die wir begraben haben! Wir alle! Zusammen mit russland/Sowjetunion! Die Welt hat nach 1945 eine globale Weltordnung auf der Basis von internationalen Regeln und Verträgen aufgebaut.
Ich will das gar nicht weiter ausführen weil ich denke du weißt wovon ich spreche. Und russland hatte als Teil des Weltsicherheitsrates die Aufgabe diese Ordnung zu verteidigen!
Butter bei die Fische: Möchtest du, dass diese Weltordnung, die uns die friedlichste Zeit der Menschheitsgeschichte beschert hat, aufgelöst wird? Wenn nicht, dann sind all deine Argumente über die russischen Interessen, guten Demokratien und bösen Imperien und all das hinfällig. Dann muss uns klar sein, dass russland in zahlreichen (!) Verträgen zugestimmt hat rechtlich gleichwertiger Staat unter gleichwertigen Staaten auf der Weltbühne zu sein. Dass russland in zahlreichen Verträgen auf unterschiedliche Weise versprochen hat Eroberungskriege im Allgemeinen und gegen die Ukraine im Besonderen zu unterlassen. Dann muss uns klar sein, dass der Überfall auf die Ukraine ein Bruch der regelbasierten Weltordnung ist und wir diesen mit allen Mitteln verhindern und bestrafen müssen um die regelbasierte Weltordnung zu retten.
Und wenn du diese Weltordnung aufgelöst sehen willst, dann sind wir wieder in der Welt mit dem Recht des Stärkeren. Und dann ist es in unserem Interesse russland zu besiegen und zu demütigen. Dann sollten wir als Europa uns den größten Bully auf dem Gefängnishof suchen und ihm das Gesicht einschlagen um unsere Dominanz zu demonstrieren.
But you can't have it both ways.
Dein Einwand zeigt sehr gut das grundlegende Missverständnis, das in vielen westlich geprägten Diskursen mitschwingt: Die Vorstellung, dass bestimmte Werte universell gelten, aber in ihrer Anwendung stets selektiv gehandhabt werden dürfen – abhängig davon, wer gerade handelt und wer bewertet.
Natürlich sind Kriegsverbrechen wie die Tötung von Zivilisten, Vergewaltigungen, Plünderungen oder Angriffe auf zivile Infrastruktur zu verurteilen. Aber wenn man diese Maßstäbe wirklich ernst nimmt, müsste man sie ebenso auf amerikanische Drohnenkriege, auf völkerrechtswidrige Invasionen (Irak 2003), auf die Zerstörung Libyens oder die jahrelange Unterstützung von Kriegsparteien in Syrien anwenden. Das passiert aber nicht – oder nur am Rand. Stattdessen wird ein moralisches Schwarz-Weiß gezeichnet: Der Westen steht für Werte – Russland (oder jeder geopolitische Gegner) für das Böse.
Dohnanyis Zitat spricht gerade diesen Punkt an: Wer den Anspruch erhebt, für Frieden und Ordnung zu stehen, darf sich nicht in moralischer Selbstgewissheit einrichten, sondern muss begreifen, dass jede Weltmacht – auch die eigene – Interessen verfolgt. Verstehen heißt nicht entschuldigen. Aber ohne Verstehen gibt es keine Diplomatie, sondern nur Eskalation.
Die Gleichsetzung von „Verstehen wollen“ mit dem Relativieren von Verbrechen – etwa durch den Vergleich mit Vergewaltigern oder Massenmördern – mag emotional gemeint sein, ist aber politisch und intellektuell unredlich. Niemand fordert Verständnis für Taten, sondern für Motivlagen. Wer das nicht unterscheiden will, betreibt letztlich die Art von Schwarz-Weiß-Denken, die politische Verständigung unmöglich macht.