Was bedeutet für euch „strenge“ Erziehung?

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Ich halte den Begriff für ziehmlich schwammig. Alzuoft wird er auch nur an einzelnen Handlungen von Eltern festgemacht bzw. daran das es Strafen gibt.

Das ist aber nicht so ganz zutreffend. Ich gebe mal ein recht extremes Beispiel.

Ein Kind wird geohrfeigt weil es am Tisch rumhammpelt und dabei ein Glaß umstößt. Das dieses Kind ein Glaß umstößt passierte aber schon vorher einige Male und auch nach dem Vorfall mit der Ohrfeige einige Male. Manchmal bekommt das Kind eine geklatscht manchmal reagiert dieMutter/Vater ganz anders, recht entspannt und sagt das könne ja mal passieren und wischt einfach weg was verschüttet wurde.

Da haben wir nun eine "Erziehungsmaßnahme" die als überstreng gilt. Aber keine strenge Erziehung, eigentlcih haben wir da gar keine Erziehung weil das Kind nie weiß woran es ist.

Anderes Elternhaus, wenn das Kind am Esstisch herumhampelt sagen die Eltern, ich sehe das du dich gerade bewegen möchtest, das geht aber nicht am Esstisch. Stehe bitte auf und "tobe" dich ein bischen aus bis du hier mit uns zusammen Essen kannst. Ebenso gilt dort die regel das beim Essen der TV aus bleibt, keine Handys am Tisch etc. Es wird also immer für eine ruhige Atmosphere gesorgt und dies konsequent gelehrt. Das ist eigentlich viel strenger, dabei aber weit weniger restriktiv weiles auch auf die Bedürfnisse des Kindes eingeht.

Für mich macht eine Unterscheidung zwischen restriktiver/einschräkender und fördernder Erziehung weit mehr Sinn als Begriffe wie streng und lasch.

Ich wurde sehr streng erzogen, musste immer in die Kirche gehen, immer alles essen was auf dem Teller war und wenn meine Mutter es wollte auch noch mehr, ich durfte erst aufstehen wenn alles aufgegessen war.Jede schlechte Note wurde grausam bestraft, jedes Wiederwort gab eine Bestrafung, ich musste immer gehorchen und jeder Verstoß ergab wieder eine Bestrafung. Das war in meiner gesamten Kindheit so und ich war es immer selber in Schuld in den Augen meiner Mutter. Ich konnte ihr nie etwas Recht machen, es war alles falsch, von daher bekam ich auch ständig Bestrafungen, mein Vater bekam davon nichts mit, wenn er von der Arbeit kam betrank er sich regelmäßig.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Mein Neffe wird sehr streng erzogen. Er ist erst 2. Er soll brav am Tisch sitzen, darf nicht mit Essen aufstehen, er sollte sich möglichst nicht dreckig machen, er bekommt sehr oft “nein” gesagt, er MUSS zu einer bestimmten Uhrzeit Sachen machen, er soll aufessen… usw.

Verglichen mit meiner Tochter im ähnlichen Alter muss er sehr viel folgen. Meine folgt halt wenig. Aber ich finde ihre Kindheit ist schöner, weil sie sich frei entfalten darf.

Ich halte nichts von strenger Erziehung. Ich verbinde strenge Erziehung mit Prügel und anderen drakonischen Strafen. Ich bin Erzieherin und regele das ganze über eine Erziehungspartnerschaft mit den Kindern. Wir haben ein Kinderparlament in unserem Bereich. Es werden jede Woche Aufgaben vergeben, Regeln besprochen und ja, auch Konsequenzen gesetzt. Das mache nicht ich als Erzieherin, sondern das lasse ich die Kinder entscheiden. Wenn zB die Regel ist, dass nicht gebissen wir und ein Kind beißt doch, so haben die Kids nicht nur die Regel verfasst, das beißen verboten ist, sondern auch gleich eine Idee gehabt für eine Konsequenz. Wer beißt darf draußen einen Tag kein Dreirad fahren. Und da Dreirad fahren sehr beliebt ist halten sich die Kinder an die Regel und beißen sich nicht. Und so ist das mit allen Regeln und Konsequenzen bei uns durchgetaktet. Richtig ausrasten tut vielleicht mal ein Kind im Jahr. Ansonsten gehts eigentlich.

Diese Konzept kann man ab einem gewissen Alter für zuhause auch übernehmen. Wenn die Kinder an Regeln, Grenzen und Konsequenzen beteiligt werden, dann bleibt das eher in Erinnerung, als wenn man immer sagt, du darfst dies nicht, du sollt das lassen. Und ganz schlimm sind natürlich auch noch Drohungen oder Bestechung in der Erziehung.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Ich kenne 2 Arten "strenger" Erziehung:

  1. Die Eltern geben enge Grenzen für das Kind vor und sorgen auch mit Strafen dafür, dass sie eingehalten werden. Das erlaubt dem Kind wenig Spielraum eigene Erfahrungen machen zu können und bereitet deshalb nicht gut darauf vor, ein eigeneständiger und zufriedener Ewachsener zu werden.
  2. Die andere Form klingt zunächst lässiger: Man lässt das Kind sehr viel selbst entscheiden, aber dafür trägt es auch die Verantwortung für diese Entscheidungen. Mit den Rechten gehen dann auch Pflichten einher: "Kaufe dir die Handschuhe, die dir gefallen. Ich bezahle sie." Wenn die Handschuhe dann nicht warm halten oder schnell auseinander fallen, hat das Kind das Problem zu lösen. Das ist eine anstrengende Herausforderung, aber eine gutes Training für das Leben als Erwachsener. Künstliche Strafen sind hier nicht sinnvoll, sondern das Kind bekommt die Aufgabe, den Schaden selbst zu beheben und die Folgen zu tragen. Da kann "eine Woche Stubenarrest" harmloser sein.