Was ändert sich in Polen eigentlich?
Ich bin nicht sonderlich bewandert was das politische System in Polen angeht. Ich weiß das es eine semipräsidentielle Republik ist und der Präsident dementsprechend, zumindest formell mehr Befugnisse hat, als im einem Parlamentssystem. Wobei dies in der Praxis oftmals wie etwa in Österreich keinen großen Unterschied macht.
Wenn man die Schlagzeilen und auch die Fragen hier auf GF ließt, dann bekommt man den Eindruck, dass in Polen ein politisches Beben stattgefunden hätte. Als sei die PO abgewählt und die PiS jetzt wieder an der Macht.
Allerdings ist die Konstellation seit 2023 doch die selbe. Der bisherige Präsident Duda war auf Seiten der PiS, der seit 2023 wieder regierende Ministerpräsident Tusk, ist von der PO.
Ich verstehe natürlich das die PO lieber einen PO Präsidenten gehabt hätte und ich verstehe auch, dass man diese in Deutschland, sowohl medial als auch in der Politik lieber gesehen hätte.
Aber wie gesagt, die Konstellation, bleibt so wie ich das sehe die selbe. Und ich sage auch nicht, dass die polnische Präsidentschaftswahl keine Berichterstattung wert ist.
Nur stellt sich mir die ehrliche Frage, die wenn es möglich ist, von jemandem der wirklich ein Verständnis für polnische Politik hat beantwortet werden sollte: was hat sich jetzt eigentlich so drastisch geändert, wie es eben jene Berichterstattung als Eindruck erweckt?
3 Antworten
Polen first, komplette Selbstbestimmung der Nationalen Länder. EU Verordnungen, Regeln und Gesetze sind unerwünscht, das ist die Prämisse des neuen polnischen Präsidenten. Genau wie der vorige. Er blockiert alle Vorschläge vom europafreundlichen Donald Tusk.
Ich frage mich, was sie dann in der EU wollen?
Wieso glauben sie dann ein Recht auf die Solidarität der anderen EU Länder zu haben. Wieso sollen wir dann in der Nato Polen verteidigen.
Wo kämen wir denn hin, wenn alle "Deutschland, Frankreich, Italien first" sagen würden?
Nebenbei ist Polen der grösste Nettoempfänger der EU. Das nimmt man natürlich gerne.
Tusk ist total ausgebremst. Er konnte und wird auch weiterhin keinerlei Gestze durchbringen können, da der Präsident ein Vetorecht hat. Eine neue PiS Regierung ist sehr wahrsheinlich mit einem extrem Feind der Deutschen direkt an der östlichen Grenze.
Ich bin dafür die Transferzahlungen an Polen wieder einzustellen, wenn Tusk demontiert wird. .
Nun man wird abwarten müssen. nur das Programm des neuen polnischen Präsidenten ist bekannt.
Donald Tusk ist ein wirklich guter Regierungschef, aber er wird zu 100% ausgebremst.
Genau. In einer semipräsidentielle Republik haben sowohl Präsident als auch Ministerpräsident direkte, politische Macht, wenn auch in anderen Bereichen.
Der Ministerpräsident führt das Kabinett und kann Gesetzesinitiative ins Parlament bringen.
Der Präsident kann Gesetze unterschreiben, oder votieren, aber auch Richter ernennen.
D.h. ohne entsprechende Gesetzesentwürfe gäbe es für den Präsidenten auch keine Gesetze zu unterzeichnen, da er hier nur passiv agieren kann.
Die "demokratische Koalition" unter Tusk war ein Zusammenschluss von vielen kleinen Parteien, die das Ziel hatten, den autoritären Kurs der PiS-Partei wieder zu korrigieren, bzgl. Justizreform, Pressefreiheit, Verfassungsgericht, EU-Kooperation, etc.
Es ist aktuell tatsächlich ein "politisches Beben", weil es ein Ende des korrigierenden Kurses zum Erhalt der Demokratie bedeutet. Eine Trendwende.
Zuletzt hatte der sukzessive Abbau demokratischer Werte in Polen auch zu Spannungen mit der EU geführt. Denkbar, dass es jetzt wieder in diese Richtung geht, zumal Nawrocki als eine Art "Handpuppe" dieser komischen (ehemaligen) Zwillinge mit Napoleon-Komplex gilt.
Es ist aktuell tatsächlich ein "politisches Beben", weil es ein Ende des korrigierenden Kurses zum Erhalt der Demokratie bedeutet. Eine Trendwende.
Du meinst damit eine Art gesellschaftpolitischen Trend, dem man aus dem Votum in 2023 ableitete?
Den in der Praxis so nehme ich jetzt mal an, konnte Tusk bisher nichts, oder nicht viel durchsetzten, war doch, wie ich schon anmerkte auch der Vorgänger des neuen Präsidenten ein PiS Repräsentant, der so etwas, wie du selbst darstellst bereits verhinderte, nehme ich an? Das heißt in der Praxis wird diese Trend, wie gesagt, vermutlich ich mal nicht existiert haben?
Das stimmt.
Die angestrebte Trendwende der demokratischen Koalition wurde auf jeden Fall von Präsident Duda ausgebremst.
Ziele von Tusk waren eine neue, pro-europäische, rechtsstaatliche Regierung zu formen mit Wiederherstellung der Gewaltenteilung, neutrale Berichterstattung staatlicher Medien und Revision der PiS-Gesetze zur Justizkontrolle.
Tusk konnte strategisch hauptsächlich da ansetzen, wo er keine Zustimmung des Präsidenten brauchte, wie Umstrukturierung der Ministerien, Verwaltungsanweisungen, Zusammenarbeiten mit dem EU-Parlament, etc.
Duda konnte strategisches Veto gegen Kernprojekte einsetzen, wie gegen die Justizreformen oder dem Festhalten an umstrittenen Personalien, die unter der PiS-Regierung als Richter ernannt wurden.
Bedeutend war es trotzdem von Tusk, weil es das Monopol der PiS-Strukturen angreifen konnte. Es hätte ein Start zu einer neuen, langfristigen Perspektive werden können, die jetzt im Keim erstickt wurde.
Bei einem fast 50-50 Wahlergebnis, sieht man aber auch in Polen die gesellschaftliche Spaltung, wie in vielen anderen Ländern.
Es ändert sich wohl nicht und das ist das, was viele enttäuscht.
Also keine wirklich Veränderung? Die Schlagzeilen entspringen mehr der Enttäuschung, dass nicht der PO Kandidat gewählt wurde, wie es Destrantix meint?