Die Pläne zum Siedlungsausbau im E1-Gebiet (Ost-Jerusalem) stammen bereits aus den 1990er Jahren.
Bisher wurden sie immer wieder auf Eis gelegt, wegen internationalem Druck. Zuletzt gab es unter Netanjahu bereits 2009 Anläufe für das E1-Projekt, welche wegen Drucks der Obama-Administration gestoppt wurden.
Für die USA war das E1-Projekt historisch immer eine rote Linie, die nicht überschritten werden durften, da es ihre Position als Friedensvermittler unterminiert hätte. Zur damaligen Zeit hätte das für die USA auch den Kontakt zu anderen, arabischen Partner erschwert, ohne dass sie als völlig parteiisch angesehen werden.
Damit war das E1-Projekt über die Jahrzehnte auch immer wieder ein politisches und diplomatisches Druckmittel, von allen Seiten.
Aus israelischer Sicht war das E1-Projekt ein Teil ihrer Sicherheitsdoktrin. Sie wollen damit einen "Sicherheitsgürtel" schaffen, der die Hauptstadt besser schützt.
Faktisch wird dadurch im Umkehrschluss das Westjordanland isoliert. Es gäbe keine zusammenhängende Staatlichkeit mehr mit Ost-Jerusalem, weswegen es als "Todesstoß" für eine Zweistaatenlösung angesehen wird.
Für Israel ist das Beenden jeder Möglichkeit zur Zweistaatenlösung nicht ganz ungefährlich. Danach bleiben nur noch die Optionen zu einem binationalen Staat, welcher aber zwangsläufig zu einer arabischen Mehrheit werden, welche Israel von innen heraus beenden würde - daher werden auch nicht alle Palästinenser in den Siedlungsgebieten einfach eingebürgert, obwohl es nach den Annexionen 1967 durch Israel Angebote für "permanent residency" an Palästinenser gab. Heute wird das aber stark erschwert, durch Sprachnachweise, Loyalitätsbekundung, bürokratische Hürden, etc. aus genau dieser Gefahr. Die Alternative wäre eine echte Apartheid-Struktur, mit arabischer Mehrheit, aber israelischer Souveränität, wobei die Araber entrechtet werden müssten, z.B. kein Wahlrecht für die Knesset haben.
Das solche Strukturen nicht lange halten, hat die Geschichte schon mehrfach bewiesen...
Am stärksten betroffen wären unmittelbar palästinensische Beduinen-Siedlungen, wie Khan al-Ahmar, welche ziemlich sicher verdrängt werden. Sie gehören zum Jahalin-Beduinenstamm, welche in den 1950er Jahren bereits aus Negev vertrieben wurden. Oder auch Sheikh Jarrah in Ost-Jerusalem.
Seit dem aktuellen Gaza-Krieg ist die Sicherheitslage in Israel natürlich wieder stark in den Vordergrund gerückt. Argumentativ lassen sich solche Pläne, ohne Rücksicht auf die arabische Bevölkerung, jetzt leichter durchsetzen, besonders bei der aktuellen Regierungszusammensetzung in Israel. Außerdem kann Israel dadurch jetzt für realpolitische Tatsachen sorgen, bevor der internationale Druck noch größer und Israel aktiv daran gehindert wird.
Wie man es dreht oder wendet, wird eines dabei deutlich: der Anschlag der Hamas vom 7. Oktober hat Palästina de facto beendet.