Warum ist ein Kern bei einem neutronenüberschuss instabil?

3 Antworten

Moin,

ich versuche es mal stark vereinfacht zu erklären, ohne auf Quarks & Co einzugehen (was zwar wissenschaftlich nicht völlig korrekt ist, aber dafür anschaulich).

Du hast im Atomkern zwei Sorten von Teilchen, die ungeladenen Neutronen und die positiv geladenen Protonen.

Gleiche Ladungen stoßen einander aufgrund der Coulomb-Kraft (bei gleichem Vorzeichen) ab.

Also erhebt sich die Frage, warum sich die Protonen in einem Atomkern nicht ohnehin gegenseitig abstoßen und den Kern von Vornherein „zerfetzen”?!

Die Antwort ist, dass Protonen (und Neutronen) durch eine noch größere Kraft (die Kernkraft) zusammengehalten werden, wenn sie auf engstem Raum zusammengedrückt werden. Die Strecke, die dabei einen Zusammenhalt gerade noch gestattet, liegt bei etwa 2,5 fm (Femtometern). Dies entspricht nämlich der Strecke, ab der auch die Coulomb-Kraft gleich groß wirksam wird.

Ist der Abstand zwischen den Kernbestandteilen kleiner, hält die stärkere Kernkraft die Kernbausteine zusammen. Ist der Abstand größer, liegen die Protonen an der Peripherie des kugelartigen Atomkerns zu weit auseinander, so dass die Coulomb-Kraft größer ist als die Kernkraft. Darum fallen Atomkerne, die größer als 2,5 fm sind.

Das bedeutet, dass Atomkerne stabil sind, wenn ihre Kernbausteine in der Summe näher beieinander liegen als etwa 2,5 fm. Sie zerfallen, wenn sie einen Abstand von mehr als 2,5 fm haben...

Ich hoffe, das hilft dir.

LG von der Waterkant

einguterpunkt 
Fragesteller
 12.01.2024, 00:57

Danke, das war sehr anschaulich! Vielleicht als ergänzende, kleine Frage:

warum nimmt dieser Abstand zwischen den Neutronen und den Protonen mit Zugabe von Neutronen ab? Vielleicht habe ich da ein Denkfehler, aber wenn mehr Teilchen da sind, dann ist alles doch viel enger bei einander, oder?😅

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bei den protonen kommt die abstoßung aufgrund der elektrischen ladung noch dazu, aber eigentliche grund ist bei protonen und neutronen der selbe: das Pauli-prinzip.

das besagt dass nie zwei identische fermionen (zu denen protonen und neutronen zählen) im selben zustand sein können. insbesondere bedeutet dass das nur je zwei protonen und zwei neutronen ein energieniveau besetzen können (je eines für eine der beiden möglichen spin ausrichtungen).

wenn du jetzt diese energieniveaus nur mit neutronen "auffüllst”, dann kommst du ziemlich schnell zu immer höheren energieniveaus die immer weniger stark gebunden sind, wodurch der kern instabil wird. du kannst nämlich nur 2 teilchen pro energieniveau haben. wenn du deinen kern aber aus neutronen und protonen baust, dann kannst du 4 teilchen (2 protonen und 2 neutronen) pro energieniveau haben. damit ist der kern stärker gebunden und stabiler.

daher ist es energetisch günstiger ungefähr gleich viele protonen wie neutronen im kern zu haben, die mit die energieniveaus für die beiden teilchenarten gleichmäßig besetzt werden. für schwere kerne weicht dieses verhältnis dann zugunsten von mehr neutronen ab, was eben an der von dir schon erwähnten elektrischen abstoßung der protonen liegt, die immer relevanter wird je mehr protonen bereits im kern sind.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Physiker (Teilchenphysik)

Bildlich kann man sich das Pauli-Prinzip aus Reggids Antwort als schlecht gelaufenes Tetris-Spiel vorstellen: je weniger gut man die Zeilen gefüllt hat, desto schneller wächst die Zahl der Zeilen (=Energieniveaus), und desto wahrscheinlicher landet man bei einer schlechten Punktzahl (=Instabilität).

Alle Vergleiche hinken irgendwo, aber die exakte Wahrheit der Stabilität von Quantenzuständen sind Eigenzustände des Hamiltonoperators (das ist der Energieoperator der Schrödingergleichung) im unendlichdimensionalen Hilbertraum, je nachdem was einem lieber ist...