Moin,
das ist der Mechanismus einer SN1-Reaktion. Das „S” steht für Substitution. Das tiefgestellte „N” steht für Nucleophil und die „1” bedeutet, dass der geschwindigkeitsbestimmende Schritt nur von einem Molekül (dem Substrat) abhängt.
Die Gesamtreaktion lautet
(CH3)3–C–I + H2O → (CH3)3–C–OH + HI
Weil also der Iodsubstituent (–I) durch eine Hydroxygruppe (–OH) ersetzt wird, spricht man von einer Substitution.
Im ersten (geschwindigkeitsbestimmenden) Schritt spaltet sich ein Iodid-Ion ab.
(CH3)3–C–I → (CH3)3–C+ + I–
Das geht gut, weil der Substituent Iod (...–I) eine sehr gute Abgangsgruppe ist (die sich leicht abspaltet, weil das Atom relativ groß und deshalb leicht polarisierbar ist und als Iodid-Ion gut von den Dipolmolekülen Wasser stabilisiert werden kann).
Das geht aber in diesem speziellen auch deshalb noch gut, weil das entstehende Carbokation (Carbeniumion) drei Methylgruppen als weitere Bindungspartner hat. Alkylreste (wie hier die Methylgruppen –CH3) haben einen +I-Effekt. Das bedeutet, dass sie ihrem Bindungspartner die Bindungselektronen zuschieben. Und das bedeutet hier wiederum, dass das entstehende Carbokation (Carbeniumion) von drei Seiten mit einer höheren Elektronendichte unterstützt wird, was die Sache stabilisiert.
Aber das betroffene Kohlenstoffatom ist nach dem Abgang des Iodid-Ions dennoch positiv geladen. Das ist insgesamt ein Zustand, den Kohlenstoffatome „nicht so gerne” haben.
Deshalb greift dieses positiv geladene Zentrum nun ein freies (nicht-bindendes) Elektronenpaar des Sauerstoffs eines Wassermoleküls an. Da also hier Elektronen ein positiv geladenes Zentrum angreifen, bezeichnet man das auch als „nukleophilen Angriff”.
Es entsteht eine neue Elektronenpaarbindung zwischen dem einstmals positiv geladenen C-Atom und dem O-Atom des Wassermoleküls. Da aber beide Bindungselektronen ausschließlich vom Sauerstoff kommen, erhält er nun die positive Formalladung:
(CH3)3–C+ + H2O → (CH3)3C–O+H2
Sauerstoff ist nun seinerseits ein sehr elektonenliebendes Atom. Deshalb ist auch der Sauerstoff nicht „glücklich” über die positive Formalladung. Darum spaltet das angedockte Wassermolekül ein Proton (H+) ab und überträgt es auf ein Wassermolekül:
R–O+H2 + H2O → R–OH + H3O+
Daher lautet also der Gesamtvorgang in einer wässrigen Lösung eigentlich
(CH3)3C–I + 2 H2O → (CH3)3C–OH + H3O+ + I–
Soweit, so gut...
Was nun deine konkrete Fragen angeht: Wenn sich die Bindung zwischen dem freien (nicht-bindenden) Elektronenpaar des Wasser-Sauerstoffatoms und dem Carbokation (Carbeniumion) ausbildet (dative Atombindung), ist es dennoch so, dass das Sauerstoffatom (3,5) eine deutlich höhere Elektronegativität als das Kohlenstoffatom (2,5) hat. Deshalb ist diese Atombindung natürlich auch polar, auch wenn beide Bindungselektronen vom Sauerstoffatom kommen. Die polare Atombindung bedeutet jedoch, dass das C-Atom eine positive Partialladung (delta-Plus) und das O-Atom eine negative Partialladung (delta-Minus) trägt. Das ist bei der gestrichelten gelben Linie deiner Abbildung eingezeichnet. Der Sauerstoff hat dann (nach der Knüpfung der Neubindung) aber noch eine positive Formalladung, die in deiner Abbildung fehlt. Das heißt, bei dem X mit dem OH2 oben ist das Pluszeichen im Kreis (Zeichen für positive Formalladung) eingezeichnet.
Was die zweite Frage angeht, so ist das komplizierter. Wenn ein Wassermolekül ein Proton abspaltet, dann geht das nicht einfach so, weil ein Proton nicht einzeln frei existieren kann. Es muss durch Elektronen gestützt werden. In der Chemie schreibt man dann in wässrigen Lösungen meist vereinfachend etwas wie
H+ + H2O → H3O+
Aber eigentlich ist das nicht ganz korrekt, denn das Proton wird nicht von einem einzelnen Wassermolekül aufgenommen, wodurch dieses zu einem Oxoniumion (H3O+) wird. Es ist vielmehr eher so, dass das Proton von einer Reihe von Wassermolekülen umringt wird, die alle anteilig mit ihren freien (nicht-bindenden) Elektronenpaaren zur Stabilisierung des Protons beitragen. Das verteilt die positive Ladung auf möglichst viele Zentren und ermöglicht gleichzeitig eine Delokalisierung von Elektronen. Delokalisierte Elektronen sind aber energieärmer (Mesomerie!) und machen ein Gesamtsystem stabiler.
In dem von dir geposteten Bild ist das insofern angedeutet, dass sich das Wasserstoffatom (H) zwischen den beiden O-Atomen befindet, so dass diese sich die positive Ladung teilen und nur noch anteilig (delta-Plus!) positiviert sind.
Ich hoffe, du konntest das alles nachvollziehen?!
LG von der Waterkant