Radikale Substituition Logik?

2 Antworten

Moin,

du hast schon richtig geschrieben, dass das Brom-Minimolekül HOMOLYTISCH gespalten wird. Dazu wird energiereiche ultraviolette Strahlung (UV-Licht) benutzt:

Br–Br --[UV-Licht]--> Br• + •Br

Weil also jedes Bromatom aus dem gemeinsamen bindenden Elektronenpaar jeweils ein Elektron erhält, ist die Bindungsspaltung homolytisch (homo = gleich; lyse: Auflösung; homolytisch: gleichmäßige Auflösung der Bindung). Nur der Vollständigkeit halber: es gibt auch heterolytische Bindungsspaltungen. Dort behält ein Bindungspartner das bindende Elektronenpaar ganz für sich, während der andere Bindungspartner leer ausgeht. Bei einer heterolytischen Bindungsspaltung entstehen Ionen, zum Beispiel: H–Br → H+ + Br. Hier behält das Bromatom das bindende Elektronenpaar und wird nach der Bindungsspaltung zum Bromid-Anion (Br). Das Wasserstoffatom erhält aus der Bindungsspaltung kein Elektron und wird dadurch zu einem Proton (H+). Weil also hier die Elektronen des bindenden Elektronenpaares NICHT gleichmäßig auf die ehemaligen Bindungspartner verteilt werden, spricht man von einer heterolytischen Bindungsspaltung (hetero = verschieden).

Zurück zur homolytischen Bindungsspaltung: Die entstehenden Bromradikale (Br•) haben ein ungepaartes einzelnes Elektron. Dieser Zustand ist energetisch seeehr ungünstig. Deshalb versuchen Radikale in der Regel auch, den radikalischen Zustand so schnell wie möglich loszuwerden. Deshalb greifen sie alles an, was in ihre Nähe kommt. Daraus leitet sich auch die Bezeichnung „Radikal” ab, denn solche Teilchen greifen rücksichtslos (= radikal) alles an...

Trifft nun ein solches Bromradikal auf ein Methanmolekül, greift es dieses an und „klaut” sich ein Wasserstoffatom mitsamt dessen Elektron.
Dabei greift es konkret die Bindung zwischen einem Wasserstoffatom und dem Kohlenstoffatom an und bricht die C–H-Bindung auf; es bildet sich H–Br (wodurch das Bromradikal seinen Radikalcharakter verliert) und ein Alkylradikal (in diesem Falle ein Methylradikal): H3C•, das nun den radikalischen Zustand hat.

Auch das Methylradikal ist „unglücklich” über seinen radikalischen Zustand und greift deshalb wieder alles an, was in seine Nähe kommt.

Im Idealfall des Reaktionsverlaufs wäre das ein Brom-Minimolekül:

H3C• + Br–Br → H3C–Br + •Br

Dadurch bilden sich Brommethan und wieder ein Bromradikal, so dass die Kettenreaktion weiter geht.

Die Ursache (und damit die Antwort auf deine Frage) ist allerdings, dass ein Teilchen, dass ein ungepaartes, einzelnes Valenzelektron hat, energetisch sehr schlecht dasteht. Deshalb versuchen solche Teilchen, diesen energetisch schlechten Zustand so schnell wie möglich zu beenden. Und das erreichen sie, indem sie alles angreifen (und mit allem reagieren), was in ihre Nähe kommt. Wegen dieses aggressiven und rücksichtslosen Verhaltens bezeichnet man Teilchen mit ungepaarten Elektronen als Radikale.

Übrigens wird der gesamte Kettenmechanismus beendet, wenn im Reaktionsraum irgendwann zufällig zwei Radikale aufeinandertreffen und sich vereinigen. Das bezeichnet man als Radikalkombination. Dabei verlieren beide Radikale gleichzeitig ihren ungeliebten radikalischen Zustand, zum Beispiel:

Br• + •CH3 → Br–CH3

Aus dem Brom- und dem Methylradikal entsteht Brommethan; die radikalischen Zustände sind verschwunden...

Alles klar?

LG von der Waterkant


Lol163728299229 
Beitragsersteller
 19.01.2025, 13:40

Danke für die Erklärung. Kannst du mor vielleicht näher erläutern, was ernergisch ungünstig bedeutet? Warum ist Brom energisch günstig, wenn es eine Bindung eingeht?

DedeM  19.01.2025, 16:28
@Lol163728299229

Okay, aber das wird etwas ausführlicher...

Edelgasatome (Helium, Neon, Argon...) zeichnen sich dadurch aus, dass sie perfekte Elektronenhüllen haben. Das bedeutet, dass sie von der Anzahl und von der Verteilung der Elektronen in der Hülle her gesehen nichts besser machen können.

Gerade weil ihre Atomhüllen so perfekt sind würde jede Veränderung (in Form einer chemischen Reaktion) an der Situation zu einem Nachteil führen. Deshalb reagieren Edelgasatome unter normalen Umständen nicht mit anderen Atomen zu stabilen Verbindungen. Weder untereinander oder ihresgleichen noch mit den Atomen anderer Elemente. Es gibt zwar Edelgasverbindungen, aber die werden einerseits nur mit den reaktivsten Elementen (Fluor, Sauerstoff, Chlor) erreicht, vor allem aber unter extremsten Bedingungen. Sobald du normale Bedingungen hast (Temperaturen um 20°C und normalem Luftdruck) zerfallen alle diese Edelgasverbindungen sofort wieder in ihre Elemente. Du kannst also die Edelgasatome als Ideal aller Atome ansehen (daher auch die Bezeichnung „Edelgas”, weil diese Elemente zu edel sind, als sich mit anderen zu verbinden).

Warum ist das so? - Nun, in den Hüllen von Edelgasatomen ist in jedem relevanten Unterraum ein Elektronenpaar. Beim Heliumatom ist das das eine kugelsymmetrische 1s-Orbital, in das maximal zwei Elektronen passen und in dem auch genau zwei Elektronen vorhanden sind.
Beim Neonatom sind das das 1s-Orbital (maximal zwei Elektronen), das 2s-Orbital (wieder maximal zwei Elektronen) plus drei 2p-Orbitale, in die pro Orbital auch maximal zwei Elektronen hinein passen, und in denen wieder alle Plätze mit Elektronen voll besetzt sind (macht insgesamt 2 Elektronen im 1s-Orbital plus 2 Elektronen im 2s-Orbital plus 6 Elektronen in den drei 2p-Orbitalen gleich 10 Elektronen in der gesamten Hülle. Usw. usf.

Diese Doppelbesetzung der Orbitale mit Elektronen ist von der Energie gesehen am niedrigsten und deshalb besonders stabil. Alles ist ausgewogen und im Gleichgewicht. Energieärmster Zustand = stabiler Zustand.

Bei den Atomen aller anderer Elemente ist das anders. Sie haben entweder zu viele oder zu wenige Elektronen, um alle relevanten Orbitale mit Elektronen voll besetzt zu bekommen. Ihnen fehlt also der perfekte Edelgaszustand, die sogenannte Edelgaskonfiguration in der Elektronenhülle.
Und hier hast du nun auch die Triebfeder für den Umstand, dass alle Atome der anderen Elemente so munter miteinander Reaktionen eingehen. Denn jede chemische Reaktion verändert die Elektronenhülle der reagierenden Atome. Und in jeder Veränderung streben die reagierenden Atome eine Edelgaskonfiguration für ihre Atomhülle an.

Dabei gehen die Atome zwei Wege: Entweder sie versuchen durch die Abgabe oder die Aufnahme von Elektronen die begehrte Edelgaskonfiguration zu erreichen (das führt zu Ionen und folglich zu Ionenbindungen). Oder sie vereinigen ungepaarte einzelne Elektronen aus ihren Atomorbitalen mit anderen einzelnen Elektronen in Atomorbitalen von anderen Atomen zu Molekülorbitalen, in denen dann zwei Elektronen vorhanden sind. Diese Molekülorbitale bilden dann einerseits bindende Räume, die die beiden Atome miteinander verknüpfen (das führt zu Molekülen mit Atombindungen), aber andererseits kann jeder Bindungspartner die darin enthaltenen Elektronen als zu sich gehörend ansehen. Und das gleichzeitig. Das bedeutet, dass jeder Bindungspartner zur gleichen Zeit über ein Elektronenpaar verfügt, wo vorher nur ein einzelnes, ungepaartes Elektron vorlag.

Der energetische Zustand eines einzelnen, ungepaarten Elektrons in einem Orbital ist also hoch und damit ungünstig. Deshalb sind Radikale so aggressiv, denn sie haben ungepaarte einzelne Elektronen in Atomorbitalen.

Stell dir das einfach in deinem Leben vor: Du liegst am liebsten faul auf dem Sofa vorm Fernseher (energieärmster Zustand) und bewegst dich kaum.
Plötzlich kommt deine Mutter ins Zimmer und verlangt, dass du dein Zimmer aufräumen sollst. Du sollst alle Dinge an ihren Platz räumen. Das erfordert von dir viel Organisation, viel Bewegung, viel Energie. Und kaum bist du damit fertig, sollst du das in allen Zimmern des Hauses machen. Immer und immer wieder aufräumen. Hoher Energieaufwand, blöde Situation. Aber dann kommt jemand anderes dazu und hilft dir beim Aufräumen (Bindungen entstehen). Und plötzlich ist alles an seinem Platz und du kannst wieder faul auf dem Sofa liegen.

Okay, okay, solche Vergleiche hinken immer etwas. Aber im Prinzip...

Fazit: Elektronenpaare in Orbitalen: energetisch günstig. Einzelne, ungepaarte Elektronen in Orbitalen: energetisch ungünstig.

Es wird heterolytisch gespalten, meist durch Stfahlung oder Polarisierung. Das Br+ ist elektronegativer als H+ und drängt ein H+ ab. Ob das bei Methan geht, da der zwischenzustand sehr instabil sein müsste, ist fraglich. Bei Pentan auf jeden fall


DedeM  19.01.2025, 12:45

Nein, das Brom-Minimolekül wird NICHT heterolytisch, sondern homolytisch gespalten. Es entstehen dann zwei Bromradikale, KEINE Ionen...