Warum gibt es in Amerika so gut wie keine elektrifizierten Bahnstrecken?

11 Antworten

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Es gibt mehrere Faktoren, die die Entwicklung anders verlaufen ließ als in Europa.

Bezüglich USA muss zunächst einmal festgehalten werden, dass es zeitweise schon deutlich mehr Leistung aus der Oberleitung als es heute ist. Chicago, Milwaukee, St. Paul and Pacific Railroad und die Pennsylvania Railroad haben die Elektrifizierung am weitesten getrieben. In Ihren Geschichten zeigt sich allerdings auch gewisse Schwierigkeiten.

Zunächst einmal gab es in der US-amerikanischen Eisenbahngeschichte die meiste Zeit über nur private Eisenbahnunternehmen. Erst in den 1980er kam mit Armtrak ein Staatsunternehmen auf. In Europa gab es hingegen die meiste Zeit echte Staatsbahnen. Somit haben die europäischen Bahnen ihr Geld zum Bau vom Staat bekommen und sollten, mussten aber ihre Ausgaben nicht refinanzieren. Die US-Bahnen mussten hingegen mit ihrem eigenen Geld in Vorleistung gehen und das Geld wieder einnehmen. Da wird dann zweimal überlegt, welche Ausgaben wichtig sind. Oberleitungen sind dann Extrakosten, die nur bei elektrischen Loks einen Nutzen haben.

Bezüglich der Loks kommt der nächste Punkt auf. Dampf- oder Dieselloks sind so unabhängig, dass sie überall eingesetzt werden können wo die richtigen Gleise und das richtige Lichtraumprofil vorliegen. E-Loks hingegen müssen bezüglich der Stromaufnahme und der elektrischen Leistung auf das vorhandene Netz ausgelegt sein. Das heißt also, Dampf- und Dieselloks konnten in USA von jedem Unternehmen günstig gebraucht gekauft und verkauft werden, während E-Loks gegebenfalls wegen anderer Stromart oder Spannung keine Nachnutzer finden, weil zuvor ein teuerer Umbau nötig wäre. Somit sind die Unternehmen weniger Flexibel auf schwankende Transportleistungen, die zu erbringen sind.

Dann machte sehr lange auch das Land selbst in den USA das betreiben von E-Loks unattraktiv. Nur die Rocky Mountains im Westen und die Appalachen im Osten, zwischen denen eine weite Ebene so weit wie Europa selbst liegt, waren günstige Möglichkeiten Strom zu gewinnen. Daneben waren es aber auch die einzigen Orte, wo durch die Streckensteigungen die E-Loks Dieselloks vom ersten Tag an in den Schatten stellen konnten, weil sie neben Dampfloks als einige unter Last mit voller Kraft anfahren können, aber weniger Kosten als Dampfloks und änlich schnell Einsatzbereit sein können wie Dieselloks. Im mittleren Westen selbst waren E-Loks nur Mehrkosten ohne Mehrwert. Nicht zuletzt, weil die Treibstoffe, Diesel und Kohle, in den USA günstig zu bekommen waren. In der Schweiz waren beide Treibstoffe hingegen so teuer und Wasserkraft so einfach zu haben, dass schnell auf E-loks gewechselt wurde. Deutschland hatte zwar Kohle und auch etwas Öl, doch beides war nie ganz günstig und zumindest in Teilen Deutschlands wie in der Schweiz Wasserkraft günstig zu haben.
Auch der Umstand, dass die USA öfter Hurricanes und Tornados erleben, dürfte noch sein Scherflein dazu beitragen. Denn Schienen sind gegen diese WInde unempfindlich und die wenigen Signale am Gleisrand können schnell repariert werden, wenn mal welche getroffen werden. Mehrere Kilometer Oberleitung, vor allem in Bahnhofsbereichen wieder in Ordnung zu bringen, dürfte hingegen teuer werden, selbst wenn eine Versicherung im Hintergrund ist. Denn es brauch im schlechtesten Falle Tage, bis das Gleis wieder befahrbar ist und dann gehen Transportaufträge verloren.

Es dürfte noch weitere Gründe geben, aber das dürften die Wesentlichen sein.

Woher ich das weiß:Hobby

Ohne nähere Kenntnis würde ich vermuten, dass die langen Strecken damit zu tun haben, auf denen vielfach nichts in der Nähe ist, was den Strom liefern könnte. Daneben sind Oberleitungen ja auch anfälliger, insbesondere in Kanada bei Eis und Schnee.

Es liegt also vermutlich nicht an der E-Lok, sondern an der aufwendigeren Infrastruktur und die E-Lok betreiben zu können.

Auch dürfte es eine Rolle Spieles, dass Öl da drüben auch eher günstig ist. Da rentiert sich Strom nicht unbedingt.


Dreamdrummer 
Beitragsersteller
 21.02.2025, 09:44
Daneben sind Oberleitungen ja auch anfälliger, insbesondere in Kanada bei Eis und Schnee.

Das Problem bekommt man allerdings auf den Gebirgsstrecken in der Schweiz sowie in Schweden auch in den Griff. Dürfte also kein Ausschlussgrund sein …

Callidus89  21.02.2025, 09:54
@EstherMontanus

Eben. Und ich denke auch, dass das Wetter in der Schweiz nicht so rauh ist wie in Kanada. Von Blizzards und tage-/wochenlangen flächendeckenden Temperaturen unter -30 °C hört man in der Schweiz doch eher selten.

Callidus89  21.02.2025, 10:18
@thesunrider

Im gleichen Ausmaß wie in Kanada, was Intensivität, Dauer und Flächendeckung solcher Wetterereignisse? Ich meine nicht bloß ein paar Tage, bei denen mal auf ein paar hundert oder wenigen tausend Kilometer ein bichen mehr Schnee und Eis vorkommen. Sondern langanhaltende hohe Schnee- und Eismasse die womöglich auf tausende bis zehntausende Kilometer einwirken, die fernab der Erreichbarkeit von Reperaturtrups liegen.

Man muss schon alle Umstände vergleichen und nicht bloß einzelne Attribute. Sonst vergleicht man Äpfel mit Birnen.

EstherMontanus  21.02.2025, 13:58
@thesunrider

Die Entfernungen in Schweden und Norwegen sind auch nicht so groß wie in Kanada. Kanada ist der zweitgrößte Staat der Erde.

guru61  24.02.2025, 13:43
@EstherMontanus

Ok dann sprechen wir doch mal von der Transsibirischen Eisenbahn, die von Moskau bis Wladiwostok elektrisch ist, da kannst mit deinen kanadischen Voortsbahnen einpacken, auch betreffend das Klima!

guru61  24.02.2025, 13:56
@EstherMontanus

dass weder das Klima, noch die Länge einen Einfluss auf die Elektrifizierung haben:

Die Transsibirische Bahn durchgehend elektrifiziert | NZZ

Moskau, 26. Dez. (ap) Die fast 9300 Kilometer lange Strecke der Transsibirischen Eisenbahn von Moskau nach Wladiwostok ist nun durchgehend ans Stromnetz angeschlossen. Am Mittwoch wurde die Fertigstellung des fast über 70 Jahre dauernden Projekts gefeiert. Als letzte wurde eine Strecke

Weder in den USA noch in Kanada gibt es eine 9'300 Kilometer lange Bahnlinie.

Callidus89  24.02.2025, 14:07
@EstherMontanus
und das hat jetzt genau was mit der Ausgangsfrage zu tun?

Ich schätze nichts. Wir sind abgedriftet von der Frage warum in den USA wenig Schienennetz elektrifiziert ist, hin zur Frage, ob es technisch möglich ist oder nicht.

Möglich ist es ganz ohne Frage. Es ist aber nicht ohne Herausforderung. Und manch einem war es die Mühe eben Wert und anderen eben bisher nicht.

Worum es mir in der Diskussion nach meiner Antwort eher ging, war, dass man sehr genau hinschauen muss. Es hat eben nicht nur mit Technik zu tun, sondern eben auch mit Geschichte, Kosten, Wetterbedingungen und Ideologie, eben allen Umständen.

Das hat sich eben so entwickelt und da die USA am meisten Öl besitzen können sie auch locker mit Diesel fahren, meist sind es ja heute reine Güterstrecken. Ausser beim Amtrak an der Ostküste findet man E Lockt selten.

Vergleiche das mal mit Deutschland und Frankreich , auch da ist noch lange nicht alles elektrisch, sowas gibts nur in der Schweiz, da hat man auf Strom gesetzt als andere noch Dampf einsetzten heute ist alles elektrisch!

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Einmal gibt es dort, im Vergleich mit Europa sowieso deutlich weniger bahnstecken.
Ich denke mal das liegt an den absurd großen Distanzen die wir uns Europäer kaum vorstellen können. Da ist die Bahn im Vergleich mit dem Flugzeug einfach nicht Konkurrenzfähig. Und aufgrund der geringen Nutzung rechnet sich dann auch die Investition in die Elektrifizierung nicht


thesunrider  21.02.2025, 10:09

Im Güterverkehr ist das Flugzeug auch in den USA viel zu teuer. Dort hat man teils gigantische Güterzüge von über einem Kilometer Länge. Da würde sich ein elektrischer Betrieb eigentlich schon lohnen. Die fahren teils mit 4 Dieselloks pro Zug aufgrund der großen Lasten.

Stefan1248  21.02.2025, 10:21
@thesunrider

Für den Güter Verkehr ja. Aber die Begründung wird wohl die gleiche sein. Vermutlich rechnen sich die Investitionen nicht. So lange Oberleitung zu bauen und in standzuhalten ist sehr aufwendig. Das Stromnetz in den usa ist sowieso schon deutlich schlechter als in Deutschland. Die Wahrscheinlichkeit von Störungen wäre da wohl nochmal deutlich hoher so das Diesel Loks dort einfach billiger sind

Mit den Dieselloks werden überwiegend Güterzüge gezogen und da hat die Diesellok durchaus ihre Vorteile, man erspart sich eine zusätzliche Rangierlok für die Anschlussgleise. Oder man bräuchte DualMode Loks wie die Baureihen 159 und 248. Mit dem in einigen neue E-Loks eingebauten Last-Meile-Paket wird man bei den amerikanischen Güterzügen nicht weit kommen.

In der Schweiz sind sogar fast alle Anchlussgleise und Ladestraßengleise elektrifiziert, während man in Deutschland froh sein kann daß sie überhaupt noch vorhanden sind.

Woher ich das weiß:Hobby – Interesse