Warum dürfen Jehovas Zeugen nicht gemeinsam mit Abtrünnigen an öffentlichen Glaubensdiskussionen teilnehmen?

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Offiziell wird dies beine Zeugen Jehovas bzw. von ihrer Führung mit biblischen Aussagen wie Römer 16,17 („haltet euch fern von denen, die Spaltungen verursachen“) oder 2. Johannes 10 („nehmt ihn nicht ins Haus“) begründet doch diese Verse werden aus dem historischen Zusammenhang gerissen und dogmatisch überdehnt, um ein System der Isolation und Abschottung zu rechtfertigen, das in der Bibel so nicht vorgesehen ist.

Was tatsächlich dahintersteht, ist ein tief verinnerlichter Abwehrmechanismus gegen kognitive Dissonanz:

Sobald ein aktiver Zeuge in einen ernsthaften Dialog mit einem ehemaligen Mitglied tritt insbesondere mit einem gut informierten , gerät er in Gefahr, eigene Zweifel zu entwickeln. Die Organisation fürchtet diesen Denkprozess  nicht weil er falsch, sondern weil er gefährlich für die Loyalität gegenüber der Leitenden Körperschaft ist.

Die Vermeidung des Gesprächs ist Teil eines größeren Machtinstruments: der Ächtung („shunning“) von Aussteigern, sogar von Familienmitgliedern.

Wer die Organisation verlässt oder kritisch hinterfragt, wird nicht nur als „falschdenkender Mensch“ etikettiert sondern sogar als geistig Kranker oder als Werkzeug Satans. Das hat nichts mit christlicher Barmherzigkeit zu tun, sondern ist ein klar identifizierbares Muster psychologischer Manipulation.

Die Führung der Zeugen Jehovas nutzt grundlegende Mechanismen der operanten Konditionierung:

Positives Verhalten (z. B. unkritische Loyalität) wird mit Gemeinschaft, Anerkennung, „Liebe“ belohnt.

Abweichendes Verhalten (z. B. Zweifel oder Gespräche mit Abtrünnigen) wird mit sozialer Isolation, Liebesentzug und dem Verlust aller Beziehungen bestraft.

Diese Art von emotionaler Erpressung führt zu einem Zustand, den Psychologen als „falsches Selbst“ bezeichnen: Die Person verhält sich konform, nicht aus Überzeugung, sondern aus Angst vor Zurückweisung und existenzieller Vereinsamung.

In der Fachliteratur spricht man bei solchen Dynamiken von totalistischen Gruppenstrukturen, bei denen Loyalität nicht durch Überzeugung, sondern durch soziale Sanktionierung erzwungen wird.

Der Ausschluss von Dialogen selbst im öffentlichen Raum ist dabei ein Schutzmechanismus gegen das Aufbrechen des Gruppendenkens.

Die Führung der Zeugen Jehovas verbietet faktisch den Dialog mit Abtrünnigen, weil sie:

  1. Die Deutungshoheit nicht verlieren will,
  2. die psychologische Isolation als Kontrollinstrument braucht,
  3. und offene Diskussionen nicht kontrollieren kann.

Die Berufung auf Bibelverse ist dabei ein religiöser Vorwand, um ein soziales Sanktionssystem zu verschleiern. Es geht nicht um Schutz der Herde sondern um Machterhalt.

Wer sich hiervon befreien will, braucht mehr als Mut er braucht Menschen, die nicht schweigen. Und genau deshalb sind öffentliche, faktenbasierte Diskussionen so wichtig.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Peritus Sectarum

Barnabas78  06.06.2025, 20:45

Vielen Dank Nobodyrotz für den Stern. Auch wenn wir in manchen Punkten unterschiedlicher Meinung sind, hoffe ich, wir begegnen uns künftig mit Offenheit, Achtung, trotz manchmal unterschiedlicher Perspektiven. Entschuldigung, wenn ich manchmal zu arrogant rüberkomme. Lass es dir gut gehen und bleib dir treu.

Halllo Noboyrotz,

wenn uns jemand vorwirft, wir würden Diskussionen mit Abtrünnigen nur deshalb meiden, weil wir, wie der User "Barnabas78" tut, einem "tief verinnerlichten Abwehrmechanismus gegen kognitive Dissonanz" unterliegen, dann zeigt das, dass unser Standpunkt missverstanden wird.

Wir Zeugen Jehovas vermeiden solche Diskussionen nicht aus Angst vor widersprüchlichen Gedanken oder aus Unsicherheit in unserem Glauben, sondern weil wir eine bewusste, geistig fundierte Entscheidung getroffen haben – im Einklang mit den Maßstäben der Bibel.

Unser Glaube basiert nicht auf blindem Festhalten, sondern auf persönlichem Studium, intensivem Nachdenken und Gebet. Viele von uns sind zu Jehovas Organisation gekommen, nachdem wir verschiedene religiöse Lehren geprüft und bewusst entschieden haben, Jehova gemäß der Wahrheit seines Wortes zu dienen.

Unsere Überzeugungen sind daher nicht unreflektiert übernommen, sondern das Ergebnis ernsthafter Auseinandersetzung mit der Bibel und der Realität der Welt um uns herum.

Wenn wir uns dennoch entscheiden, nicht mit Abtrünnigen zu diskutieren, dann liegt das nicht an einem inneren Abwehrmechanismus, sondern an Weisheit und Gehorsam gegenüber göttlicher Anleitung.

Die Bibel warnt wiederholt davor, sich auf Diskussionen mit Menschen einzulassen, die nicht nach der Wahrheit suchen, sondern darauf aus sind, Misstrauen zu säen oder zu spalten (z. B. Titus 3:9–11; 2. Johannes 10, 11). Wir wissen, dass solche Gespräche selten zu einem ehrlichen Austausch führen, sondern meist nur zu Verwirrung und unnötigem geistigen Schaden.

Außerdem ist es ein Zeichen geistiger Reife, nicht auf jede Provokation oder Herausforderung zu reagieren. Jesus selbst sagte, wir sollten unsere „Perlen nicht vor die Schweine werfen“ (Matthäus 7:6), was bedeutet, dass wir mit heiligen Wahrheiten nicht leichtfertig umgehen und sie nicht mit denen teilen, die sie missbrauchen oder verachten würden.

Deshalb ist unsere Haltung kein Ausdruck von Verdrängung, sondern von Klarheit, Selbstschutz und Treue. Wir stehen fest in dem, was wir glauben, und müssen nicht ständig unsere Überzeugungen gegen destruktive Kritik verteidigen. Stattdessen nutzen wir unsere Zeit und Energie, um unseren Glauben zu stärken, anderen zu helfen und unsere Beziehung zu Jehova zu vertiefen.

LG Philipp


Barnabas78  07.06.2025, 21:48

Man sollte genau hinsehen, was hier eigentlich verteidigt wird und wie.

Die offizielle Linie der Zeugen Jehovas, nicht mit sogenannten „Abtrünnigen“ zu sprechen, wird hier als Zeichen von Reife, Weisheit und geistiger Klarheit dargestellt. Wie gesagt Abtrünnig ist jeder der die Zeugen Jehovas wieder verlässt!

Man meide den Austausch angeblich nicht aus Angst sondern aus Treue zu Gott. Das klingt souverän. Aber wer genauer hinschaut, erkennt:

Das ist kein Argument, sondern ein Rhetorikschutzschild gegen Kritik.

Es ist exakt die Art von Immunisierungsstrategie, wie man sie aus geschlossenen Denksystemen kennt: Wer widerspricht, gilt nicht als Gesprächspartner, sondern als Gefahr.

Und so entsteht ein Paradoxon:

Man behauptet, den eigenen Glauben durch Prüfung gefunden zu haben verbietet aber gleichzeitig jede erneute Prüfung durch kritischen Austausch.

Wer wirklich geprüft hat, fürchtet keine weiteren Fragen. Wer im Licht steht, muss das Dunkel nicht meiden. Aber wer schlechtes treibt der scheut das Licht und bei den Zeugen Jehovas ist es sehr dunkel , sonst müsst das Licht nicht immer heller werden.

Wer überzeugt ist, braucht keine Gesprächsverweigerung sondern kann zeigen, dass seine Überzeugung trägt.

Doch genau das geschieht nicht.

Stattdessen wird mit Bibelversen die Kontaktvermeidung gerechtfertigt, nicht gegenüber Hasspredigern, sondern gegenüber Menschen, die einst selbst Teil der Gemeinschaft waren und nun aus Gewissensgründen Fragen stellen.

Wenn eine Organisation ihre Mitglieder lehrt, keine Gespräche mehr mit Andersdenkenden zu führen, dann geht es längst nicht mehr um geistige Reife. Das ist dann eher wie in Nordkorea.

Denn dann geht es nur um eines, nämlich um Kontrolle!

Und wer diesen Zustand als „geistige Reife“ verkauft, sollte wissen: Diejenigen, die aussteigen, haben diese Reife oft unter Tränen errungen.

Nobodyrotz 
Beitragsersteller
 07.06.2025, 08:52

Das ist ein Abschotten gegen eindeutige Beweise. Niemand will Jehovas Zeugen schaden. Wer Euch helfen möchte, nachzudenken, ist kein Monster, sondern ein Helfer. Jesus wollte bestimmt nicht, dass man Fakten (Beweise) unbeachtet lassen sollte. Warum sollte jemand, Deiner Meinung nach, irgendein Interesse daran haben, Jehovas Zeugen zu schaden? Wer fest im Glauben steht, prüft alle Aussagen, ob sie logisch begründet bzw. bewiesen sind, aber blockt nicht schon vorher ab, ohne Anhörung und Nachdenken. Wenn ein Glaube die ungeprüfte Nichtbeachtung von Informationen fordert, hat er sich schon disqualifiziert. Da müsste Dir doch schon ein Licht aufgehen. Auch in der Bibel selbst steht, man soll alles prüfen. Wer aber Informationen schon vor der Prüfung zurückweist, hat nicht geprüft. Es ist also eine offensichtliche Unwahrheit, wenn Jehovas Zeugen behaupten, sie hätten alles geprüft, da sie ja gar nicht prüfen dürfen.

Philipp59  07.06.2025, 09:34
@Nobodyrotz

Was sollen „eindeutige Beweise“ sein?

Wer will uns helfen „ nachzudenken“?

Von welchen „Fakten“ und „Beweisen“ sprichst du?

Ich habe in meinem Text biblisch begründet, warum wir uns nicht auf jeder Art Aussagen und Vorwürfen einlassen. Mit „prüfen“ meint die Bibel ganz sicherlich nicht, dass man die Aussagen Abtrünniger prüfen sollte!

Nobodyrotz 
Beitragsersteller
 07.06.2025, 09:41
@Philipp59

Damit blockst Du praktisch Wahrheitsfindungen im Voraus ab.

Philipp59  08.06.2025, 06:24
@Nobodyrotz

Diejenigen, die zu der christlichen Lehre auf Distanz gehen, sind ganz sicher keine "Wahrheitsfinder"! Sollte nicht entscheidend sein, wie Gott über Abtrünnigkeit denkt?

Gott nimmt Abtrünnigkeit im Christentum sehr ernst, denn sie bedeutet eine bewusste Abkehr von der Wahrheit, die er in Jesus Christus offenbart hat.

In der Bibel wird immer wieder deutlich, dass Gott eine enge, treue Beziehung zu seinen Menschen sucht – eine Beziehung, die auf Wahrheit, Liebe und Vertrauen basiert. Wenn jemand, der diese Beziehung erkannt und angenommen hat, sich dann bewusst von Gott, seinem Wort und seiner Gemeinde abwendet, wird das nicht als eine bloße Meinungsänderung verstanden, sondern als ein Akt des Treuebruchs.

Nobodyrotz 
Beitragsersteller
 08.06.2025, 06:33
@Philipp59

Alles hat eine Ursache. Die Leute, die als Abtrünnige bezeichnet werden, sind deshalb abtrünnig, weil sie ein Gewissen haben.

Das ist psychologische Kriegführung - in autoritären, theokratischen Gruppierungen durchaus üblich. Du machst was wir von Dir verlangen oder Du fliegst raus..

LA

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Habe eine theologische, kirchliche-diakonische Ausbildung.

führt das denn zu Erfolg oder müssen treue Christen ( der Meinung und Sicht ehemaliger verbindlich zustimmen ansonsten sind sie Gaslightbetreiber?

Solche Glaubensdiskussionen würden wohl die Gläubigen der Zeugen J. nur verwirren. ;-)