War die DDR gar nicht so schlecht?

12 Antworten

Kommt darauf an, wen du fragst.

Sicherlich gab es Proviteure und Machtmenschen, die das System geliebt haben. Wenn es gut für dich läuft, dann magst du es. Besonders, wenn es nach dem Mauerfall genau für die bergab ging oder sie als IM entlarft wurden oder ehemalige Funktionäre. Die Verlierer in der neuen Zeit erinnern sie sich gern an ihre DDR-Zeit.

Fragst du hingegen Opfer des DDR-Regimes bekommst du natürlich eine ganz andere Antwort.

Hinzu kommt, dass das menschliche Gehirn dazu neigt schlechte Erlebnisse oder die Vergangenheit zu verklären oder zu relativieren. Rückblickend glauben z. B. viele Menschen in ihrer Kindheit hätte es fast nur heiße Sommer gegeben. Ein Blick in die Wetteraufzeichnungen beweist, dem war gar nicht so. Genau das Gleiche passierte bei vielen ehemaligen DDR-Bürgern mit ihren Erinnerungen. Dafür gibt es inzwischen den Begriff: Ostalgie.

Viele DDR-Bürger haben sich beim Mauerbau bewußt entschieden ihre Heimat nicht aufzugeben. Mit einem gewissen Idealismus und viel Herzblut wollten sie, dass das Experiment DDR-Staat gelingt. Das Gefühl kippt man nicht einfach weg. Gleichzeitig gab es auch in dem Arbeiter- und Bauernstaat Menschen, die "gleicher" sein wollten und das System damit sabotierten. Die enge Bindung an Russland verhinderte zudem viele wichtige Innovationen und Reformen. Das Geschleime der DDR-Regierung in Richtung Moskau half eher dem Ego der Politiker, als den Bürgern. Wenn einem nur oft genung und lange genug Ideologien eingehämmert werden und ggf. auch Zuwiderhandlungen bestraft werden, beginnt man sich zu fügen und Werte zu übernehmen. Das zeigt sich noch heute in der mangelnden Beißhemmung in Richtung Russland genau auf dem Territorium der alten Bundesländer. In der Ukrainefrage steht man ungehemmter auf russischer Seite und zweifelt weniger an russischen Staatsorganen. Der Teufel den man kennt, schreckt einen weniger als das Unbekannte.

Diese Gemengelage plus einen ordentlichen Schuss Ostalgie führt dazu, dass auch heute noch die russische Propaganda (ausgeführt von russischen Trollen) verfängt. Man versteht sich halt. Vom "komm, war doch nicht alles schlecht..." bis hin zum "wir müsse mehr davon bewahren ...." ist es dann nicht mehr weit. Vergessen sind die zwangsadoptierten Kinder, politische Gefangene, Berufsverbote, Bespitzelungen, Staatsdoping der Sportler, Mauerschießbefehl, Korruption der Eliten, Mangelverwaltung, Reiseverbote, Drill, Maulkörbe, usw., bzw. werden beschönt und realtiviert. Aber die anderen ... Feindbilder können sehr hartnäckig sein.

Rückblickend fehlt vielen ehemaligen "Ossis" die Wertschätzung ihrer Lebensleistung, eben von den "Wessis". Ohne Kapitalismuserfahrung und etwas blauäugig sind sie nach den Mauerfall vielfach übervorteilt worden. Es hat ewig gedauert, bis z. B. Löhne angeglichen wurden. DDR-Betriebe wurden abgewickelt und waren einfach weg. Damit verschwanden auch lieb gewonnene Produkte und Gewohnheiten. Ein neues Gefühl kam auf: "Zukunftsangst".

Kein Wort darüber dass auch ein ehemaliger DDR-Bürger Rente aus den aktuellen Rentenkasse bekommt, obwohl ihre Beiträge im Prinzip sich mit der DDR aufgelöst haben. Und besonders DDR-Bürger haben trotz Kinder weiter Vollzeit gearbeitet, also hohe Anwartschaften erworben. Der Soli, marode Infrastruktur etc. Komplett unrentable Betriebe die künstlich am Leben gehalten wurden, boten natürlich himmlische Arbeitsbedingungen, damit man Vollbeschäftigung vermelden konnte. Selbstverständlich kein Vergleich mit kapitalistisch ausgerichteten Betrieben. Arbeitslosigkeit oder Obdachlosigkeit als neue Ängste. Die DDR war bankrott. Das verinnerlichen viele der ehemaligen Bürger nicht. Der Laden war nicht nur pleite, sondern eine Ideologie ist gescheitert. Tote Pferde reitet man nicht weiter.

Und als Nachbarn bestätigt man sich: "Findest du doch auch ... neh!" Man lebt in seiner "War doch gar nicht alles schlecht ..."-Blase. Nein, früher waren nicht alle Sommer heiß!


JMJreboot  24.02.2024, 17:09

Dankeschön 👍

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Es gibt sicher einzelne Aspekte, die man positiv sehen kann, wie ein gutes Recycling-System oder die Kita-Betreuung.

Ändert aber nichts daran, dass die DDR eine repressive Diktatur war, die ihre Bürger einsperren musste.

Das bizarre ist ja, dass viele Ossis, die heute AfD-affin sind und die DDR und Putin glorifizieren, davon schwafeln, dass sie heute in einer Diktatur leben müssen. Verkehrte Welt.

Für Parteikader und Mitläufer war sie gar nicht sooo schlecht. Die hatten zwar auch keinen Wohlstand wie im Westen, durften dafür aber ihre Machtgelüste hemmungslos ausleben. Diese Gruppen trauern auch heute noch der DDR nach, da sie in der Demokratie nun ihre Macht verloren haben und teils immer noch vom Wohlstand abgeschnitten sind.

Für geistig arme hatte die DDR ebenfalls Vorteile, weil das Leben ziemlich einfach war, da alles von oben vorgeschrieben war und man sich selber um so gut wie nichts kümmern musste. Die sehnen sich wieder nach ähnlichen Verhältnissen und versprechen sich diese von der AfD.

Für den Rest jedoch, der freiheitsliebend und aktiv lebensgestaltend ist, war die DDR ein Gefängnis in Armut. Diese Leute sind dann auch auf die Straße gegangen und in den Westen geflohen.

Minenfelder, Wachtürme und Mordschützen entlang der Innerdeutschen Grenze waren ganz toll. Hinrichtungen per Genickschuß, Bespitzelung bis ins intimsten Privatleben und Mangel an Allem waren noch toller. Inhaftierungen und jahrelanger Zuchthaus Aufenthalt ohne jede Anklage, Zwangsscheidungen, Wegnahme von Kindern und deren Zwangsadoptionen waren einfach nur herrlich. Marode und verfallene Bausubstanz, Geschäfte mit Westwaren nur für Partei Bonzen und Verbot das Groß - KZ in Mitteldeutschland zu verlassen waren doch wirklich nachahmenswert.

Die SBZ in der Mitte Deutschlands ist in der Kloake der Geschichte heruntergespült und wird sich nicht wiederholen.

Nein.

Seit der Springer-Konzern die Gänsefüßchen von der "DDR" nahm, setze ich erst Anführungszeichen, denn seit dem fehlt mir jedes Verständnis für diesen sogenannten Arbeiter- und Bauernstaat. In dem Maß wie ich mich von der "DDR" entferne, kommt mir dieser Staat immer schlechter vor, weil Anspruch und Wirklichkeit, Theorie und Praxis nichts miteinander zu tun hatten und die Diskrepanzen immer gravierender werden, je mehr Informationen vorliegen. Die "DDR" konnte entsetzlich repressiv sein und ihr langer Arm reichte bis in den Westen ... Der Westberliner CDU-Innensenator Lummer fuhr ins Edelbordell nach Ostberlin und fand es super. Ein Westpolizist wurde als bezahlter Stasi-Informant und Mörder von Benno Ohnesorg mit den Stasi-Akten geoutet. Und da gab es noch viel mehr Leute, die im Osten nicht alles schlecht fanden ...