Vor- und Nachteile eines Dualen Studiums?
Hallo Gutefrage-Community,
ich bereite mich aktuell darauf vor, in ca. 2 Jahren ins Studium einzusteigen. Da ich ein großes Interesse für Informatik habe, erwäge ich ein Informatikstudium (B.Sc.).
Für mich stand relativ schnell fest, dass ich mein Studium an der Hochschule absolvieren möchte, da mir das Lernmodell tendenziell mehr zusagt.
Aus verschiedenen Aspekten stellt sich mir nun die Frage, ob ich lieber ein "reines" Hochschulstudium oder ein duales angehen sollte. Konkret spricht für ein duales Studium, dass ich Geld verdienen würde, weswegen ich mir keine Sorgen um die Finanzierung des Studiums (bspw. einer WG) machen müsste. Auch kann das Sammeln praktischer Erfahrung eine große Chance sein (je nach Unternehmen).
Auf der anderen Seite ist das Studium wohl strikter und enger getaktet, was bei mir leicht zu Überforderung führen könnte. Darüber hinaus habe ich von einer "Verpflichtungszeit" gelesen, welche mich für einen Zeitraum von ca. 2 Jahren bei der jeweiligen Firma nach Abschluss des Studiums zur Arbeit verpflichten würde, was mir ein potenzielles Masterstudium erschweren oder zumindest nach hinten verschieben würde und je nach Interessenentwicklung während des Studiums möglicherweise unzufrieden machen könnte.
Es ist für mich schwer, mich festzulegen, da ich fachlich noch sehr am Anfang stehe. Neben meinem freizeitlichen Interesse und dem Wahlfach Informatik in der gymnasialen Oberstufe habe ich nahezu keine Erfahrung mit der Informatik (bisher habe ich z.B. keine Ahnung vom programmieren und auch die im Studium relevante Mathematik ist bei mir unausgeprägt).
Vielen Dank im vorhinein für das Antworten, besonders würde ich mich natürlich über Erfahrungsberichte freuen.
Hast du sehr gute Noten in der Schule - insbesondere in Mathe?
Wenn nicht, dann sind die Chancen, von einem Unternehmen für ein Duales Studium angenommen zu werden, eher gering.
Bewege mich in Mathematik aktuell so um die 10 Punkte herum, im Informatik-Wahlfach um die 14.
4 Antworten
Wenn die Finanzierung nicht ausschlaggebend für dich ist, etwa weil du keinen Anspruch auf Bafög haben wirst und keine Unterstützung von deinen Eltern bekommst, dann würde ich zu einem normalen Studium raten.
In der Informatik, besonders an Fachhochschulen, hat man kein Problem über Praxisprojekte in Kontakt mit potentiellen Arbeitgebern zu kommen und die Berufsaussichten sind im Moment so überaus günstig, dass man sich um den Berufseinstieg praktisch keine Sorgen machen muss.
Wenn du noch nicht sicher weißt, was du danach machen willst, dann würde ich an deiner Stelle ein normales Studium wählen. Da bist du danach frei und nicht an irgendwelche Verpflichtungen gebunden.
Ich kann deine Überlegungen sehr gut nachvollziehen - ähnliche Gedanken hatte ich vor 5 Jahren auch. Damals habe ich mich dann letztendlich für das duale Studium entschieden und habe es keinen Tag bereut - aber mir ist bewusst, dass das Modell nicht unbedingt für jeden gemacht ist.
Deshalb hier mal eine kleine Liste an Vor- und Nachteilen und meiner persönlichen Erfahrung dazu. Ich habe übrigens Maschinenbau an der DHBW studiert, kann natürlich sein, dass das an anderen Hochschulen und bei andern Fächern anders ist, auch das Partnerunternehmen hat natürlich großen Einfluss.
Studienkonzept
Grundsätzlich ist das Studienkonzept sehr "schulisch". Im Endeffekt war es nahezu wie in der Schule. Der Großteil meiner Kurse war vorgegeben und es gab nur eine Hand voll Wahlfächer. Der Vorlesungsplan wird komplett vorgegeben, d.h. kein Einschreiben in die jeweiligen Kurse und planen der Vorlesungszeiten nötig. Bei den Vorlesungen herrscht Anwesenheitspflicht, also kein "heute schlafe ich lieber mal aus" oder ähnliche Ausreden. Auch die "Vorlesungen" an sich ähneln im Grunde sehr einer Unterrichtsstunde in der Schule. Bei mir gab es nie diese "typischen" Vorlesungen, wie man sie aus Filmen kennt mit 100en anderen Studis in einem riesigen Vorlesungssaal - es sah eigentlich immer aus, wie in einem Klassenzimmer.
Das Konzept fand ich super, weil ich keine selbstständige Lernerin bin. Hätte ich die Möglichkeit gehabt, hätte ich die Klausuren häufig aufgeschoben, einfach nur aus Faulheit. Oder ich hätte die Verlesungen geschwänzt, weil mein Bett dann doch bequemer war oder ähnliches eben. Ich habe eindeutig von diesem externen Druck profitiert und konnte daher mein Studium mit einer sehr guten Note abschließen. Sonst hätte ich es bestimmt auch geschafft, aber ich denke mit einem schlechteren Schnitt.
Belastung
Ja, die Dichte an Lernstoff ist im dualen Studium höher. Aber, meiner Meinung nach war es auf alle Fälle machbar. Im Endeffekt hatte ich 6 Theorieblöcke, die jeweils ein viertel Jahr gingen und am Ende mit einer Klausurenphase (1-2 Wochen mit 4-6 Klausuren) endeten. Auch wenn ich mir jedes Semester vorgenommen habe von Anfang an die Vorlesungen ausführlich nachzubereiten, habe ich das nie gemacht. Im Endeffekt habe ich (und alle anderen aus meinem Kurs) immer in den letzten 2-3 Wochen vor der Klausurenphase begonnen zu lernen. Das war dann eine etwas stressige Zeit, aber auch das war kein Problem. Und was ich von anderen Studierenden an Universitäten oder FHs mitbekomme, ist das bei denen auch nicht anders.
Außerdem üben viele Studierende noch einen Nebenjob aus, um ihr Studium zu finanzieren. Dadurch stelle ich mir die Belastung sehr viel größer vor. Im dualen Studium ist es in der Regel so, dass man in den Praxisphasen nichts für die Hochschule machen muss, also hat man da eine Phase in der man seine 35-40 Stunden/Woche arbeitet und danach Freizeit hat. (Vielleicht gibt es hier anzumerken, dass man in den Praxisphasen sogenannte Praxisarbeiten schreiben muss, die dann an der DHBW abgegeben werde müssen und bewertet werden. In aller Regel schreibt man diese Praxisarbeiten aber während der Arbeitszeit und hat somit eigentlich keinen Stress - dasselbe gilt übrigens für die Bachelorarbeit)
Also ja, vielleicht ist die Dichte des Lernstoffs höher, aber die Klausurenphasen sind so oder so stressig. Die Menge an Lernstoff, hat darauf meiner Erfahrung nach keinen großen Einfluss.
Studentenleben
Durch das duale Studium hat man kein klassisches Studentenleben. Wobei das auch immer auf die Umstände ankommt. Ich z.B. habe während den Praxisphasen daheim gewohnt, da hatte ich natürlich kein Studentenleben. Aber während den Theoriephasen habe ich in der Nähe der DHBW gewohnt, wie einige andere Studierenden aus meinem Kurs auch. Da haben wir oft gemeinsam was unternommen. So hatte ich zumindest ein wenig Studentenleben, aber eben nur die Hälfte des Studiums.
Aber im Gegensatz zu anderen Leuten in meinem Alter, habe ich nun ein abgeschlossenes Studium und verdiene mein eigenes Geld. Zusätzlich habe ich viele Möglichkeiten Urlaub zu nehmen, und kann jetzt die Zeit nutzen um tolle Reisen zu unternehmen, darum beneiden mich einige, die aktuell immernoch am studieren sind.
Wer sich also unbedingt das klassische Studentenleben wünscht, sollte sich das mit dem dualen Studium gut überlegen. Wer das aber nicht in großem Maße braucht, dem kann ich ein duales Studium ans Herz legen.
Motivation
Einer der wichtigsten Punkte für mich war die Motivation. Ich weiß nicht ob ich die Lust gehabt hätte ein reines Hochschulstudium durchzuziehen. Ich war am Ende jeder Theoriephase so froh, als ich endlich wieder in mein Unternehmen gehen konnte und dort tatsächlich relevante Arbeit erledigen konnte. Diese reinen Theorieblöcke waren teils schon sehr zäh, das stelle ich mir an einer Uni/FH nochmal deutlich anstrengender vor.
Gehalt/Urlaub/etc.
Außerdem hat das duale Studium einige Vorteile, dadurch, dass man in einem Unternehmen angestellt ist. Zum einen natürlich die Vergütung, aber auch, dass man bereits in die Renten-/Sozialversicherung einzahlt und dass man Urlaubstage zur Verfügung hat. Außerdem bieten einige Unternehmen Vorteile für ihre Mitarbeitenden an, wie Rabatte bei bestimmten Einkaufsläden oder zusätzliche Krankenversicherung oder Altersvorsorge.
Das sind meiner Meinung nach zwar Vorteile, aber sie sollten meiner Meinung nach nicht ausschlaggebend für eine Entscheidung sein. Außer deine finanzielle Situation ist so schlecht, dass ein normales Studium nahezu nicht in Frage kommt.
Leichter Berufseinstieg/Weiterbildung
Meiner Meinung nach ein unterschätzter Vorteil ist der leichte Berufseinstieg. Man hat somit während der Bachelorarbeit keinen Stress mit einem aufwändigen Bewerbungsprozess. Aber zu deinen Bedenken mit einer Verpflichtungszeit: Das ist mir eher unbekannt. So etwas gibt es in unserer Firma nicht und auch von anderen Studierenden habe ich so etwas nie gehört. Ganz im Gegenteil, sehr viele Unternehmen fördern gerne die Weiterbildung zum Master und geben einem sogar eine Wiedereinstellungsgarantie, wenn man die Firma für ein Masterstudium verlässt.
Vorwissen
Welches Vorwissen du für ein Informatikstudium haben solltest kann ich dir nicht sagen. Aber ich könnte mir tatsächlich vorstellen, dass in einem solchen Fall das duale Studium fast schon besser geeignet ist. Zumindest bei uns war das so, dass im ersten viertel Jahr im Unternehmen einige Grundlagen, die man so an einer Hochschule nicht bekommen würde, beigebracht wurden. Die Informatik Studis aus meinem Jahrgang haben am Anfang erstmal einen Programmierkurs besucht. Außerdem hat man so von Anfang an Kontakt zu Fachexperten oder Studierenden aus den anderen Jahrgängen, die einen in Zukunft bei Fragen unterstützen können.
Als abschließenden Tipp kann ich dir empfehlen dich auf Berufsmessen mit dual Studierenden oder Ausbildungsbeauftragten zu unterhalten. Oder trete direkt in Kontakt mit den Ausbildungsbeauftragten eines Unternehmens, welches für dich in Frage käme. Zumindest bei uns im Unternehmen freuen sie sich immer mit Interessierten zu unterhalten und bieten auch gerne einen Besuch für sie an. Eine weiter Möglichkeit wäre natürlich ein Praktikum, falls du dafür Zeit hast.
Ich hoffe ich konnte dir damit ein wenig helfen - viel Erfolg für deine Zukunft!
Hallo Miri,
vielen Dank für deine ausführliche Antwort, dein Erfahrungsbericht ist enorm hilfreich!
Ich hätte anschließend noch eine Frage: aus Material über duales studieren habe ich entnommen, dass es gängig sei, bei dem dualen Partner (also der Firma) nach abgeschlossenem Studium für einige Jahre vertraglich zur Anstellung verpflichtet zu werden. Ist dem wirklich so? Und wenn ja, wie würdest Du das persönlich einschätzen?
Außerdem habe ich gehört, dass der duale Partner möglicherweise den Studienverlauf bestimmen kann, indem er in späteren Semestern bspw. Wahlmodule vorgibt. Das wäre für mich in sofern eine Einschränkung, als das ich mich noch nicht ausreichend mit der Materie auskenne, um mich auf ein Fachgebiet der Informatik zu spezifizieren.
Nochmal vielen Dank für deine Antwort!
Ein duales Studium kann oft eine effektivere Alternative sein.